Draußen in der Küche

Draußen in der Küche. Gibt es das? Wo befindet sich dieser Ort? Und ist es überhaupt ein Ort? Oder vielmehr der Anfang eines frauenfeindlichen Witzes? In Teilen Afrikas ist es aufgrund des mangelndes Platzes noch bis heute üblich, seine Küche im Hof zu haben, aber darum geht es hier nicht. Was darf man sich also unter „draußen in der Küche“ vorstellen und warum heißt dieser Text so? Mercedes Nabert ist über die Wendung gestolpert und versucht, ihr auf die Spur zu kommen.

Es ist vielleicht nicht üblich, doch es kommt vor. Man ist zu Gast in einem provinziellen Haushalt, erbittet noch einen Schluck Wasser und je sagt die Dame des Hauses: „Ja, habe ich noch draußen in der Küche. Ich gehe es holen.“ In dieser Situation hinterfragt man das nicht; auf dem Land wird ohnehin anders gesprochen und sie verlässt durch eine Tür das Wohnzimmer oder den Speisesaal, je nachdem – geht damit de facto „hinaus“. Das Gespräch mit der übrigen Familie kann nahtlos fortgesetzt werden.

Denkbar ist überdies, in der klassischen, gehobenen Gastronomie europäischer Staaten damit konfrontiert zu werden. Die Küche, samt des schmutzigen Geschirrs und all des Schuftens, ist hier nicht nur geschlossen, sondern den Gang entlang und um die Ecke. Des Gastes Aufmerksamkeit soll allein auf den Geschmack und andere erquickliche Sinnesreize gelenkt werden. Wenn dieser also Lob, Dank oder Grüße „an“ die Küche ausrichten lässt, und damit vermutlich „an das Küchenpersonal“ meint, wird ihn niemand dahingehend korrigieren, dass es aber „in die Küche“ heißen müsste. Und möchte man für die Dauer einer Verabredung, sein Mobiltelefon abgeben, wird der Kellner antworten, „ja“, er bringe es raus, „raus in die Küche“. Man vergisst, diese Worte je gehört zu haben.

In der Literatur ist das anders. Hier entspringt „draußen in der Küche“ nur selten einem begreiflichen Kontext, sondern hängt viel mehr mit den Beziehungen der Autoren zur Küche und zum Adverb zusammen. Die Formulierung, von der man bereits an ihrer Falschheit erkennt, dass sie nicht bewusst gewählt wurde, lässt sich in zahlreichen Texten im Internet und Büchern finden, älteren und jüngeren. Meistens sind es die Werke von Männern aus Süddeutschland, der Schweiz oder Österreich, und ihre Hintergründe sind so unterschiedlich, wie die Bilder, die sie malen.

Im 2. Teil geht es dann morgen um die Küche als „Mysterium und Zufluchtsort: Projektionen von Schriftstellern“

Der Haussegen (Bildmitte) hängt schief

 

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