Hofpoet Martin Jürgens seziert weiter einen Hausdichter der Deutschen
Werkleute sind wir
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste,
in unsern Händen hängt der Hammer schwer,
bis eine Stunde uns die Stirnen küsste,
die strahlend und als ob sie Alles wüsste
von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist groß.
Rainer Maria Rilke, 26.9.1899
Stoßgebet im Mittelschiff
Nicht Arbeiter, Proleten, nicht
Malocher – „Werkleute“ sind sie,
Sagen sie, und sauber eingeteilt in
„Knappen, Jünger, Meister“, und
Was sie bauen, „dich, du hohes
Mittelschiff“, das duzen sie. Und
Hilfe kommt bisweilen von weit
Her: Ein ernster Herr und recht
Betagt und etwas taperig. Der legt
Den Hammer schwer in jede Hand.
Dann geht es los mit „Stoß um Stoß“,
So daß die Berge heftig beben. Woher
Die plötzlich kommen, teilt weder
Rainer noch Maria mit. Egal: Die
Edle Stunde kommt, da wird ein jeder
Keusch geküsst – nicht auf die
Schnüß, nur auf die Stirn.
Die Hämmer hallen, und die „kommenden
Konturen“ dämmern: Wo so viel
Schönes, „wenn es dunkelt“,
Aus den Zeilen niederweht,
Da hilft am Ende bloß
Ein Gotteslob als Stoßgebet:
„Gott, du bist groß.“
Jedoch das Echo aus dem
Hohen Mittelschiff, es ruft
Zurück: Nein, lasst es sein!
Und seht gut hin:
„Gott, bist du klein!“
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