Danke, Rüdiger Grube

DSC08884 Bahn out of orderODER: Warum geht´s der Bahn so dreckig

Von unserem Mobilitäts(medien)beauftragten Edler von Schwermuth

Schauen Sie mal in den Hamburger Hauptbahnhof – beispielsweise. Da nimmt die Zahl der grauen Kästen zu. Die Weltfirma Ströer, die sich früher mal als werbeträchtiger „Straßenbegleitwerbemöbler“ einen Namen machte, arbeitet sich medial immer mehr in der großen Halle vor. Große Videowerbetafeln über dem Südsteg sind seit Jahren Alltag. Zwischen glücklichen Menschen und noch glücklicheren Automobilen zeigen sie die Uhrzeit für Sekunden an. Bisweilen allerdings kommt es zu Totalausfällen, haben die riesigen Videowände ein Blackout.

Derweil drängen sich auf höchst engen Treppen die Fahrgäste hoch und runter, zumindest dort, wo die Regionalzüge aus Lübeck werktags halbstündig anlanden. Große Verstopfung, weil der Bahn AG  mehr an der geschäftsmäßigen Verwertung des Hauptbahnhofs gelegen ist, möglichst viele Quadratmeter zu unerbittlichen Preisen zumeist an Freßketten vermietet. Einkaufs- und Verzehr-Bahnhof eben, gegen den vor vielen Jahren noch demonstriert wurde. Aber wir wollen nicht ablenken. Zurück zur grauen Bahn in postmodernden Zeiten, wo der Glanz abgebildet und die Realität sich weniger glanzvoll zeigt.

Die „pünktliche Bahn“ etwa auf der vielbefahrenen Strecke Hamburg – Lübeck voller Überraschungen, aber auch Gewöhnungen an Zugausfälle, fehlende Waggons, verpatzte Anschlußverbindungen. Und: In Zeiten, wo wir alle aufs „Smartphone“ starren, mag es nicht stören, wenn die Fenster blind werden vor lauter Dreck. Trotzdem gibt´s vereinzelt noch Fahrgäste, die gern rausschauen würden und sich deswegen beim unschuldigen (!) Zugbegleiter erkundigen, warum es den Regionalzügen auf der genannten Strecke so dreckig geht:  Die Waschanlage in Hamburg sei eingestellt und die neue in Kiel immer noch nicht fertig. „Seien Sie froh, daß die Bahn überhaupt noch fährt!“, tröstet der Zugbegleiter.

Product Placement im Hauptbahnhof

Product Placement im Hauptbahnhof

Derlei Aufklärung mögen die Bahn-Chefetagen nicht hören.  Denn für Aufklärung sorgen allein die bunten Bahnreklamen und  Konzernpressesprecher.  An die darf sich natürlich nur wenden, wer auch was in Medien macht. Der kleine Fahrgast soll sich im Falle von Kummer über die Bahn in die Warteschleife begeben und wird abgehängt. Wo kommen wir auch hin, wenn jeder kleine Fahrgast die Möglichkeit hat, sich Luft zu machen über persönlich erlittenen Ausfall.

Der kleine Fahrgast ist sowieso schuld. Etwa an Verspätungen. Das legte vor Wochen der aus der Bahn nun ausgestiegene Große Bahn-AG-Vorsitzende Grube mit seinem Vorschlag nah, für Bahn-Pünklichkeit zu sorgen. Sein Patent-Rezept: Vor Abfahrt der Züge sollen die Zugtüren eine Minute früher geschlossen werden, damit die ewigen Verspäter aus dem Bahnfahrvolk nicht weiter die Abfahrten verzögerten.

 

Hilfloses Beschwerdemanagement, Bhf. Oldesloe

Hilfloses Beschwerdemanagement, Bhf. Oldesloe

Entertainment für fahrende Volk

Damit werden sich auch die täglichen Betriebsstörungen jeglicher Ursache auf der vielbefahrenen Bahnstrecke zwischen dem großen Hamburg und  dem kleinen Lübeck  erledigen, werden auch die arg verschmutzten Waggon-Fassaden  wieder glänzen wie das Lebensgefühl auf des großen Reklamisten Ströers Out- und Indoor-„Video Screens“, die jetzt  noch mal besonders gewürdigt werden sollen: Im Hauptbahnhof zu Hamburg etwa, dem bevorzugten Versuchsfeld für Ströers Unterhaltungsbetrieb reihen sich zwischen den Bahnsteigen mehr und mehr graue Bildschirm-Kästen mit bunten Videobildchen, damit wir fahrendes Volk nicht mehr blöd dastehen, wenn auf verspätete oder gar ausgefallene Züge zu warten ist.

