Es war nicht einmal, sondern ziemlich genau vor einem Jahr, da beschlossen drei Prinzessinnen und ein Prinz, den Journalismus zu retten. Dem ging es nämlich gar schlecht in jenen Tagen. Sein Stöhnen und Röcheln drang bis in die Gemächer des Schlosses und den jungen Edelleuten wurde ganz elend zumute als sie sehen mussten, wie dumme und grobe Menschen das journalistische Gewerbe im Königreich zugrunde richteten.
Dagegen musste etwas getan werden, und weil jene wackeren Ritter, die einst mit dem Schutze des Journalismus beauftragt worden waren, schon seit vielen Jahren ihre ganze Kraft im Kampfe gegen das Bildnis einer einzige Windmühle aufbrauchten und der greise König sich im Hamburger Elfenbeinturm eingeschlossen hatte, wo er bei spiritistischen Sitzungen und mit vielen Spirituosen die Geister von Karl Kraus und Kurt Tucholsky zu beschwören versuchte, waren die Thronfolgerinnen auf sich allein gestellt.
Zunächst beratschlagten sich die fürnehmen Herrschaften mit den Gelehrten des Landes und erforschten ihre Herzen.
Wollten sie den Journalismus wirklich retten, so mussten sie herausfinden, was ihm denn fehlte und welche Mittel und Zaubersprüche angemessen wären, ihn zu heilen. Als die Prinzessinnen und der Prinz gerade am runden Tisch im großen Saale zu Rate saßen, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe heraufgekrochen.
Dann pochte es an der Pforte. Die Prinzessinnen ließen öffnen und sahen: Es war der Chefredakteur einer großen alten Zeitung, die den Manufakturbesitzern des Landes gehörte. Das kleine Männlein war in edlen dunklen Zwirn gekleidet und hatte ranzige Butter in sein Haar geschmiert.
Nach einer Verbeugung sagte der durch die Blätter einer erst vor kurzem ins Land gebrachten Pflanze aus fernen Landen aufgeputschte Gnom, er wüsste, weshalb der Journalismus krank sei. Es liege daran, dass die Zunftordnung nur mehr sehr lasch angewendet würde und somit jeder Bauernsohn und jede Magd Journalismus betreiben dürfe statt, wie einst im güldenen Zeitalter, nur die Söhne und Töchter der Adelshäuser. Da mussten die Prinzessinnen laut lachen ob der törichten Dünkel des Zeitungsmannes und sie schickten ihn wieder fort, nicht ohne ihn zuvor streng zu tadeln. Die Edeldamen wussten nämlich ganz genau, dass eine noble Abstammung ebenso wenig aus einem Narren einen guten Journalisten machte wie eine Ausbildung an der Jacob-Grimm-Journalistenschule. Allzu oft hatten die Prinzessinnen auf Bällen mit Fürstensöhnen getanzt, deren geistiger Horizont trotz Journalismusdiplom nicht weiter reichte als ihr Gemächt und die weniger im Kopfe hatten als so mancher Hofnarr. Und fast ebenso oft waren sie bei ihren Streifzügen durch die Zeitungen und Blogs des Königreichs auf einfache Schneiderlein und Ziegenhirtinnen gestoßen, die Texte von erlesener Schönheit stricken konnten und die Dinge klarer sahen als selbst die höflichen Berater.
Die Beratungen der Prinzessinnen dauerten viele Tage lang an, denn auch wenn die Königstöchter und der Königssohn das Reich stets in großer Einheit regierten, so waren sie doch nicht immer einer Meinung.
Einmal sagte eine Prinzessin, das Internet sei schuld am Siechtum des Journalismus, dann meinte eine andere, es liege wohl eher an der Gier nach dem Golde und dem daraus entstehenden kurzsichtigen Geiz der Herausgebergilde. Die dritte Prinzessin wiederum machte den Zaren der Reußen verantwortlich, der mit viel Gold fahrende Ausrufer bezahlte, auf dass diese die Untertanen der Prinzessinnen mit falscher Nachricht verwirren sollten. Als nach langen Debatten die völlige Ermattung drohte und selbst Erdbeertörtchen aus der königlichen Bäckerei die Prinzessinnen nicht mehr aufmuntern konnten, erzählte Prinz Leo eine seiner berühmten Schnurren über den Aberglauben des Volkes an Chemtrails und sorgte auf diese Art wieder für fröhliches Gelächter im Schlosse. Und mit einem Male wussten alle, was getan werden musste.
So zimmerten dann die Prinzessinnen mit der Hilfe besonders treuer Untertanen ihre eigene Verkündigungsplattform, auf der nicht nur die royalen Dekrete verlesen wurden, sondern auch ausgesuchte Barden schöne Gesänge vortragen durften. Im Laufe der Monate vernahmen immer mehr Menschen die wahren und hübschen Erzählungen und weil sich viele Journalisten schämten, desgleichen nicht selber zusammengebracht zu haben, bemühten sie sich fürderhin, bessere Schreiber und Menschen zu werden.
Der Journalismus erholte sich langsam und es würde nur mehr eine Frage der Zeit sein, bis er unter dem huldvollen Lächeln der Prinzessinnen nicht bloß zu alter Stärke zurückfände, sondern gar besser würde als je zuvor.
Das war allen ein Wohlgefallen, nur die Drachen und Trolle, die sich im Lande breit gemacht hatten als der Journalismus im Siechenhaus gelegen war, fürchteten sich, denn sie ahnten, dass ihre Zeit bald ablaufen würde.