Zionismusprinzessin Gerhard K. Nagel erklärt, wie die Aufforstung in Israel geschafft wurde.
Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, den Johannes Guagnin in Nürnberg gehalten hat. Entsprechend kommt Johannes Guagnin in diesem Beitrag ausführlich zu Wort.
Ich bedanke mich bei ihm für die fachlich-sachliche Korrektur vor der Veröffentlichung.
Vorweg einige Informationen zum Referenten…..
Johannes Guagnin ist seit 2017 Hauptdelegierter des JNF-KKL. Das bedeutet: Er vertritt den Jüdischen Nationalfonds in Deutschland. Geboren ist er 1980 in Tübingen, lebte Anfang der 2000er Jahre einige Jahre in Israel, studierte danach Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar und schloss im Jahr 2009 das Studium als Forstingenieur ab. Anschließend folgte ein Studium in Wüstenforschung an der Ben Gurion Universität im Negev. Von 2012 – 2017 war er für die Forstabteilung des JNF-KKL mit den Schwerpunkten Forschung und Auslandsbeziehungen tätig. Johannes Guagnin ist verheiratet und hat fünf Kinder.
Die Gründung des Jüdische Nationalfonds
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der zionistischen Bewegung darüber nachgedacht wurde, wie und wo man einen Jüdischen Staat gründen könne, führte das
– jeweils zeitlich versetzt – zur Geburt von drei Organisationen. Als erste erfolgte die Gründung des Jüdische Nationalfonds. Seine Aufgabe war Land aufzukaufen, zu bearbeiten und der einzuwandernden Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Die Gründung erfolgte 1901 durch Johann Kremenezky im Auftrag und auf Initiative Theodor Herzels, in Basel.
Es wurde auch eine Organistion benötigt, welche die Einwanderung organisiert. Der Fokus lag dabei auf dem Land Israel. Kurzzeitig wurde als Alternative auch Uganda in Erwägung gezogen, nachdem Theodor Herzl auf dem 6. Zionistenkongress in Basel am 26. August 1903 das britische Uganda-Programm als Übergangslösung zur Diskussion stellte. Diese Überlegung stieß aber nicht auf viel Gegenliebe und wurde letztlich mit großer Mehrheit verworfen. Die Gründung der Jewish Agency erfolgte dann offiziell am 11. August 1929 auf dem 16. Zionistenkongress in Zürich.
Die dritte benötigte Organisation ist Keren Hajesod. Die Gründung wurde während des Zionistischen Weltkongresses vom 7. bis 24. Juli 1920 in London auf den 24. Dezember 1920 datiert. Die Organisation war und ist zuständig für die zu schaffende Infrastruktur (Wirtschaft, Gebäude, Straßen, Schulen etc.).
Nach der Gründung begann der Jüdische Nationalfonds in den jüdischen Gemeinden Geld zu sammeln, um die finanziellen Herausforderungen, die mit der Aufgabenzuweisung verbunden waren, zu stemmen.
Nachdem die Entscheidung für Siedlungen im Land Israel gefallen war, begann man mit Landkäufen. Das anfänglich aufgekaufte Land bestand hauptsächlich aus Sümpfen. Um dieses relativ wertlose Land, das so nicht bearbeitet werden konnte, urbar zu machen, wurden Entwässerungskanäle gebaut und Bäume gepflanzt.
Johannes Guagnin erläutert: „In den dreißiger Jahren hat der JNF viele Bäume gepflanzt, viele Eukalyptusarten aus Australien. Die haben sich sehr gut bewährt. Und dann kam 1948, das war ein recht einschneidendes Jahr: Der jüdische Staat wurde gegründet.
Die junge Regierung hat sich Gedanken gemacht, wie mit den zionistischen Organisationen, die letztlich auf eine Staatsgründung hin ausgelegt waren, zu verfahren sei und zu diesem Zweck eine Kommission gegründet…… Die Kommission legte unter anderem fest, den JNF/KKL mit forstlichen Aufgabe zu betrauen, mit der Begrünung des Landes und dem Forstmanagement, d.h. mit der Bewirtschaftung der israelischen Wälder. Das Land, das in Israel vorhanden war, war nicht so grün wie hier in Deutschland. Es ist in Israel sehr trocken.