„Wir arbeiten konsequent an der Verbindung von Out-of-Home und Online, um unseren Partnern integrierte und effiziente adressable Cross Media Angebote anzubieten. Mit der programmatischen Aussteuerung von Public Video schaffen wir für Werbungtreibenden eine Möglichkeit, ihre programmatischen Online Videokampagnen in den öffentlichen Raum zu verlängern“, sagt Christian von den Brincken, Geschäftsführer Business Development bei Ströer.

Der Bahnsteig unwirtlich und bisweilen eng wegen zusätzlicher Werbeaufsteller – „Der Verspätungs-Alarm informiert Sie über Änderungen Ihrer Reiseverbindung, per E-Mail oder Push-Nachricht aufs Smartphone in die DB Navigator App“ – wird zu Ströers Allein-Unterhaltungsbühne und tröstet uns zunehmend über manch Alltagsunbill „out of home“ hinweg.

Wie etwa beim „Fahrgastfernsehen“ der Hamburger Hochbahn, wo wir alle, wenn wir nicht gerade mit dem „Smartphone“ zu tun haben, gern auf Ströers Schirme starren, um zu erfahren, was die Welt nicht nur im Dschungelcamp so zu bieten hat.

Ich kleiner Bahn-Passagier 2. Klasse möchte wetten, daß Ströer bereits Grube, den Gemahl der  TV-Köchin Poletto,  und seine Nachfolger für ein weiteres Geschäft gewonnen hat: die Installierung des Bahn-Fernsehens auch in den Regionalzügen zwischen Hamburg und Lübeck, wo wir dann erfahren, wie viel Freude der Große Trumpator  an seiner Arbeit und Familie hat oder so.  In  jedem Falle Tröstliches von den die Sonnenseiten des Lebens wie bei T-Online, wo Außerwerber Ströer auch die Nachrichten macht.

Aber um noch mal auf den Bahn-Alltag zurückzukommen: Erstaunlich doch, daß es zu keinerlei  Aufständen kommt! Auch in den Zügen zwischen Hamburg und Lübeck es bei allen Betriebsstörungen, die zentral vom fernen Hannover aus gesteuert und reguliert werden, kommt es zu keinerlei Unruhen, selbst wenn Anschlußzüge nicht mehr erreicht werden. So  in der holsteinischen Kreiskleinstadt Bad Oldesloe als Zughaltepunkt auf der genannten Strecke, wo der Triebwagen nach Segeberg nur begrenzt warten kann.

Geschichte von Herrn K.

In Bad Oldesloe stieg vor Wochen auch Herr K. aus, um sich zu Hause sagen zu lassen, er hätte  im Zug wohl wieder mal was  – sein „Handy“ – liegen gelassen. Das sei von einem tunesischen Ehepaar gefunden und dem ICE-Zugpersonal übergeben worden. Da beginnt  eigentlich eine andere Geschichte, weil die Bahn ist doch nicht Schuld ist, wenn Herr K. was liegen läßt!

Aber diese Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung, denn das als „Fundsache“ vorschriftsmäßig übergebene Gerät ist seitdem auch in der zentralen Bahn-AG-Fundstelle zu Wuppertal nicht aufgetaucht, auf dem Weg dorthin wahrscheinlich einem ICE-Zugteam-Mitglied verloren gegangen. Derlei Bahn-Welt kann auch das tunesische Finder-Paar nicht verstehen. Aber Verlieren ist menschlich und kommt eben vor in bahnmodernen Zeiten, wo wir kleinen Bahnfahrer mal froh sein sollen, daß  Züge nicht nur zwischen dem großen Hamburg und dem kleinen Lübeck überhaupt noch fahren. Ein einziges Mal, und das kann Herr K. bezeugen, trug sich  vor Wochen zu, daß der Zug von Hamburg nach Lübeck aus ganz besonderem Grund nicht abfahren konnte. Das weiß Herr K. nicht von der Bahn-Pressestelle, sondern vom Zugbegleiter, der erst eine „Betriebsstörung“ durchsagte, um dann – dankenswerterweise –  seinen Mund nicht halten zu können: „Wir haben keinen Lokführer.“

Untertänigst Edler von Schwermuth, Bahn-Stammkunde 2. Klasse mit Stammsitz in der wagrisch-holsteinischen Grafenecke

 
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Dieser Beitrag wurde am 31. Januar 2017 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare

4 Gedanken zu „Danke, Rüdiger Grube

    • Bahn frei für Rüdiger Grube:

      Ich finde es furchtbar, wie die Prinzessinnenreporter mit dem tüchtigen Rüdiger Grube umgehen.

