Alt Right und Neue Rechte – Ein Lagebericht

screen-shot-2016-11-22-at-04-07-34von Greifhardt von Zitzezwitz, Hauptprinzessin im royalen Generalstab, Stabsstelle 4 (ST4)

Verehrte Prinzessinnen,

die mir übertragenen Aufgaben im royalen Generalstab umfassen auch die Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit gewisser Szenarien. Pflichtgetreu lege ich Euren Hoheiten nachfolgend meine Beurteilung der allgemeinen politischen Lage vor – mit besonderem Schwerpunkt auf die wahrscheinliche politische Entwicklung bis zu den bevorstehenden Wahlen zum deutschen Bundestag. Sinn und Zweck dieser Beurteilung ist es, das Verständnis der Gesamtlage zu verbessern und Euren Hoheiten Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen, die beim Entwurf einer royalen Strategie dienlich sein können.

Vorbemerkung

In diesem Jahr gingen ein Referendum über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und die US-Präsidentschaftswahlen zugunsten derjenigen Kräfte aus, die bei Hofe gemeinhin als rechtspopulistisch tituliert werden. Diese Zuschreibung genügt allerdings nicht den Anforderungen an ein umfassendes Lagebild.

Akteure

Träger des oben beschriebenen Erfolges sind verschiedene Akteure, von denen einige als Gegner des Hofes zu verstehen sind.

Alternative Rechte

Diese Gruppierung ist, im Original „Alt Right“, in den vergangenen Jahren immer sichtbarer geworden. Schlagworte wie „Milo Yiannopulos„, „Pepe the Frog„, „/pol/“ oder „Tila Tequila“ werden den Damen und Herren Prinzessinnen sicher geläufig sein.

Auffällig ist nach Erkenntnissen des royalen Gardenachrichtendienstes, dass die Alt Right die erste von der Netzkultur geprägte rechte Strömung ist. Nicht unauffällig in diesem Zusammenhang ist die häufige Adaption kultureller Versatzstücke zwischen den Verbänden verschiedener Herkunft. Unser Lagezentrum prüft deshalb die Frage, ob es bereits angemessen ist, hier von einer multikulturellen Rechten zu sprechen.

Teilweise überschneidet sich die Alt Right im deutschsprachigen Raum mit der Identitären Bewegung (IB) und einigen – unpräzise als Neurechts apostrophierten — Akteuren. Der royale Generalstab lehnt diesen Begriff ab, da er verschiedenartige Phänomene vermengt und damit die Fähigkeit untergräbt, Gegner präzise zu erkennen und mit einem angemessenen Mittelansatz zu bekämpfen.

Die Beobachtungen dieses Berichts lassen sich teilweise auch erfolgreich auf den Umgang mit anderen Gruppierungen wie z.B. IB anwenden, sofern Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Feindkräfte erkannt und in der Bekämpfung berücksichtigt werden.

Operatives Verhalten im Felde

Die Alt Right ähnelt unseren royalen Fußtruppen insoweit, dass Ihr bevorzugter Verfügungsraum soziale Netzwerke sind und Auseinandersetzungen nicht mit dem Ziel geführt werden, bei Akteuren der Gegenseite eine Änderung inhaltlicher Positionen hin zu den eigenen zu verursachen. Vielmehr zielt die Gefechtsführung auf Hervorrufen eines bestimmten Verhaltens beim Gegenüber. Dieses Hervorrufen wiederum führt zu Lob und Anerkennung im sozialen Gefüge der eigenen Kampfgemeinschaft.

Negative Reaktionen erfüllen ebenfalls ihren Zweck als Gefechtsziel der Alt Right Akteure. Hauptziel im deutschsprachigen Cyberraum ist Empörung im royalen Lager und bei Verbündeten. Als Etappensieg feindlicher Aktionen gilt die tadelnde Erwähnung in den Medien. Durch gezielte Provokationen werden immer wieder eigene Kräfte zum Einsatz ungeeigneter Mittel animiert.

Hierdurch wird eine rapide Abnutzung der üblichen Einsatzmittel erzwungen, indem zu beeinflussende Wählergruppen nach jeder Verwendung immer weniger empfänglich für royale Tadel und ähnliche erzieherische Maßnahmen werden. Entsprechend schwieriger wird es, mit konventionellen Diskurswaffen die Wählerwanderung zu unerwünschten Parteien zu unterbinden.

