Abwasch, Stil und Hoffnung

Nehmen Sie sich ein Beispiel, Gentlemen: Lord Harald Darlington Stazol

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Das geht ganz einfach: Ich warte darauf, während ich die weissen Ikea-Teller in Seifenlauge tunke, findet Prinzessin Harald Nicolas Stazol.

Zum Abwasch, Damen und Herren. Teller, Unterteller, das Besteck – selbst, sollten Sie eine Geschirrmaschine haben, trotzdem dranbleiben – alles wird sich bei mir durch reine Gedankenkraft säubern.

Die Königlich Preussische Porzellanmanufaktur in den Geschirrspüler einordnen?

Niemals! Und der Rest wird sich, wie gesagt, durch reine Gedankenkraft regeln.
Ich denke also total telepathisch an meinen Geschirrberg und denke und denke – und nichts passiert. Mittlerweile stapele ich bis zum Sonntag, dem ewigen Karfreitag der Singles, und hoffe dann auf göttliche Fügung.
Die sich dann auch einstellt. Und ich tauche meine schwerberingten Hände in die Seifenlauge, und komme mir ziemlich bourgeouis vor. Alles sauber, alles fein.

Nichts ist sauber, nichts ist fein! Da ist schon mal das Hèrmes-Service aus besseren Zeiten, als ich meinen Roman „Porcella“ schrieb.
Zärtlich fast ist der Umgang mit ihm. Spüli, Wasser, Umsicht. Was ich für meine Whisky-Gläser – Hochzeitsgeschenke meiner Mutter von einem Cousin, der ihre Wohnung für intime Stelldicheins nutzen wollte – nicht behaupten kann: Eines zerbrach neulich unter meinen Händen; ewige Schmach.

Ist nicht der Schmutz Adelung jedes Gebrauchsgegenstandes, eben weil er der Benutzung frommt? Sind nicht die Spuren des Tees an den Gewänden der Tasse Hinterlassenschaft menschlicher Bewegung? Die schmutzigen Teller Zeugnis der Existenz des Menschen, der gerade eine Mahlzeit nahm?

Ich wurde schon im Jahre 1988 von einer Geliebten im Schüleraustausch in den USA unterrichtet, dass man dort zu sämtlichen Mahlzeiten das Plastikgeschirr wegwarf. 380 Millionen Amerikaner ergeben 380 Quadratkilometer Plastikmüll.

Wenn ich also Teller wasche, in der Erwartung, Millionär zu werden – ewige Verheissung! – sehe ich mich zumindest klimatechnisch auf der richtigen Seite. Personalmässig nicht. Abwäscher sollte man haben! Aber die sind ob der hohen Personalkosten zum Groko verordneten Mindestlohn von 8,50 Euro auch nicht vertretbar.

Was denn nun mit der Zuckerdose? Die süßen Rückstände haben eingeweicht zu werden, wie mancher One-Night-Stand. Sollte der übrigens nach höchster Lust Ihren Abwasch übernehmen, Hut ab! Und heiraten!

Aber wir schweifen abwaschend ab…

Ist nicht die (Ab)- Waschung biblisches Motiv? Also darf man sich bei der Reinigung einer Tupperware Dose dem EINEN Gott näher fühlen?
Atheisten, seid beruhigt! Zumindest der Sauberkeit könnt ihr euch näher gemahnen…

In der Weltliteratur ist der Abwasch selten, nein, nie!, zu finden.
Anna Karenina in Schürze? Käptn Ahab am Geschirrtuch? Virginia Woolf beim Polieren? Machen Sie sich nicht lächerlich!

Da sind diese Fettflecken. Kaum hat man sich ein Entrecôte geleistet, will schon die Steaksauce sich verfestigen. In der veganen Küche sind es wohl die Rückstände des gedampften Blumenkohl. Spass machen die nicht.

Einige europäische Philosophen und Psychoanalytiker wollen sich damit bescheiden, dass der reine Akt der Säuberung daseinsbehaftet ist. Wenn ich das Stahlrund meines Lieblingstopfes betrachte, kann ich mich tatsächlich eines Fäkalausdruckes kaum entheben.

Und das Silber? Noch nicht darüber nachgedacht? Je länger man es liegen lässt (ich hoffe, Sie haben kein Cromargan?) – desto dunkler wird es. Es reagiert mit den Möhrrettichresten des letzen, also vorletzten, also vorvorletzten Ganges. Die Mahlzeit – nicht der Fluß.

Und dazu klagt einen der Rand in der Teetasse an, und nun gilt es, Haltung zu bewahren!
Gläser? Ich befinde mich in der unabwaschbaren Situation, meinen besten Freund in der Gastronomie zu haben. Nicht das Geringste geht vor seinen Augen durch. Meine innige Freundin Madame Jacob hält die Gläser vor dem Anbieten ins Licht! Da kann ich ja meine sofort verscherbeln!

Kurzerhand an die Wand schmissen die hochfeinen Baccarat-Gläser dagegen der Zar und sein Hof. Ein eigener Glasbläser war in Frankreich angestellt, um den russischen Palästen über zahllose Tagesreisen hinweg das zu liefern, was Deren Gnaden dann nach einem fürstlichen „Nastrojwe“ an den Wänden entsorgten, nebst dem schmutzigen Geschirr.

Vielleicht die beste Lösung. Alles in einem Abwasch, sozusagen.

Bis zur Umsetzung unseres Journalismusfinanzierungsdekrets kann unsere Arbeit mittels eines einfachen Klicks auf den „Spenden“-Knopf gleich oben rechts unterstützt werden. Oder mit einem Einkauf in unserem Shop.

Schreibe einen Kommentar