Die Korrekturen der Lust und das Fremde

PRgeb2von Buchstabenprinzessin Ramona Ambs

Die deutsche Sprache ist eine reiche und schöne Sprache. Es gibt Wörter, die klingen so schön, dass man sofort auf die Knie fallen möchte und ihnen ein Huldigungsgedicht vortragen will. (Durchlauferhitzer wäre so ein Wort. Hinreißend ist es! Anbetungswürdig! Wahr! Grandios, ehrlich und unvergleichlich!)
– Allerdings ist die deutsche Sprache voll von absurden Regelungen, auf die die Deutschen sonderbarerweise sehr stolz sind. Selbst Leute, die sich sonst gern anarchisch geben, werden bei Orthographie zu Regelfetischisten (was ich kürzlich schon ausführte). So gibt es allerorten Genitiv-Nerds, Komma-Fuzzis und Grammatik-Anbeter, die zwar jede Abweichung von der Norm in einem Text bemerken, und in einem spontanen Anfall, der einem intellektuellen Orgasmus nahe kommt, innerlich den Penis- äh nee, pardon, ich meinte natürlich – den Rotstift spitzen und alles dick, fett und tiefrot unterstreichen und es dann hernach lautstark nach außen zu verurteilen. Andererseits haben eben diese oft keinerlei Gefühl für Rhythmus und Melodie eines Textes oder die Schönheit eines einzelnen neuen Wortes. Sie mögen keine Füllwörter und sie mögen keine Abkürzungen. Sie bestehen auf komplizierte Satzkonstruktionen, die dafür sorgen, dass der Plebs draußen bleibt. Echt deutsch halt.

Und sie haben hierzulande eine lange Tradition. Der Totengesang auf die deutsche Sprache durchzieht die Geschichte der akademischen Eliten:
Schon Schopenhauer wettere: „Der hohe Werth des Studiums der alten Sprachen beruht zu Theil darauf, daß wir lernen vor Grammatik und Lexikon Respekt zu haben: wäre es mit Ersterem bei den meisten unserer Sprachverbesserer nicht so elend bestellt; so würden sie nicht so freche Eingriffe in die Regeln und Wörter der Deutschen Sprache thun. – Ohne eine Ahndung davon, daß das Treffende, Bezeichnende, Genaue des Ausdrucks es ist, worauf es ankommt, sind sie bloß bemüht, Silben und Buchstaben abzuzählen, bereit, sich in allen Fällen mit dem à peu pres zu contentiren und dem Leser Einiges zu errathen übrig zu lassen, wenn es nur ein Paar Buchstaben weniger giebt. Dahin geht all ihr Denken und Trachten, und jeder Sudler legt, ohne Umstände, seine Tatzen an, die deutsche Sprache zu verbessern. – Was würde aus der Lateinischen, was aus der Griechischen Sprache geworden seyn, wenn Griechen und Römer sich einer solchen niederträchtigen Buchstabenzählerei ergeben hätten?“ und weiter führt er aus: „Das Schlimmste an der Sache ist, daß allgemach eine junge Generation heranwächst, welche, da sie stets nur das neueste liest, schon kein anderes Deutsch mehr kennt als diesen verrenkten Jargon des impotenten Zeitalters, welches sich ein Gewerbe daraus macht, die deutsche Sprache zu demolieren.

„An deiner Sprache, Deutscher, halte fest!
Weh dem, der diesen Schatz sich stehlen läßt:
Wer erst beginnt, das reine Wort zu fälschen,
Dem kann gar bald auch Kopf und Herz verwälschen.“
warnte auch Otto von Leixner. Das galt allerdings nur für Männer, denn Frauen waren, seiner Meinung nach, ohnehin nicht zu differenzierten guten Gedanken fähig:

„Unter den modernen Weibern greift der Geist der Vaterlandslosigkeit immer mehr um sich.(…) Es ist nöthig, die deutsche Frau auch in den Dienst des deutschen Gedankens zu stellen. Diesem aber widerspricht (…) die politische Streberei der Weiberrechtlerinnen!“

