Archiv | Mai 2022

Gothaer Bekenntnisse

Gestern hab ich kurz tagesthemen eingeschaltet. Und hab mich gewundert… da stand Deniz Yücel in einem Seniorenheim und war umgeben von wild gestikulierenden Bewohnern… es hat etwas gedauert, bis ich verstanden hab, was ich da eigentlich sah: der PEN tagte in Gotha… 

von Ramona Ambs 

Gotha steht als Begriff schon immer unter einem besonderen Stern. Das Wort besteht aus fünf Buchstaben, die aber eigentlich nix dafür können: GOTHA
Ganz Offenbar Tobt Hier Alles! Da steppt also per se der Bär.
Gotha ist eine Residenzstadt, deren Name von einer Siedlung Villa Gothaha, abstammt, was soviel wie „gutes Wasser“ bedeutet. Die Stadt hat ein schickes Schloss mit dem betörenden Namen Friedensstein; es gibt das berühmte Gothaer Programm und neuerdings das Gothaer Softwarepaket und dann gibt es noch den Gotha, – quasi das deutsche Adelsverzeichnis. Es taugt aber übrigens nix, weil wir Prinzessinnenreporter dort weder an prominenter Stelle aufgeführt sind, noch auch nur Erwähnung finden. Stattdessen findet man dort aufgelistet die lebenden Mitglieder der aus Europa stammenden, regierenden Häuser, andere fürstliche Häuser Europas sowie die deutschen, ehemals reichsständischen gräflichen Familien. Also der Gotha ist quasi eine Vereinigung von Adligen, die ihre Ehre (und die Verachtung für den Plebs) qua Geburt erworben haben, -und nicht per Bleistift und Füller wie die Mitglieder des PEN, der wiederum den literarischen Hochadel abbildet, aber eben zusätzlich noch eine politische und moralische Instanz sein wollte. Und eigentlich war das eine sehr notwendige Vereinigung, denn angesichts von Verfolgung, Unterdrückung und Zensur von Schriftstellern und Journalisten in aller Welt, war es vor allem der PEN, der sich für deren Schutz und die Durchsetzung freier Meinungsäußerung einsetzte. 

Diesem unbotmäßigem Treiben wurde gestern dann jedoch Einhalt geboten. 

Der Adelsverein der schreibenden Zunft hat bereits im Vorfeld durch die lautstarken Rücktrittsforderungen einiger Mitglieder und dem Lancieren interner mails den eigenen Ruf beschädigt, so dass jedem, der noch ein wenig auf diesen Verein gesetzt hat, Angst und Bange werden musste. Dabei war der PEN auf einem guten Weg. Mit der Wahl von Deniz Yücel hatte man jemanden gefunden, der sowohl konkrete Ahnung von Verfolgung aufgrund von Meinung hatte, als auch einen talentierten – und für PEN-Verhältnisse- jungen Schreiberling. Aber es fehlte ihm der Stallgeruch. Es mangelte ihm einfach an der nötigen Flatterie, um sich die Gewogenheit der altehrwürdigen eingesessenen PENler zu erhalten. Man muss buckeln können, wenn man von draußen kommt und bleiben will. Das hatte man dem Migrantensohn, schon bei der Begrüßung, mit eben dieser Bezeichnung, vermittelt. 

Das man die ohne Stallgeruch nicht wirklich dabei haben will, ist eine alte Geschichte. Besonders in literarischen Kreisen. Es hat nämlich durchaus Tradition. 

Mich erinnert das Geschehen auch an die berühmte Gruppe 47. Als Paul Celan 1952 nämlich erstmals in Deutschland sein Gedicht Todesfuge bei der Gruppe 47 vorlesen durfte, wurde er von der anwesenden deutschen Literaturelite barsch kritisiert und verspottet. Jüdischer Singsang hieß es. Unbotmäßig sei es.-

Tatsächlich aber war es die Abwehr von einem, der Ahnung hatte, wovon er schreibt. Einem, der wirklich verfolgt war- und die Verfolgung nicht nur literarisch erfand. Einem, der nicht distanziert, mit kühlem Kopf und fein ziseliert darüber schrieb, sondern brutale Sprachbilder schuf, die beim Lesen weh taten.
– Und damit war Celan draußen und gehörte eben nicht dazu. 

