Prodemokratisch! Propalästinensisch! ProPoolparty!

von unserem Demokratiebeauftragten Benjamin Weissinger

Ich mache mir Sorgen. Sorgen um unsere Demokratie. Sorgen um unsere Gesellschaft. Die Stimmung ist schlecht, die Menschen haben kein Vertrauen mehr ineinander und sind besorgt und wütend. Und dabei geht es nicht nur um das liebe Geld. Und auch nicht um den lieben Gott. Es geht um mehr. Es geht um das große Ganze.

Ein Beispiel: Meine Freunde vom Zentrum für politische Schönheit haben mir heute morgen eine SMS geschickt, um mir mitzuteilen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ein Palästinensermädchen geschlagen, woraufhin es geweint habe. Ich kann das nicht fassen. In diesen angespannten Zeiten so ein Fauxpas vor laufenden Kameras. Und dann auch noch ein Palästinenserkind. Als hätten die nicht genug gelitten drüben unter den Israelis, und nein, damit meine ich nicht die Juden. Aber wer – wie ich – seine Informationen direkt von Menschenrechtsorganisationen bezieht und nicht von RTL oder der Bild-Zeitung, der weiß, dass auch amnesty international ein weinendes Palästinenserkind gezeigt hat. Das ist also kein Einzelfall. Das Zentrum wird nun handeln. Gesucht werden etwa zwanzig palästinensische oder zur Not palästinensisch aussehende Kinder, die traurig sind oder „auf Anhieb“ weinen können, dann wollen sie vor dem Reichstag ein Becken ausheben, es mit Wasser füllen und die weinenden Mädchen dort eins nach dem anderen hineinschubsen. Die Aktion wird „Meer der Tränen“ heißen. Später gibts dann noch eine kleine „Pool-Party“ für alle, die mitgeholfen haben.

Solche Aktionen sind wichtig, um die Menschen aufzurütteln. Doch als Demokratiebeauftragter der Prinzessinnenreporter muss ich mehr sein als nur ein Teil der politischer Schönheit und es muss um mehr gehen als nur einen Einzelfall. Ich muss alle mit ins Boot holen. Auch die, die nicht verstehen, worum es bei Demokratie geht. Nicht von oben herab! Ich schreibe hier ja nicht von oben herab. Auch ich war nicht immer ganz sattelfest in Sachen Demokratie. Da ich aus gutem Hause stamme, bin ich mit gewissen Vorbehalten gegenüber der Herrschaft des Volkes aufgewachsen. Aber diese Bedenken sind heute, wo ich hier als Demokratiebeauftragter schreibe, und das bin ich nicht von ungefähr, wie weggeblasen. Ich möchte einfach weitergeben, was ich gelernt habe. Ich habe viel bekommen. Jetzt möchte ich viel geben.