      Der Mann muß doch auch für seine Rente sorgen und kann sich nicht alles gefallen lassen.

      Außerdem hat er doch gut gearbeitet und jetzt wird nur noch Schmutz und Dreck über ihn verbreitet. Darunter leidet doch auch seine Frau Poletto, die mit ihrem Hamburger Kochbetrieb auch rechnen muß oder so.

      Die Prinzessinnen sollten sich jedenfalls was schämen!

      Ganz anders geht beispielhaft die taz mit dem guten Mann um!

      Darf ich mal den Schluß aus dem Blättchen vom 31. Januar 2017 zitieren, wo ein verständnisvoller Schreiber namens Wolfgang Mulke von einem „unwürdigen Geschacher“ schreibt und würdig endet:

      Doch Alternativen lassen sich nicht leicht finden. Headhunter schätzen die Zahl der ge­eigneten Manager auf allenfalls eine Handvoll. Denn das Profil ist vielfältiger als bei einem ­normalen Unternehmen – nicht nur rund 300.000 Beschäftigte wollen ordentlich geführt ­werden, auch Politikern aus Bund, Ländern und Kommunen müssen ausgehalten werden. Ein Job, den Grube in den letzten acht Jahren gut umgesetzt hat.

      Das hört sich doch schon mal ganz anders an als Ihre Lügenpresse-Unternehmung!

      Nehmen Sie sich also, werte Prinzessinnen, daran gefälligst ein Beispiel!

      Unfreundliche Grüße N.D. Rudolf, Negernbötel

  1. Schöner Artikel. Kann man als Pendler auf der Strecke nur positiv bewerten. Allerdings verstehe ich die Verbindung zwischen Herrn K., seinem Ausstieg in Bad Oldesloe (also der Kreiskleinstadt) und dem ICE nicht. In der Kreiskleinstadt Bad Oldesloe hält kein ICE? Nicht nach Plan. Sonst schon mal, so im Notfall und so.

    • Ein Leserbrief, der uns per Mail erreichte: So nicht!

      Danke, Kreiskleinstadt, für die faire Infragestellung des Geschwurbels vom sog. Mobilitäts(medien)beauftragten mit Namen Edler von Schwermuth rund um den Bahnbetrieb in schweren Zeiten und den gebeutelten Chef Grube.

      Schon allein die Gramatik- und Rechtschleibfehler des genannten Herrn aus dem wagrischen Nieder-Adel hätten die ansonsten hoch geschätzten PrinzessinnenreporterInnen nicht durchgehen lassen dürfen.

      Schlimmer noch unlautere Fakten wie die Aufwertung des Kreiskleinstadtbahnhofs zu einem ICE-Halt, worauf die Kreiskleinstadt besonders hinweist. Und nicht zuletzt alle anderen Gemeinheiten, vor denen die Bahn-feindlichen Einlassungen des genannten Herrn nur so strotzen.

      Machen wir uns nichts vor: die PrinzessinnenreporterInnen sollten sich schleunigst einen saubereren Mobilitätsbeauftragten besorgen, der Fünfe gerade sein läßt und die gebeutelte Bahn nicht weiter in den Dreck schreibt.

      Ich will mit gutem Beispiel vorangehen und schicke mal ein Foto (siehe Facebook), das von einem ganz anderen Geist zeugt: bei der Bahn wird nämlich noch angepackt, engagieren sich selbst Bahnhofsaufseher von Hand für ein gepflegtes Ambiente. Übrigens auch auf dem genannten Kreiskleinstadtbahnhof, wo die Gießkanne zu allen Jahreszeiten bereit steht.

      Klaus Kaluschke, Bahncard-Inhaber auf der Durchreise

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