Abo-Kündigung mit Stil

kroneEin Musterschreiben von unserem Demokratie-Beauftragten Benjamin Weissinger

Guter Journalismus fängt beim Leser an – das ist ein Prinzessinnenmantra. Zurecht. Das beinhaltet natürlich nicht nur die Förderung von gutem Journalismus wie dem von PR, sondern auch die freundliche, aber bestimmte Zurückweisung von schlechtem Journalismus. Manchmal hilft da nur die Kündigung des Abonnements einer Zeitung. Doch nicht immer haben entsprechend aufmerksame Leser Zeit und Lust, an einem angemessenen Kündigungsschreiben zu feilen. Deshalb habe ich mich entschlossen, hier Abhilfe zu schaffen. Es folgt ein Muster für Kündigungen – zur freien Verfügung. XY kann hier je nach Fall und Anlass durch konkrete Namen und Inhalte ausgetauscht werden. Denn: Qualitätsjournalismus braucht Qualitäts-Abo-Kündigungen!

Ehemals verehrte Damen und Herren der XY-Redaktion,

hiermit kündige ich mein Abonnement Ihrer Zeitung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Zu den Gründen will ich nicht länger schweigen, Sie müssen das alles lesen.

Lange Zeit hielt ich Ihr Blatt für eine gute Zeitung. Sie war nicht zu dick und nicht zu dünn, hatte solide Kreuzworträtsel (Lokalzeitung)/ein ordentliches Feuilleton (größere Zeitung), interessante Bilder und einen guten Sportteil, auch wenn ich mich schon vor einiger Zeit mit Ihrer Sportredaktion bezüglich der linken Ergebnis- und Terminspalte und der farblichen Gestaltung der Bundesligatabelle überworfen hatte. Aber damit konnte ich leben. Dann aber hatte ich rein interessehalber begonnen, einige Artikel zu lesen und war entsetzt, schockiert. Ich kann überhaupt nicht sagen, dass die Darstellungen von Sachverhalten immer meiner Sichtweise entsprachen, was ich bis dato angenommen hatte.

Die Weltlage ist sehr angespannt. Um die zahllosen Probleme zu lösen, bedarf es einer klaren Linie. Es kann nicht sein, dass jeden Tag etwas anderes in der Zeitung steht. Die Auswahl der Themen sollte eine bestimmte, klare Stoßrichtung erkennbar werden lassen. In meinem Fall geht es um das Thema XY. ES IST EINE ABSOLUTE UNVERSCHÄMTHEIT, WAS SIE DA ZULETZT VERANSTALTET HABEN.

Ferner missfallen mir Ihre Kommentare und Glossen. Erstere sind immer sehr subjektiv, über letztere kann und will ich nicht lachen. Humor ist Glückssache in diesem Land. Wenn doch mal etwas zum Schmunzeln dabei ist, dann deshalb, weil es sich da um UNFREIWILLIGE KOMIK handelt.

Ein Wort noch zu Ihren Werbeanzeigen und -beilagen. Es geht ja offensichtlich nurnoch darum, soviel Werbung wie möglich unterzubringen. Mich interessieren diese ganzen werbliche Angebote NICHT DIE BOHNE. Sicher war hier und da auch mal etwas beworben, was ganz gut ist, aber das hatte ich längst. SCHWACH!

Heute geht es ja nurnoch um Kommerz und das Geld bestimmt den Inhalt. Da informiere ich mich doch lieber auf diversen Online-Seiten, die mir Freunde in sozialen Netzwerken zuspielen. Die sind zumeist auf meine Sichtweise zugeschnitten und finden entsprechenden Anklang, auch mal Lob.

In diesen schwierigen Zeiten stellt natürlich auch die Ersparnis, die sich aus der Kündigung ergibt, eine Rolle. Das will ich garnicht leugnen. Wäre die Zeitung etwas günstiger und hätte man hin und wieder eine Aufmerksamkeit erhalten, hätte das zwar grundsätzlich nichts an meinen Argumenten geändert, aber das wollte ich nur mal am Rande betonen.

Sie sehen also, ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht. Es ist einfach traurig, was aus Ihnen geworden ist. Schade. Ich erwarte ein sofortiges Bestätigungsschreiben.

Trotz allem mit Gruß, XY

Dieser Beitrag wurde am 5. November 2015 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 1 Kommentar

Ein Gedanke zu „Abo-Kündigung mit Stil

  1. Wie immer hochverehrte Prinzessinnen,

    ja, so muss das! Dann macht kündigen auch wieder richtig Spaß. Und da meine ich nicht irgendwelche langweiligen Rausschmisse von MitarbeiterInnen aus dem Niedriglohnsektor, die dann heulend und nicht wissend, was sie der siebenköpfigen Kinderschar überhaupt noch zu Weihnachten werden schenken können, um Gnade winseln, sondern richtige, politische Trennungen von den Meinungsdiktatoren der Lügenpresse!

    Ich bin begeistert!

    Und ich grüße selbstverständlich weiterhin und verbleibe als Ihr untertänigster Diener,
    BWowbagger

    Und dafür ist meine Lösung heute auch noch einfach, dass es kaum ´ne Viertelstunde braucht (ich MUSS euch einfach lieb haben!): 30.

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