Yücel gehört nun auch nicht mehr dazu. Er hat seinen Hut genommen- nach einer Abwahl um die Ecke. Man kann den PEN nun also getrost in PENN umbenennen, – nein,- nicht weil da so viele Alte sind (mit Lebensjahren hat es nämlich nix zu tun), sondern weil da so viele Penner sind, denen das eigene sich stets selbst ehrbeuzeugende Wohlfühlklima wichtiger ist, als die politische Bedeutung, die Literatur und Schreiben haben kann, soll und muss.
Das sind offenbar die Gothaer Bekenntnisse.
Ein literaturpolitischer Offenbarungseid. 

Dieser Eintrag wurde am 14. Mai 2022 veröffentlicht.

Offener Brief an Scholz, aber in gut!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

am 24.2.2022 begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Dieser russische Überfall war völkerrechtswidrig und durch nichts seitens der Ukraine provoziert.

Seitdem schauen wir gebannt auf das, was einem souveränen Staat, vielleicht wichtiger aber, was seinen Menschen angetan wird.

Wir sehen es im Fernsehen, im Internet, lesen es in den Zeitungen und Zeitschriften, betrachten Bilder und Videos, und können es gleichwohl nur erfassen, nicht aber wirklich verarbeiten:

Millionen Menschen flüchten durch ganz Europa vor dem Krieg – die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Währenddessen beschießt der russische Aggressor Zivilisten, Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser. Frauen werden vergewaltigt. Einfache Bürgerinnen und Bürger werden wahllos erschossen.

Das Massaker von Butscha – mit Leichen, die in den Straßen verstreut lagen, hastig verscharrten Körpern in Massengräbern und Berichten von Folter und Exekutionen – hat uns alle nachhaltig berührt, verstört und wohl endgültig gezeigt: Putins Russland kennt keine moralischen Grenzen mehr. Die völlig entmenschlichende Barbarei wird willkommen geheißen und genutzt.

Wie kein anderes Land kennt Deutschland aus eigener Täterschaft, was eine solche Barbarei bedeutet und wohin sie unweigerlich führt. Das Leid, das das barbarische Deutschland über Millionen Menschen gebracht hat, darf nie vergessen werden. Dieses Leid wurde nur durch das entschiedene Eingreifen äußerer Kräfte beendet, das den deutschen Terror brach und dabei half, Deutschland und die Deutschen zurück in den Kreis zivilisierter Staaten zu bringen.

Die besondere Verantwortung Deutschlands besteht, auch aufgrund seiner Geschichte, darin, anderen demokratischen Staaten und ihren Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, wenn die Barbarei danach trachtet, zu töten und zu zerstören.

In den letzten Tagen und Wochen hört man nun Stimmen, die das russische Unrecht zwar anerkennen, aber gleichwohl empfehlen, diesem nicht entschlossen zu begegnen. Sie wägen dabei reale Massaker gegen theoretische Szenarien ab, und weigern sich nach über zwei Monaten des Krieges immer noch, anzuerkennen, dass der Aggressor nicht durch rationales Handeln begrenzt werden kann und dass die von ihm eingesetzten Waffen nicht eine Reaktion auf das Handeln der Ukraine, der NATO, des Westens sind.

Niemand käme hierzulande auf die Idee, einem individuellen Opfer von Gewalt die Verantwortung für das Handeln des Täters zu geben. Bei einem Gewaltakt daneben zu stehen, ihn sich anzuschauen, zu bedauern, ihn abscheulich zu finden – aber nicht einzugreifen, da man Sorge hat, der Täter könnte sich gegen einen selbst wenden, ist feige und unmoralisch; und es bestärkt den Täter, mit seiner Gewalt weiterzumachen.

Man geht dem Täter auch auf dem Leim, wenn man blind seinen Narrativen folgt. Viele hierzulande tun das, wenn sie die Aufnahme selbstbestimmter Staaten in die NATO, die Existenz von Extremisten in der Ukraine oder die historische Verbundschaft zwischen der Ukraine und Russland als Rechtfertigungen für den russischen Angriffskrieg übernehmen.

Eben dies gilt auch für weitergehende Droh- und Paniknarrative aus Moskau.