Nun….wie soll ich beginnen. Bei Demokratie geht es darum, das Richtige zu tun. Und was das ist, bestimmt das Volk. Grundsätzlich macht man da nichts falsch, wenn man das macht, was das Volk will. Nun gibt es natürlich manchmal das Problem, dass nicht alle einer Meinung sind und die objektiv richtigen Entscheidungen manchmal auch viele nicht treffen wollen. Und das geht halt nicht. Menschen, die da den Überblick haben, unter vielen klugen Köpfen zB auch ich, können sich da ja den Mund fusselig reden, Aktionen machen, Videoclips drehen, Interviews geben, auch mal was auf Facebook posten, wenn dann aber andere immernoch anderer Meinung sind, dann erzeugt das genau die Atmosphäre des Misstrauens und des berechtigten Ärgers, die ich eingangs beschrieben habe. Deshalb geht es bei einer Demokratie darum, dass Leute mit der falschen Meinung die richtige akzeptieren. Anders geht es eben nicht. Sonst wird irgendwann nurnoch rumgebrüllt und keiner akzeptiert den anderen mehr. Vielleicht fällt es den Andersdenkenden leichter, sich nicht so zu haben, wenn man sich klarmacht, dass die Demokratie das Kostbarste ist, was es gibt. Es geht um Würde, Freiheit, auch international, Freiheit in Gleichheit. Es muss dabei aber auch allen gut gehen. Und das geht nur, wenn alle das Richtige tun. Die Würde des Volkes ist es, das Richtige zu tun, Herrgott nochmal, das kann doch nicht so schwer sein. Schon bald wird das Licht erstrahlen, das Licht auch der sozialen Gerechtigkeit, es wird keine Armut mehr geben, es wird kein Leiden mehr geben, wenn wir alle zusammenstehen, und die reife Frucht der Freiheit werden wir dann gemeinsam vom Baum der Gleichheit pflücken, oh, wenn ihr es sehen könntet, dieses Land der Demokratie, wenn einmal dieses Kleingeistige überwunden ist, dieses Zaudern, die Angst vor dem Morgen, dieses Verzetteln, das Nörgeln, dann wird morgen schon übermorgen sein und die Zeit der allgemeinen Großartigkeit wird am Horizont heraufziehen und wie ein Gewitter die erhitzten Gemüter abkühlen und alle werden dann das Richtige getan haben.

Ich höre schon die ewigen Kritiker, das sei doch bloß eine Schwadronade. Ist es aber nicht. Ich weiß, wovon ich spreche. Martin Luther King hat auch so geredet. Man muss sich halt auch mal die Zeit nehmen und darüber nachdenken.

Vielleicht gibt es einige, die den hervorragenden Film „Lincoln“ noch nicht gesehen haben, mit dem Daniel-Day Lewis als Präsident der Vereinigten Staaten damals während des Krieges. Übrigens ein ausgezeichneter Schauspieler, der den Lincoln so spielt, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Dabei war er schon in „Der letzte Mohikaner“ sehr gut. Solche Schauspieler gibt es ja kaum noch, vielleicht der, hier, wie heißt er…na komm – Freeman, der Morgan Freeman, der Pitt vielleicht noch, ansonsten kannst Du solche Rollen ja garnicht mehr besetzen. Heston und Tracey und wie sie alle hießen, die konnten alles spielen. Denen konntest Du ein Drehbuch geben, dann haben sie sich in einem Hotelzimmer eingeschlossen, sich tagelang besoffen , dann kamen sie raus und haben zwei Monate lang nurnoch geschauspielert, und zwar wie die Weltmeister. Die konnten den Text instinktiv auswendig. Die konnten auch mehrere Filme gleichzeitig drehen. Und eine Leinwandpräsenz hatten die. Wenn du im Kino saßt und dann kam eine Naheinstellung von Hestons Visage, da blieb dir ja die Luft weg. Wenn Du heute ins Kino gehst, sind das oft gar keine Menschen mehr. Das ist ja alles animiert heute. Das ist auch sowas, was mich mit Sorge erfüllt. Das ist auch schlecht für die Demokratie. Früher war das Kino ja auch ein Ort, wo Gesellschaftliches wie durch ein Brennglas auf der Leinwand oszillierte und nachher hast Du das dann in kleinen Gruppen durrchdiskutiert. Heute hast Du da irgendwelche bohnenartige Phantasiewesen, die ohne Ende sinnlos herumbengeln. Da kommt man aus dem Kino und möchte am liebsten heulen. Ich toleriere das, und wenn die Mehrheit das ok findet, dann kann ich mich damit vielleicht abfinden, aber deshalb müssen andere bei den wirklich wichtigen Fragen dann auch auf jemanden wie mich hören, der da den Überblick hat.

Aber was ich noch sagen wollte, der Lincoln wird am Ende ja erschossen, weil er lieber ins Theater gegangen ist, als mit den Bürgern in einen Dialog zu treten. Deshalb war es schon richtig, dass die Merkel das Gespräch mit den Palästinensern sucht. Aber so nicht. Demokratie ist zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen. Gemeinsam werden wir das aber schaffen.

 

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