In Jerusalem beispielsweise gibt es nur knapp 600 mm Niederschläge im Jahr, die sich im Wesentlichen auf die Wintermonate beschränken, sowie sehr heiße Sommer.
Die Durchschnittstemperatur- und Niederschlagssituation in Jerusalem finden Sie hier (etwas nach unten scrollen, rechts):
Die israelische Landschaft ist zudem ein Gebiet, durch das über die Jahrtausende immer wieder Menschen gezogen sind, die meistens kriegsführenden Nationen, angehörten, darunter waren Nordafrikaner, Ägypter, Perser, und Römer….. Jede dieser durchziehenden kriegsführenden Nation holzte ab – bei Josephus Flavius kann man nachlesen, wie Titus den letzten Baum bei Jerusalem geschlagen hat. Durch die Entwaldung wurden große Teile des Landes zur Wüste. Das war die Landschaft, die der Jüdische Nationalfonds vorfand. Die ehemals fruchtbare Erde war abgetragen, die Hänge waren oft erodiert. Es mussten Wege gefunden werden, wie aufgeforstet werden konnte. An den Hängen war kein Baum zu sehen. Über die Aufforstungsarbeiten hat es der JNF-KKL geschafft, dass bewaldete Landschaften entstanden.“
Die Anfangszeit des Jüdischen Staates gestaltete sich sehr schwierig. Aus Europa strömten in einem kurzen Zeitraum Hunderttausende Überlebende der Schoa ins Land. Dazu kamen 850.000 Flüchtlinge aus arabischen Ländern und alle diese Menschen mussten versorgt werden. Es war eine der Aufgaben des Jüdischen Nationalfonds als Forstbehörde, diese Leute, in Arbeit zu bringen, um ihre Familien zu ernähren. Die Regierungskommission unter Levi Eshkol betraute 1957 den JNF-KKL mit der Aufforstung. Bei dieser Arbeit wurden viele der Flüchtlinge eingesetzt und die Forstfläche stieg rapide an.
Guagnin: „In den letzten 117 Jahren wurden über 250 Millionen Bäume gepflanzt. Heute gibt es 1,2 Mio Dunam gepflanzter Wald, das entspricht 120.000 Hektar. Die Waldfläche in Israel beträgt heute 7,3%, wobei man nicht vergessen darf, dass sich das nur auf das Drittel des Landes bezieht, wo es genügend Niederschläge gibt. 7,3% sind für den mediterranen Raum eine Spitzenleistung. Der Grundstein dafür wurde hauptsächlich dadurch gelegt, dass in der Anfangszeit überwiegend Koniferen gepflanzt wurden, Aleppokiefern, die einfach zu handhaben sind und keiner weiteren Pflege bedürfen.
Die Vorgehensweise war als Forstmethode auch aus Mitteleuropa bekannt und viele der ersten Forstleute hatten in Mitteleuropa gelernt. So ging die Auforstung zügig voran. Diese ersten Wälder waren Monokulturen und Monokulturen bringen viele Probleme mit sich: Sie sind anfällig für bestimmte Krankheiten und Schädlinge, beispielsweise für den Borkenkäfer, für verschiedene Lausarten, z.B. die Matsucoccuslaus, auch für den Kiefernprozessionsspinner. In Deutschland kennen wir den Eichenprozessionsspinner, der ähnliche problematisch ist, nicht für die Bäume, sondern für die Menschen, die den Wald besuchen, wegen der giftigen Härchen der Raupen. Unsere Wälder sind keine Wirtschaftswälder, sondern hauptsächlich dazu da, dem Menschen als Rückzugs- und Erholungsraum zu dienen. Und da ist der Kiefernprozessionsspinner nicht erwünscht.“
© JNF-KKL Archiv
Nach den ersten Nadelbaumpflanzungen und den Erfahrungen mit den daraus resultierenden negativen Effekten, wurde dazu übergegangen, den Nadelbäumen viele Laubbaumarten beizumischen. Zudem haben sich Nadelbäume auch in die Buschlandschaften hinein vermehrt und so entstanden langsam die Mischwälder, die heute für Israel charakteristisch sind.
