Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (39) Heiko Werning

Heiko Werning, Foto: Axel Völcker

Heiko Werning, Foto: Axel Völcker

Heiko Werning wirkt bei den Lesebühnen „Reformbühne Heim & Welt“ und „Die Brauseboys“ mit, schreibt für Titanic, taz und Jungle World und ist Redakteur von Fachmagazinen über Reptilien und Amphibien.

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten. Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.

1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorenamen über oder unter einem Text – wann /hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?
Ich glaube, Hermann L. Gremliza war der erste Journalist, der mir namentlich bekannt war. Ohne dass ich je etwas von ihm gelesen hatte. Ich muss so um die 15 Jahre alt gewesen sein. Ein gleichaltriger Freund von mir erzählte von Gremliza-Konkret-Artikeln. Ich vermute, der hatte die auch gar nicht selbst gelesen, sondern nur sein älterer Bruder. Jedenfalls kamen bei mir für mein damaliges westdeutsches Provinz-Bürgersöhnchen-Weltbild äußerst schräg klingende Ansichten an, die ich aber auf eine merkwürdige Weise faszinierend fand. Das selbst zu überprüfen, indem ich mir mal die „konkret“ besorgt hätte, habe ich mich aber nie getraut. Mir gefiel es besser, die Geschichten über den verrückten Hund aus zweiter bis dritter Hand zu hören.
Dann war es erst mal andersherum. Anfang der 1990er hatte ich gerade Wiglaf Droste im „Benno-Ohnesorg-Theater“ in der Volksbühne für mich entdeckt, was anders war als alles, was ich bis dahin in meinen zarten Anfang-Zwanziger-Jahren kennen gelernt hatte. Dann stieß ich in der taz auf ihn als Autor, womit die kleine Zeitung mich als Leser gewonnen hatte. Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich tatsächlich auf Autorennamen in Zeitungen geachtet habe. Dann wurde es aber schnell chronisch.
Heute lese ich meist nur noch die Artikelüberschriften und die Autorennamen, dann weiß man ja schon Bescheid in aller Regel.

2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?
Immer noch der alte Titanic-Titel: „Endlich handelt Bonn: Helmpflicht für Ausländer“.

3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ich war zum Glück noch nie auf einer Pressekonferenz, falls ich es nicht verdrängt habe.

4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Ist er denn rettungsbedürftig?
Natürlich gibt es viel grauenhaftes Zeug, schlechte Recherche, Volldeppen allüberall. Aber „Rettung“ impliziert ja, es sei jemals besser gewesen. Davon bin ich eher nicht überzeugt.
Wenn ich daran zurückdenke, wie in meiner Schülerzeit in Münster in den 1980ern die Lokaljournalisten bei einem Konzert oder einer Theateraufführung auftauchten, ein paar Fotos machten und dann flugs wieder verschwanden, um dann am nächsten Tag eine halbseitige Veranstaltungskritik zu veröffentlichen – das kann heute eigentlich auch nicht viel schlimmer sein. Und meine erste große Medienkritik-Suada habe ich irgendwann Ende der 1980er in unserer Schülerzeitung veröffentlicht, indem ich der Münsteraner Lokalpresse all ihre Fehler im Gebiet meines schon damals ausgeprägten Fachidiotentums in Sachen Reptilien und Amphibien vorrechnete. Da stimmte praktisch nie ein Artikel, in jedem Zeitungsbeitrag über diese Tiere fand ich haarsträubende Fehler. Das hat mein Misstrauen gegen Journalisten früh auf eine sehr empirische Basis gestellt. Warum sollten die besser über politische oder gesellschaftliche Zusammenhänge schreiben, wenn sie es nicht mal bei den Fakten über ein paar Frösche hinbekamen, die man in jedem besseren Sachbuch einfach hätte nachgucken können?

5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?
Erfreulicherweise leben die, die ich besonders schätze, eigentlich noch alle. Obwohl, mal mit Herrn Tucholsky darüber parlieren, wie das damals war, als er und seine Kollegen quasi die Lesebühnen in Berlin erfunden haben, das fände ich vielleicht doch ganz interessant. Und gilt Douglas Adams als Journalist? Wegen „Last Chance to see“? Dann den!

6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?
Als auch satirisch arbeitender Autor lebe ich ja letztlich von den ganzen Wahnsinnigen. Wenn Martenstein, Schupelius oder von Altenbockum in Rente gingen, bräche mir ein wichtiger Teil meines Einkommens weg. Aber sagen wir mal: Dieser Frank Lübberding, der auf der FAZ-Homepage dauernd auf sagenhaft krude Weise die Talkshows des Vorabends nacherzählt, der könnte doch wirklich besser seine Zeit mit Erdbeerzucht verbringen, das wäre für alle ein Gewinn.

7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?
Ich kann mich immer so schlecht entscheiden, deswegen habe ich einfach noch ein paar, die auch ganz gut finde und denen ich nachgehe: Reptilien- und Amphibienexperte, Lesebühnen-Aktivist, Plattenmogul. Ist doch alles ganz schön. Aber am liebsten wäre ich Zoodirektor geworden. Ich fürchte, dafür ist es inzwischen zu spät für mich. Zum Glück habe ich wenigstens Freunde, die das dann tatsächlich geschafft haben, daran kann ich mich ein bisschen wärmen.

8) Deine Wunschinterviewpartner/in?
Irgendwie sind alle so erreichbar geworden. Früher hätte ich mich verzehrt, um mal mit bestimmten Leuten zu sprechen. Heute muss man ihnen ja nur eine Mail schicken und spricht dann mit ihnen. Also, die, die mich interessieren jedenfalls. Aber am ehesten dann: Martha Crump. Eine legendäre Froschforscherin, die das Aussterben der Goldkröte in Costa Rica beobachtet hat. Die Vorstellung, wie sie da Jahr für Jahr im Dschungel saß und ohnmächtig mit ansehen musste, wie es immer weniger der einst massenhaft vorkommenden Tierchen wurden, und niemand hatte auch nur einen blassen Schimmer, warum eigentlich, die hat mich schon arg inspiriert und beschäftigt damals. Vielleicht schicke ich ihr mal eine Mail.

9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleiniger Chefredakteurkönig wärst? Und wie würde sie heißen?
Reptilia oder Terraria/elaphe. Und die sähe so aus: http://www.reptilia.de/

10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät sie schreiben?
Dafür müsste es sie natürlich erst mal geben. Aber klar, Transferleistung, für den Fall, dass wir doch falsch lagen mit unserer Einschätzung der Verhältnisse: Dann, selbstverständlich, würde sie für die Reptilia schreiben. Und in jeder Ausgabe eines dieser großartigen Tiere vorstellen, die sie da geschöpft hat einstmals. So richtig, mit Blick hinter die Kulissen und allem. Dafür könnte ich glatt gläubig werden.

Dieser Beitrag wurde am 12. Februar 2016 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 1 Kommentar

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