Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (18)

stein_webAusgefüllt von Hannes Stein

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und im Sommer lassen wir nun mal auch gern andere für uns arbeiten.
Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.
Hannes Stein wurde 1965 in München geboren und ist in Salzburg aufgewachsen. Er arbeitet u.a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Spiegel und Die Literarische Welt. Im Sommer 2007 ist er nach New York ausgewandert, wo er als Journalist und Autor lebt. Zuletzt erschien sein Roman Der Komet im Galiani Verlag Berlin.


1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann haben Sie sich zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?

Der erste Autorenname, den ich mir gemer
kt habe, war Alexander Smoltzyk. Er hatte in einem Artikel in der “taz” geschrieben, die Rue Sowienoch in Paris habe die Form einer verkochten Nudel, die schlaff von der Gabel hängt – ich fand die Metapher so schön. Außerdem ist der Name eben sehr auffällig, wer hat denn schon ein x, ein y und ein z in der Autorenzeile? Alexander Smoltzyk. Großartiger Autor. Was ist eigentlich aus dem geworden? Ich habe es gerade gegoogelt, er ist Reporter für den „Spiegel“. Hoffentlich wissen die, was sie an ihm haben und bezahlen ihn gut.
2) Wie lautet Ihre Lieblingsschlagzeile?
„Schulz und Bühne“. Diese Schlagzeile wollte ich, als ich noch Redakteur war, immer über die Kritik einer Theaterfassung von „Sein oder Nichtsein“ setzen. Im Film von Lubitsch gibt es doch diesen Gestapomann, „Konzentrationslager-Ehrhardt“, der ständig – wegen allem, was schiefgeht – seinem Untergebenen Schulz die Schuld gibt; als der Gestapomann sich am Ende eine Kugel in die Schläfe schießt, brüllt er noch im Sterben: „Schulz!!!“ Infolge nie stattgehabter Aufführung eines derartigen Stückes fand meine geniale Schlagzeile bisher leider keine Verwendung.
3) Ihr peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ich habe keine peinlichen Erlebnisse. Nie. Nächste Frage.
4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Der Journalismus kann auf gar keinen Fall gerettet werden, indem man die „FAZ“ mit der „New York Times“ zusammenlegt und das so entstandene Produkt dann der „Neuen Zürcher Zeitung“ beilegt.
5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würden Sie sich freuen?
Alfred Polgar. Wenn dem auch nur ein Text – ach, was rede ich: ein Absätzlein! – von mir gefallen hätte: das wäre die ewige Seligkeit, und ich würde Kyrie und eleison singen.
6) Und wem auf Erden würden Sie am liebsten den Stift klauen?
Yossi Klein Halevi. Der macht alles besser als ich.
7) Welchen anderen Beruf hätten Sie sich noch vorstellen können?
Ich habe immer Ärzte beneidet – weil ihr Beruf so unverkennbar nützlich ist. Außerdem arbeiten Ärzte gleichzeitig mit dem Kopf und den Händen, was mir gut gefällt. Der Beruf ist übrigens von jenem des Journalisten gar nicht so verschieden: Was ist eine Anamnese denn anderes als ein Interview? Und eine Diagnose ist detektivische Knobelarbeit – siehe „House“ –, also mit anderen Worten: Recherche. Nur rettet man mit dieser Recherche unmittelbar Leben, während es relativ wurscht ist, ob meine Artikel veröffentlicht werden (und am Morgen danach wird bekanntlich sowieso Fisch darin eingewickelt). Allerdings hatte ich viele Jahre lang eine gute Freundin, die Ärztin war, und weiß also, dass dieser Beruf auch seine dunklen Seiten hat. Die langen Nächte ohne Schlaf! Und dann gibt es natürlich die Fälle, wo man nichts mehr tun kann; wo man hilflos daneben steht, während ein Patient stirbt. Wie kommen eigentlich Onkologen, die in Kinderspitälern arbeiten, seelisch mit ihrem Alltag zurecht? Vielleicht möchte ich also lieber ein harmloser Schnupfenarzt sein, der nichts Härteres als Kamillentee verschreibt und hin und wieder ein Aspirin. Aber das ist dann wieder nicht so nützlich. Also bleibe ich lieber gleich Journalist.
8) Ihr/e Wunschinterviewpartner/in?
Julia Roberts. Eine großartige Schauspielerin, die mit den Jahren immer schöner geworden ist. Außerdem habe ich den Verdacht, dass die vielen Millionen, die sie verdient hat, ihr nicht zu Kopf gestiegen sind; dass sie also sympathisch ist.
9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Sie ganz alleiniger Chefredakteurkönig wären? Und wie würde sie heißen?
Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen. Ich wäre ein grauenhafter Chefredakteur. Bitte, bitte, hievt mich nie in eine Position, wo ich Kollegen herumkommandieren und mich gleichzeitig vor irgendwelchen Verlagsfuzzis verantworten muss, wo ich ständig gezwungen bin, zwischen Wichtigkeiten und Nichtigkeiten zu unterscheiden (als wenn es da objektive Maßstäbe gäbe, von Ausnahmen wie Kometeneinschlägen abgesehen), in eine Position, wo ich gefälligst an die Leser zu denken habe – Gott, wie ich Leser hasse! Mehr noch hasse ich eigentlich nur Leserbriefschreiber! – und vor allem: wo ich nur noch Leitartikel schreiben darf, diese ödeste Textgattung seit Erfindung der Keilschrift.
10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät er schreiben?
Blöde Frage – für „Jedioth Achronoth“ natürlich.

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