Friedrich Ludwig Jahn, der olle Turnvater, der aus Gründen . ! . kein Abitur machte, dafür aber ein Studium ohne Abschluss, sagte: “Ein Volk, das seine eigene Sprache verlernt,gibt sein Stimmrecht in der Menschheit auf und ist zur stummen Rolle auf der Völkerbühne verwiesen.“ und weiter: „Unglückliches Deutschland! Die Verachtung deiner Muttersprache hat sich fürchterlich gerächt. Du warst schon länger dir unwissend durch eine fremde Sprache besiegt, durch Fremdsucht ohnmächtig, durch Götzendienst des Auslandes entwürdigt. Nie hätte dein Überwinder so vielfach in einem andern Lande gesiegt, wo die Vergötterung seiner Sprache nicht mitgefochten […] Diese Sprache hat deine Männer betört, deine Jünglinge verführt, deine Weiber entehrt. – – – Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edeln lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nieversiegenden Urborn, grabet die alten Quellen auf, und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe!
Und last: der wagemutige Richard Wagner sah die Sprache ebenfalls massiv bedroht: „Selbst seine Sprache, dieses einzige heilige, durch die größten Geister ihm mühsam erhaltene und neugeschenkte Erbe seines Stammes, sieht der Deutsche stumpfsinnig dem Verderbnisse preisgegeben.“
Man könnte diese Reihe beliebig und endlos fortsetzen… aber es gibt ja auch eine Gegenwart.

Die neuen Totensänger kommen natürlich viel gediegener daher als ihre Vorgänger. Sie sprechen allerdings ein deutsch, das man damals vermutlich als echt hammer-mega-krass-unterirdisch kategorisiert hätte. YOLO. Das hält sie natürlich nicht ab, an diesen alten deutschen Traditionen festzuhalten.
Uwe Hinrichs beispielsweise , hat nun in der Zeit Nr. 16 einen Artikel (Die deutsche Sprache wirft Ballast ab) verfasst, in dem er den Niedergang der Sprache unter anderem an den Migranten- und der „Multikulti-Schikeria“ festmacht: „den Sprachehütern gegenüber steht eine Multikulti-Schickeria, die jede Sprachmischung erst mal pauschal verherrlicht, aber oft naiv-romantisch daherkommt.“ Das heißt soviel wie: Die Romantischen sind unser Unglück. Sprachlich betrachtet jedenfalls. Sie befördern zumindest die sprachlichen Parallelwelten. Und denen hängt ja immer was Verruchtes an. Von der Parallelwelt zur Unterwelt ist es bekanntlich nur ein kleiner Schritt. -Sage keiner, er sei nicht gewarnt worden.
Defacto ist der Artikel übrigens nur eine verkürzte Neuauflage seines Buches MULTIKULTIDEUTSCH von 2013. Darin hatte er ebenfalls schon die vielen Neuzuwanderer als Sprachverderber ausgemacht. Verkürzte Präpositionen, Erosion der Wortendungen, grammatikalischer Umbruch, das Verschwinden und Vermischen von Genitiv, Dativ und Akkusativ und neue Fremdwörter- kurz: Man spricht seiner Ansicht nach immer schlechter deutsch, man vereinfacht und pfeift auf korrekten Satzbau. Schon damals blieb er empirische Beweise- oder wenigstens nachvollziehbare Untersuchungen schuldig. Ist ja auch nicht so wichtig. Wichtig ist nur eine neue Stimme im Chor des Untergangs zu singen. Gewisse Traditionen sind halt wichtig.

Lustigerweise auch denen, die die ursprünglichen Regeln gar nicht (mehr) beherrschen. Kürzlich korrigierte mich ein Mann, als ich zu meinem Begleiter sagte, dass die Straße wohl noch wegen des Regens nass sei. Er hielt mich offenbar für fremd, klopfte mir wohlmeinend auf die Schulter und sagte gaaanz langsam: „Wegen dem Regen ist die Straße nass. Der Regen heisst das. Regen, you know, rain, ist männlich in german!
Ich habe mich übrigens bedankt. Ich wollte mir den Genitiv eh schon lange abgewöhnen…
P.S. Ich halte es übrigens am liebsten mit Molière: Wer so spricht, dass er verstanden wird, spricht immer gut.

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