Wutbürgers Reisen

Ugandische Schnapswerbung

Wie erträgt man reisende Wutbürger? – Ugandische Schnapswerbung

Von unserer Tourismusbeauftragten Charlotte Sophie Meyn

 

„Marokko, Tunesien, das sind doch sichere Herkunftsländer!“ ruft er, der Wutbürger. „Da machen wir Deutschen doch Urlaub!“ Letztes Jahr, da war er doch mit weg.de im Cluburlaub in Hammamet und da war doch alles super! Toller Strand, tolles Meer, tolles Wetter, die komischen nichtweißen Menschen haben ein bisschen gestört, da hatte er immer Angst, die könnten sich an seine Uschi heranmachen, man weiß ja, wie die sind, die orientalischen Männer, aber die kamen nur zum Kellnern und Putzen in die Hotelanlage, von daher war es dann wieder okay. Mit denen geredet hat er nicht, wie denn auch, die können ja kein Deutsch. Aber so schick wie die angezogen waren, ging es denen bestimmt nicht schlecht.
Die Verfasserin schreibt dies übrigens in einem Hotelzimmer in Kampala/Uganda. Und sie könnte sich jetzt ein Schild basteln, auf dem steht „MUSEVENI IST EIN IDIOT“, das nächste Motorradtaxi besteigen und sich dann mit dem Schild auf die Kampala Road stellen. Wahrscheinlich würden schließlich einige Polizeibeamte kommen, sie auffordern, das Schild wegzutun, sie vielleicht sogar ausfragen und auf die Wache mitnehmen, vielleicht müsste sie ein Bußgeld bezahlen. Mehr aber auch nicht.
Hätte die Verfasserin keinen deutschen Pass und keine weiße Haut, würden die Polizisten sie wahrscheinlich zusammenschlagen. Und möglicherweise würde sie absehbarer Zeit an einem mysteriösen Unfall sterben. Das passiert manchmal mit Leuten, die den ugandischen Präsidenten kritisieren.
Aber die Verfasserin hat ihn eben, den Pass mit dem Bundesadler vornedrauf, und hat eben eine Hautfarbe, die an den Teint eines niedlichen rosa Babyferkels erinnert. Und deshalb darf sie ziemlich viel. Deshalb gibt es Bilder von ihr, auf denen sie durch die Innenstadt von Khartum streunt, in Jeans, im kurzärmeligen T-Shirt, und der Wind weht durch das durchschnittsmitteleuropäischmatschblonde Zeug, das auf ihrem Kopf wächst und von keinem Tuch bedeckt ist. Sudanesinnen oder auch eritreische Flüchtlingsfrauen würden für ein derart gewagtes Outfit im schlimmsten Fall ausgepeitscht. Und deshalb durfte die Verfasserin in Äthiopien mit einem anderen Babyferkelhautinhaber auf der Hotelterrasse Gespräche über die politischen Repressionen im Land führen, während die Einheimischen das Thema mieden, weil überall Spione der Regierung lauerten. Wie schrecklich die Zustände wirklich waren, fand sie erst heraus, als sie zufällig einem Journalisten begegnete, der kritische Dinge über die Regierung geschrieben hatte. Er zeigte ihr die Narben, die die Folter auf seinem Körper hinterlassen hatte.
Denn wenn man einen Bundesadlerpass und Babyferkelhaut hat, ist es, als hinge einem ein Schild über dem Kopf, auf dem steht: „ICH BRINGE GELD INS LAND. VIEL GELD. UND DARUM DARF ICH HIER ALLES.“ Tatsächlich bringt die Verfasserin gar nicht so viel Geld ins Land. Das Hotelzimmer, aus dem sie diese Zeilen schreibt, kostet sechs Euro pro Nacht. Aber der Schein genügt.
Und darum kann man als Urlauber, wenn man sich bemüht, allerhöchstens ein wenig an der Oberfläche kratzen. Aber wirklich beurteilen kann man nichts. Wirklich nichts.
Aber das versteht er nun einmal nicht, der Wutbürger.

 
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