Gestern hab ich kurz tagesthemen eingeschaltet. Und hab mich gewundert… da stand Deniz Yücel in einem Seniorenheim und war umgeben von wild gestikulierenden Bewohnern… es hat etwas gedauert, bis ich verstanden hab, was ich da eigentlich sah: der PEN tagte in Gotha…
von Ramona Ambs
Gotha steht als Begriff schon immer unter einem besonderen Stern. Das Wort besteht aus fünf Buchstaben, die aber eigentlich nix dafür können: GOTHA
Ganz Offenbar Tobt Hier Alles! Da steppt also per se der Bär.
Gotha ist eine Residenzstadt, deren Name von einer Siedlung Villa Gothaha, abstammt, was soviel wie „gutes Wasser“ bedeutet. Die Stadt hat ein schickes Schloss mit dem betörenden Namen Friedensstein; es gibt das berühmte Gothaer Programm und neuerdings das Gothaer Softwarepaket und dann gibt es noch den Gotha, – quasi das deutsche Adelsverzeichnis. Es taugt aber übrigens nix, weil wir Prinzessinnenreporter dort weder an prominenter Stelle aufgeführt sind, noch auch nur Erwähnung finden. Stattdessen findet man dort aufgelistet die lebenden Mitglieder der aus Europa stammenden, regierenden Häuser, andere fürstliche Häuser Europas sowie die deutschen, ehemals reichsständischen gräflichen Familien. Also der Gotha ist quasi eine Vereinigung von Adligen, die ihre Ehre (und die Verachtung für den Plebs) qua Geburt erworben haben, -und nicht per Bleistift und Füller wie die Mitglieder des PEN, der wiederum den literarischen Hochadel abbildet, aber eben zusätzlich noch eine politische und moralische Instanz sein wollte. Und eigentlich war das eine sehr notwendige Vereinigung, denn angesichts von Verfolgung, Unterdrückung und Zensur von Schriftstellern und Journalisten in aller Welt, war es vor allem der PEN, der sich für deren Schutz und die Durchsetzung freier Meinungsäußerung einsetzte.
Diesem unbotmäßigem Treiben wurde gestern dann jedoch Einhalt geboten.
Der Adelsverein der schreibenden Zunft hat bereits im Vorfeld durch die lautstarken Rücktrittsforderungen einiger Mitglieder und dem Lancieren interner mails den eigenen Ruf beschädigt, so dass jedem, der noch ein wenig auf diesen Verein gesetzt hat, Angst und Bange werden musste. Dabei war der PEN auf einem guten Weg. Mit der Wahl von Deniz Yücel hatte man jemanden gefunden, der sowohl konkrete Ahnung von Verfolgung aufgrund von Meinung hatte, als auch einen talentierten – und für PEN-Verhältnisse- jungen Schreiberling. Aber es fehlte ihm der Stallgeruch. Es mangelte ihm einfach an der nötigen Flatterie, um sich die Gewogenheit der altehrwürdigen eingesessenen PENler zu erhalten. Man muss buckeln können, wenn man von draußen kommt und bleiben will. Das hatte man dem Migrantensohn, schon bei der Begrüßung, mit eben dieser Bezeichnung, vermittelt.
Das man die ohne Stallgeruch nicht wirklich dabei haben will, ist eine alte Geschichte. Besonders in literarischen Kreisen. Es hat nämlich durchaus Tradition.
Mich erinnert das Geschehen auch an die berühmte Gruppe 47. Als Paul Celan 1952 nämlich erstmals in Deutschland sein Gedicht Todesfuge bei der Gruppe 47 vorlesen durfte, wurde er von der anwesenden deutschen Literaturelite barsch kritisiert und verspottet. Jüdischer Singsang hieß es. Unbotmäßig sei es.-
Tatsächlich aber war es die Abwehr von einem, der Ahnung hatte, wovon er schreibt. Einem, der wirklich verfolgt war- und die Verfolgung nicht nur literarisch erfand. Einem, der nicht distanziert, mit kühlem Kopf und fein ziseliert darüber schrieb, sondern brutale Sprachbilder schuf, die beim Lesen weh taten.
– Und damit war Celan draußen und gehörte eben nicht dazu.
Yücel gehört nun auch nicht mehr dazu. Er hat seinen Hut genommen- nach einer Abwahl um die Ecke. Man kann den PEN nun also getrost in PENN umbenennen, – nein,- nicht weil da so viele Alte sind (mit Lebensjahren hat es nämlich nix zu tun), sondern weil da so viele Penner sind, denen das eigene sich stets selbst ehrbeuzeugende Wohlfühlklima wichtiger ist, als die politische Bedeutung, die Literatur und Schreiben haben kann, soll und muss.
Das sind offenbar die Gothaer Bekenntnisse.
Ein literaturpolitischer Offenbarungseid.