Herausforderung Negev
Aktuell gibt es für den Jüdischen Nationalfonds eine große Herausforderung, das ist das Bewohnbarmachen des Negev durch Begrünung. Ben Gurion hatte ja gesagt, dass sich am Negev der Erfindungsreichtum und der Pioniergeist des jüdischen Volkes zeigen wird.
Der Negev nimmt 60% der Landesfläche ein. Dort ist potentiell noch viel Raum für Menschen, während das Zentrum Israels ja sehr dicht besiedelt ist und die
Lebenshaltungskosten dort entsprechend hoch sind.
Guagnin erläutert: „Die Landschaft im Negev ist so gut wie baumlos und die Landwirtschaft reicht bis an die Ränder der Trockentäler, der Wadis. Bei starkem
Wind und Niederschlägen wird die fruchtbare Erde abgetragen, in die Wadis gespült und dann ins Meer geführt, wo sie dann für immer verloren ist. Wir haben uns als Jüdischer Nationalfonds die Aufgabe gestellt, den Boden zu schützen. Wir wollten dort Wälder als Erosionsschutz pflanzen.
Man kann aber nicht einfach dort hingehen und Wald pflanzen. Wir müssen zu den bewirtschaftenden Verbänden gehen. Das sind meistens Moschawim, also landwirtschaftliche Gemeinden, die das Land gemeinschaftlich bewirtschaften. Den Verantwortlichen haben wir gesagt: Gebt uns rechts und links der Wadis 15, 20 m von eurem Ackerboden ab. Wir wissen, dass ihr dann Einbußen habt. Was wir euch bieten ist, dass wir da Bäume pflanzen und entlang der so entstehenden Wälder Straßen bauen. Dadurch sorgen wir einerseits für Eroisionsschutz, verhindern, dass sich die Arme des Wadis weiter in den den Erdboden fressen und sorgen auch für eine Belebung des Tourismus in der Region.“
Beide Bilder © JNF-KKL Archiv
Zu den positiven Auswirkungen eines solchen Vorgehens: Eine detailliertere Darstellung
Wenn die Ränder eines Wadis nicht geschützt sind, kann es sich bis zu 5, 6 Meter pro Jahr in die Landschaft fressen. Sind die Ränder durch Anpflanzung von Bäumen stabilisiert, wird das nicht nur verhindert, man erreicht darüber hinaus auch eine höhere Biodiversität. D.h. es siedeln sich eine verschiedenen Tierarten, z.B. Greifvögel, in größerer Anzahl an. Das hat einen positiven Effekt auf die Erträge der Felder, weil es einen negativen Effekt auf die Nagetiere hat, die in den Feldern leben. Auch die Viehweiden profitieren durch Beschattung von dieser Entwicklung und die Baumpflanzungen sind auch ein Puffer für das mit Pestiziden und Düngemitteln belastete Wasser, das zu den Feldern kommt. Das nutzt sowohl den Landwirten, als auch der Natur.
Hinzu kommt noch dass die Massnahmen eine immer größere Anzahl von Besuchern in die Region gelockt werden, die sich die Gegend hauptsächlich im Winter, vor allem Anfang Februar, wenn die Anemonen blühen, mit dem Fahrrad erschließen. Das Land ist ist dann mit roten Blütenteppichen bedeckt.
Für die im Negev lebenden Menschen ergibt sich mit dem ansteigenden Tourismus eine zusätzliche Einnahmequelle. Es entwickeln sich entsprechend dem steigenden Bedarf Fahrradläden, Cafés, Übernachtungsmöglichkeiten, alles, was gebraucht wird, um die Touristen zu versorgen…..
