Treffen von Nürnberger und Ansbacher Juden in der Synagoge Ansbach

von Gastprinzessin Gerhard K. Nagel

Synagoge Ansbach (© by Alexander Biernoth)

Synagoge Ansbach (© by Alexander Biernoth)

So vielen herrlichen Sonnentagen folgt am besten etwas Nachdrückliches, das auch über die eigenen Zusammenhänge hinauswirkt. Das stand für die Chabad-Gemeinde der IKG (Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg) fest.
Was aber wird solchen Ansprüchen gerecht? – Ein Beter aus Ansbach, der seit Langem sonntäglich zum Schacharit (Morgengebet) nach Nürnberg reist, hatte eine einfache und griffige Antwort auf diese Frage: Ein Besuch bei den Juden in Ansbach.
Verwunderung? – Was kann denn an einem Besuch in einer anderen Stadt so Besonderes sein? – Eigentlich nichts. Besuche gehören doch zu den mit etwas Aufwand verbundenen Alltäglichkeiten, des Anstandes oder der Höflichkeit wegen. Mit Grundsteinlegungen hat das in der Regel nicht so viel zu tun.
Bei dem Vorschlag des Ansbacher Beters sah das etwas anders aus. Aber nicht so hastig, der Reihe nach und etwas strukturierter, damit kein textuelles Chaos entsteht….
Ansbach sagt den meisten Lesern wohl eher nichts. Füllen wir die Lücke: Ansbach ist eine Stadt im nördlichen Teil Bayerns mit heute etwas mehr als 40.000 Einwohnern. Sie ist der Sitz der Regierung und Bezirksverwaltung von Mittelfranken. In historischen Zeiten war die Stadt die Residenz der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Aus dieser Zeit stammen die vielen, interessanten Baudenkmäler, die zahlreiche Besucher in die Stadt locken. Im Reigen dieser Baudenkmäler findet sich auch ein Kleinod, das die Zeiten und im Besonderen auch die Zerstörungswut der Nazis heil überdauert hat: Eine wunderschöne, im Jahr 1746 eingeweihte barocke Synagoge. Juden allerdings gab es kaum noch, von einigen amerikanischen Soldaten abgesehen, die nach dem Ende der Nazibarbarei hier stationiert waren. Das änderte sich erst, als sich viele jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion hier niederliessen. Aber die damit verbundene Hoffnung, dass sich eine neue jüdische Gemeinde bilden und die Synagoge als Bethaus einer neuen adäquaten Nutzung zugeführt werden würde, erfüllte sich nicht.
Leider haben sich nur wenige der Zuwanderer, denen das Judentum in der ehemaligen Sowjetunion ausgetrieben werden sollte, auf die Suche nach ihren kulturellen und religiösen Wurzeln gemacht und den Weg zur persönlichen Restitution gelebten jüdische-religiösen Lebens gefunden. So gibt es nach wie vor keine jüdische Gemeinde und die Synagoge wird in der Regel nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung, sondern als Kulturdenkmal genutzt. Ausnahmen davon sind selten. So gab es am 03. Juli 1998 eine Bar Mitzwa-Feier des Enkel eines ehemaligen, in Ansbach stationierten US-Soldaten und ab und zu beten jüdische Besuchergruppen in der Synagoge.
In diese Situation hinein sollte der Besuch der Nürnberger ein Zeichen der Ermutigung für die wenigen religiösen Juden in Ansbach werden.
Am 23. August fanden sich in der Synagoge etwas über 20 Personen zusammen, also mehr als die zum Minjan erforderlichen zehn jüdischen Männer, etwa die Hälfte davon aus Nürnberg mit Rabbiner Eliezer Chitrik an der Spitze, die anderen aus Ansbach. Das Treffen wurde nicht nur für die Ansbacher zu einem sehr emotionalen und bewegenden gegenseitigen Kennenlernen und Austausch, sondern diente insbesondere auch dem religiösen Lernen und Erleben. So half Rabbiner Chitrik Unerfahrenen beim Anlegen des Tallits und der Tefillin, brachte ihnen die zugeordneten Brachot bei. Und er brachte auch eine Mesusa an.
Eigentlich ist es unüblich, eine Mesusa in einer Synagoge zu verwenden, da eine solche nur für nichtheilige Räume verpflichtend ist, die Räume einer Synagoge (wenn darin keine Büros und Sozialräume vorhanden sind), aber heilig sind. Rabbi Chitrik wies auf diesen Zusammenhang hin und machte deutlich, dass er die Handlung vornehme, um ein Zeichen der Aufmerksamkeit zu setzen für dieses Gebäude und die Menschen, die darin gebetet haben. Er erklärte den Anwesenden natürlich auch die Bedeutung der Mesusa, wie sie sich zusammensetzt und wie angebracht werden muss. Und er wies darauf hin, dass sie regelmässig überprüft werden muss, um zu vermeiden, dass sie nicht im Laufe der Zeit unkoscher wird. Es fand sich ein Jude aus Ansbach bereit, für die Erfüllung dieser Verpflichtung Sorge zu tragen.
Der Kiddusch, in einem Vorraum der Synagoge durchgeführt, verband die Anwesenden in Heiligkeit miteinander und da wir uns im Elul, dem Monat der Umkehr befinden, ertönte auch das Schofar.
Rabbi Chitrik sprach den Wunsch aus, dass „die Juden in Ansbach in Zukunft an den Feiertagen öfter und zahlreicher zusammenkommen als bisher“ und lud die Ansbacher Anwesenden zu Besuchen in die Nürnberger Gemeinde ein.
Die Grundsteinlegung ist abgeschlossen. Ein Stück Hoffnung wurde in die Welt gesetzt und hat seinen Weg in die Köpfe und Herzen der Anwesenden gefunden. Jetzt liegt es an den Ansbachern mit Unterstützung der Nürnberger Gemeinde das Gebäude wachsen zu lassen, damit in nicht allzuferner Zeit die Synagoge wieder zu einem Ort regelmässigen Gebets werden kann.
Das ist eine kleine Story, die im Spiegel tausendfältiger Ereignisse, die an diesem Tag in der Welt stattgefunden haben, nahezu bedeutungslos wirkt. Aber der Funke, gehoben aus den Kelipoth ist Teil des Tikkun Olam (der Reparatur der Welt) und er macht deutlich, dass jüdische Menschen auch unter schwierigen Bedingungen den Weg zueinander finden: Am Israel Chai.

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