Es ist wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland ihren Beitrag dazu leistet, den russischen Irrsinn, zumindest in der Ukraine, zu beenden. Worte allein sind dafür nicht ausreichend und auch für Deutschland unangemessen, zum einen wegen seiner politischen und wirtschaftlich Ressourcen, zum anderen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen Hilfe. Wir können helfen. Wer helfen kann, muss helfen.

Es ist eine Zeitenwende, wie Sie völlig richtig sagten: Deutschland muss sich als wehrhafte Demokratie behaupten. Dazu gehört ideelle, aber eben auch militärische Wehrhaftigkeit. Sie haben das erkannt. Und es ist der richtige Weg, Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

Doch das alleine reicht nicht, das sehen wir. Die Menschen in der Ukraine müssen sich gegen Granaten, Panzer, Raketen und Gewehre verteidigen. Dafür reichen Sanktionen und Embargos nicht aus. Die traurige Wahrheit ist, dass einen Krieg nicht derjenige gewinnt, der die Moral und Solidarität auf seiner Seite, sondern der die bessere Armee, die besseren Waffensysteme hat.

Man könnte jetzt argumentieren, dass Russland bei einem Sieg in der Ukraine nicht haltmachen wird. Dass weitere Staaten folgen werden. Dass weitere Frauen vergewaltigt, Zivilisten ermordet werden. Doch das ist nicht der Impetus des Handelns: Es muss geholfen werden, weil eben jetzt das Grauen in die Ukraine eingezogen ist und der Artikel 1 unseres Grundgesetzes nicht differenziert, welcher Nationalität ein Mensch sein muss, um unantastbare Menschenwürde zu haben.

Wir bitten Sie: Helfen Sie der Ukraine, den Ukrainerinnen und Ukrainern. Gehen Sie entschieden und mit allen, auch militärischen Mitteln gegen den russischen Völkermörder und seine Truppen vor; und lassen Sie sich nicht von denen beeindrucken, die hierzulande ihre Prominenz oder Intellektualität über die Menschlichkeit stellen.

Erstunterzeichner

Dr. Sebastian Bartoschek, Psychologe und Journalist

Robert Herr, Vorsitzender der SPD Hartenberg-Münchfeld

Gunnar Scholz, Student

Annette Hartmann

Andreas Kemna, Bundeswehrveteran

Richard Schüll

Stefanie Mandolla

Thomas Mandolla

Rebecca Trost, Biologin

Oliver Debus, Astronom

Ralf Neugebauer, Jurist 

Mirja Dahlmann, Sprachdozentin und freie Journalistin

Dietmar Herzog, Lokomotivführer

Wolfgang Walk, Game Designer

Thomas Roth, Diplom Physiker, Systemanalytiker Kraftwerke und Energieerzeugung

Anke Meeuw, Tierärztin

Monika Kreusel

Denise Gnad

Stefan Menzel, Fachinformatiker

Ina Boy

Andreas Fehler, M.A.

Mario Ohle, Rechtsanwalt/ Soldat

Daniel Anders, Blogger

Julie Anke Martin

Maximilian v. Lütgendorff, Sänger und Schauspieler

Jeanny Passauer, Gründungsmitglied Partei der Humanisten

Peter Ansmann

Bastian Salier, Verleger

Doreen Beinlich

Dane Dillge, Unternehmensberater

Julian Rosenbaum, Elektroniker

Robert Dupuis

Dieter Wachholz, Reisejournalist

Christian Schiffer

Ivonne Höffelmeyer, Zahntechnikerin

Alexander Stürze, Chemiebranche

Susanne Scheidle, freischaffende Künstlerin

Christine Odenthal, Psychologin und Psychotherapeutin (KJP)

Dr. Holm Gero Hümmler, Physiker/Autor/Unternehmensberater

Sigrid Herrmann-Marschall, Islamismusanalystin, Dozentin

Amardeo Sarma, Ingenieur/SPD-Mitglied

Till Oliver Becker, Journalist

Jaqueline Huck, Jugend- und Heimerzieherin

Navina Sarma, Historikerin

Kristiane Sarma

Anna Veronika Wendland, Osteuropahistorikerin

Laura Dümpelfeld, Autorin

André Sebastiani, Referent/ SPD-Mitglied

Dieser Eintrag wurde am 4. Mai 2022 veröffentlicht.