Über die Realisierung dieser Gefechtsziele wirken Akteure der Alt Right auf das übergeordnete Kriegsziel hin, in Gestalt der Alternative für Deutschland (AfD) zunächst eine rechte Sperrminorität und möglicherweise später eine Wahlmehrheit im derzeit unter Ihrer royalen Gunst bestehenden Staatswesen zu verwirklichen.

Reaktive Infantilisierung

Erwähnenswert ist nach Einschätzung der Stabsstelle 4/Kompetenzzentrum Netzkultur (ST4/KN) beim Royalen Generalstab auch, wie sich die Alt Right in ihrem Verhalten bei Meinungsgefechten an ihre wichtigsten Kontrahenten anpasst. Zu nennen wären hier die „Social Justice Warriors“ (SJW), d.h. das universitär-sozialkundliche Aktivisten-Milieu.

Diese Gruppierung fällt nicht nur mit ihrem detaillierten ständig sich verändernden Verhaltensmassregelwerk und überzogenen Reaktionen auf wahrgenommene Verstöße gegen die aufgestellten Regeln auf. Auffällig ist auch, dass die Reaktion regelmäßig Elemente infantilen Verhaltens beinhaltet.

Diskurswaffen wie Lärm, Tränen, Glitzer, Wasserkübel, Farbbeutel u.ä. werden kombiniert mit Erklärungen der persönlichen Kränkung und dem Anspruch, diese Kränkung möge durch Britte vom jeweiligen Beschwerdeführer ferngehalten werden.

Dies verschafft den Akteuren zweifellos einen unmittelbaren taktischen Vorteil in kleineren Räumen. Allerdings zieht es den Preis nach sich, dass in der Gesamtlage strategische Verluste entstehen, weil der Einsatz solcher Mittel überwiegend Ablehnung außerhalb der eigenen Milieus hervorruft.

Analog hierzu betreibt die Alt Right eine inhaltlich unterschiedliche aber ebenso von infantilen Elementen geprägte Taktik. Anders als im Falle der SJW ist nicht die eigene Kränkung zentrales Element des Selbstbildes, sondern die Kränkung anderer. Das Unterreferat 4/42 (Internetkultur) merkt hierzu an, dass dies direkt aus den Wurzeln der Alt Right in abseitigen „Troll“-Internet-Foren folgt.

Da diese beiden Kampfweisen einander begünstigen, steht zu erwarten, dass auch im deutschsprachigen Raum die Auseinandersetzung Alt Right/SJW an Heftigkeit gewinnen wird. Da eine höhere Intensität der Gefechte in erster Linie die Ziele der Alt Right begünstigt, empfiehlt der Generalstab auf diesem Kriegsschauplatz äußerste Zurückhaltung und ausschließlich aufmerksame Beobachtung.

Wähler

Wesentlich für die Erfolgsaussichten der feindlichen Kampagne sind Wahrnehmung und Bewusstsein bei der Wählerschaft. Diese Räume kommen für unsere Zwecke in diesem Bericht einem Gefechtsfeld gleich.

In den vergangenen fünf Jahren haben wir eine Verschlechterung unserer Lage in diesen Räumen beobachten müssen. Grund dafür ist insbesondere der Aufstieg der AfD, deren Einzug in den Deutschen Bundestag im September 2017 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dieser Aufstieg ist wiederum von Faktoren abhängig, deren Darlegung den Rahmen dieses Berichts überstrapazieren und nicht zu einem verbesserten Verständnis des vorliegenden Gegenstandes führen würde.

Abhängig von der Geeignetheit der Gegenmaßnahmen kann sein, wie groß der Erfolg der feindlichen Kräfte sein wird. Das zuständige Lagezentrum rechnet insbesondere mit dem Erwerb von Direktmandaten und Überhangmandaten in den ostzonalen Wahlbezirken durch die AfD.

Ausschlaggebend für eine substantielle Dämpfung (eine vollständige Verhinderung scheint nicht sehr wahrscheinlich) dieses gegnerischen Erfolgs wird sein, ob bei Hofe eine kohärente Strategie entworfen und von unseren Fußtruppen umgesetzt wird. Ziel einer solchen Strategie muss nach Einschätzung des royalen Generalstabes sein, verlorenes oder unbesetztes Gelände in den bereits erwähnten Räumen zu nehmen und zu halten.

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