Ausgefüllt von Mark-Stefan Tietze
Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten.
Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.
Mark-Stefan Tietze war von 2000 bis 2015 Redakteur beim Satiremagazin TITANIC und lebt als Autor für Taz, »heute-show online«, »Neo Magazin Royale« u.a. in Frankfurt. Er studierte Publizistik, Anglistik und Politikwissenschaft in Münster und ist Mitherausgeber zweier TITANIC-Sammelbände bei Rowohlt Berlin. Dort erschien 2016 auch seine Selbsterfahrungsreportage »Allein unter Veganern – Expedition in eine neue Welt«. »Komplett ehrlich und schonungslos«, urteilt MDR Sputnik darüber, die Anarcho-Postille Graswurzelrevolution findet: »Vielleicht so etwas wie das perfekte Sommerbuch«, und der Bonner General-Anzeiger sieht ein »hinreißendes Buch« mit »240 vergnüglichen Seiten«.
1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?
In den späten Achtzigern stand im Siegener Alternativblatt »Tipp« unter der Besprechung einer Eckhard-Henscheid-Lesung mal ein total bekloppter Name: mein eigener. Den habe ich mir gemerkt, um in den kommenden Jahrzehnten öfter auf ihn achten zu können.
2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?
Ich liebe fast jede Headline auf Promiflash.de. Jetzt gerade zum Beispiel: »Botox im Gesicht? Lucas Cordalis spricht Klartext«, »Wegen Scheidungs-Enthüllung: Fans wütend auf Sarahs Mutter!« oder »GNTM-Fata glaubt: Auf Honey warten im Dschungel viele Hoden«.
Mein Evergreen indes aus TITANIC 5/2005: »Volksgeißel Tod: Müssen wir alle sterben?«
3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ich habe fast nie welche besucht. Erhellend fand ich allerdings mal die Erzählung eines Freundes von einer Pressekonferenz im Rathaus von Münster mit anschließender Einladung zum Mittagessen im Ratskeller. Der Freund, neu im Journalismus, mußte als erster bestellen und wählte, um weder zu bescheiden noch zu gierig zu wirken, den goldenen Mittelweg in Form eines mittelpreisigen Putensteaks mit Pommes und Salat. Zu seinem Erstaunen folgten sämtliche zehn weiteren Pressevertreter dem Beispiel und bestellten exakt das Gleiche. Da meinte ich dann gleich viel mehr zu verstehen von der gewaltigen Macht des Konsenses und der Konvention in diesem Berufsstand.
4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Auf keinen Fall mit Geld. Wenn, dann nur mit guten Worten!
5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?
Lester Bangs, Dorothy Parker.
6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?
Jedem, der einen Meinungsartikel mit diesem Neon-mäßigen »Wir müssen reden« beginnt.
7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?
Gründungsdekan der ersten humorwissenschaftlichen Fakultät Deutschlands.
8) Dein/e Wunschinterviewpartner/in?
Bob Mould, Fil Tägert, Mary Lynn Rajskub, Niklas Luhmann.
9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleinige/r Chefredakteurkönig/in wärst? Und wie würde sie heißen?
Wenn ich ein Riesenbudget hätte und eine verschworene Bande von unfähigen Autoren und fähigen Layoutern engagieren dürfte, würde sie sehr gut aussehen: retrofuturistisch, psychedelisch, grellbunt. Als Hommage an unser Erfolgs-Satire-Fanzine »Luke & Trooke« in Münster in den späten Neunzigern (und um zwei aussterbende Wörter zurück in den Diskurs zu holen) würde ich sie »Lake & Tunke« nennen. Inhaltlich ginge es um Komiksatirenonsens und Essensthemen – oder wie wir Profis sagen würden: Quatsch mit Soße.
10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät sie schreiben?
Weshalb denn die Konjunktive? Gott schreibt doch bereits, unter ständig wechselnden Namen, für TITANIC.
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