So versucht der Jüdische Nationalfonds an der Peripherie, im Süden des Landes die Bevölkerung zu stärken. Die Menschen, die in diese Region ziehen, um dort zu leben, sind echte Pioniere. Das Leben dort ist sehr hart und schwierig, die Hitze im Sommer kaum auszuhalten. Und der JNF/KKL versucht, unter anderem mit Grünanlagen,das Leben für diese Menschen erträglicher zu machen.
Wie funktionieren die Forstmethoden im südlichen Israel?
Die Böden im Negev haben entweder kleine biologische oder physische Schichten. Die biologischen bestehen aus Cyanobakterien. Wenn es regnet, quellen sie auf, versiegeln den Boden und alles Regenwasser strömt dann in die Trockentäler und führt dort zu Flutwellen, die alles niedermähen und zu riesigen Überschwemmungen. Das ist auch Ende April passiert, am Toten Meer und hat zehn Jugendlichen das Leben gekostet…
Guagnin: „Das Prinzip, dass sich der Boden versiegelt, das Oberflächenwasser sich sammelt und abfließt, war schon zu nabatäischer Zeit bekannt.
Die Nabatäer haben dann an den Berghängen kleine Wälle aufgebaut, um das Wasser in die Trockentäler zu kanalisieren. An den Wällen ist das Wasser dann versickert und es konnte Landwirtschaft betrieben werden. Dieses System, Wasser aufzufangen und zu verwenden, hat sich auch der Jüdische Nationalfonds zu eigen gemacht. Die Hänge werden terrassiert mit kleinen Steinwällen und dadurch können diese Flächen bewaldet werden.“
Die Hauptgefahr für die aufgeforsteten Landstriche sind Waldbrände, die durch Dummheit, Bosheit oder beides verursacht sind. Der JNF hat Feuerwachtürme in allen Wäldern installiert, die im Zeitraum von März bis Oktober, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, durchgehend besetzt sind. Die Wächter halten von dort aus Ausschau, ob sie Rauch sehen…….
Der Jüdische Nationalfonds versucht natürlich auch Waldbrände zu verhindern. Eines der Werkzeuge dazu ist die Weide. Weide reduziert die Biomasse und wo keine Biomasse ist, kann auch nichts brennen.
Schutzbäume
Ein weiteres, sehr aktuelles Thema, ist das Projekt der Schutzbäume. Aus dem Gazastreifen wird im Nordnegev regelmäßig mit Gewehren und Panzergranaten auf die Zivilbevölkerung diesseits der Grenze geschossen. Vor einigen Jahren kam es dabei zu einem tragischen Zwischenfall: Ein Schulbus wurde beschossen und ein Junge kam dabei ums Leben. Der JNF/KKL pflanzt daher jetzt deshalb entlang der Straßen in Gazanähe Schutzbäume, um die Straßen für die Scharfschützen uneinsehbar zu machen.
Aktuell kommt noch – wie der Leser dieses Artikel sicher den Medien entnommen hat – hinzu, dass von den Terroristen der Hamas seit April hunderte mit Brandsätzen bestückte Drachen aus dem Gazastreifen in den westlichen Negev geschickt werden, die dort ihre vernichtende Wirkung entfalten. Nach Angaben des JNF/KKL wurden in der gesamten Grenzregion bis Ende Mai durch über 120 Brände circa 320 Hektar Waldfläche gänzlich zerstört.
Die Jüdische Allgemeine schreibt am 07.06.18: „500 Hektar Getreidefelder wurden……zerstört, das entspricht rund 700 Fußballfeldern – …… (es entstand ein) Schaden von umgerechnet mehr als 1,2 Millionen Euro. Auch Hunderte Hektar von Park- und Naturreservaten sowie KKL-Wälder sind Berichten zufolge abgebrannt.“
© Gerhard K. Nagel
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