„Die Rückständigkeit der Schweizer Mannen“


Lilo König gehört zu denen, die schon vor 1971 für die Einführung des Frauenwahlrechts gekämpft haben. Mit Gastprinzessin Stefan Laurin sprach die Zürcherin jetzt darüber, wie sie die Zeit, in der „Die Göttliche Ordnung“ spielt, erlebt hat.


Prinzessinnnenreporter: Wie hast Du die Einführung des Wahlrechtes damals erlebt? Warum hat es so viel länger als in den anderen Ländern gedauert?

Lilo König: Nun – ich war eine Mitbegründerin der autonomen Frauenbewegung und für uns war es klar, dass die Forderung nach einem Stimmrecht für Frauen nicht genügt. Wir haben damals sogar ein Flugblatt mit dem Slogan „Ein HERRliches Ja für ein dämliches Stimmrecht“ verteilt.
Dass es so lange gedauert hat, hat bestimmt viele Gründe, einer davon ist sicher die Selbstgerechtigkeit und Rückständigkeit der Schweizer Mannen und die Ignoranz der politischen Parteien, auch der Sozialdemokratische Partei (SP) was Internationalität und Menschenrechte betrifft.
Wir kämpften damals in erster Linie für den legalen Schwangerschaftsabbruch, für die Freigabe der Antibabypille, bessere Bildungschance für Frauen, Lohngleichheit, Repressionsfreie Kindergärten und Schulen und für autonome Frauenzentren.

Prinzessinnnenreporter: Es ging also nicht nur um das Wahlrecht?

König: Für uns junge Frauen reichte es in der Tat nicht. Außerdem konnten über 20 Prozent der ausländischen BürgerInnen nicht mitbestimmen und das hat sich bis heute nicht geändert.

Prinzessinnnenreporter: In dem Film sind auch Frauen zu sehen, die gegen das Wahlrecht waren. Was waren ihre Argumente?

König: Meisten waren die Argumente auf dem Niveau der billigen Romanheftchen. „Unsere Männer machen es schon recht und wissen was richtig ist – Die Familie braucht Mütter und keine Emanzen – Kinder gehen vor – Es hat sich nirgendwo bewährt, dass Frauen den Männern sagen, wo es lang geht – Das gibt nur Krach in der Ehe – Was passiert in der Familie, wenn die Frau anders abstimmen will und andere Kandidaten wählt. Und so weiter…

Prinzessinnnenreporter: Wieso war die SP in der Frage nicht offensiver?

König: Bis jetzt sind wir (die Schweizens) immer gut gefahren, und (was wichtig ist) – wir lassen uns von draussen (gemeint ist das Ausland) nichts vorschreiben.
Bei der SP war Mann natürlich nicht dagegen und es gab auch viele Exponenten, die sich durchaus und selbstverständlich für das Frauenstimmrecht einsetzten. Aber eben nicht so enthusiastisch und kämpferisch, wie es nötig gewesen wäre.

Prinzessinnnenreporter: Wieso hat es dann trotzdem am Ende für ein so deutliches Ergebnis gereicht? Wo standen die Medien damals in dieser Frage?

König: Es war – glaube ich – der dritte Anlauf mit dieser Initiative. Alle früheren wurden abgelehnt. Die Medien waren, soweit ich mich erinnern kann, bis auf ein paar reaktionäre Blättchen, durchgehend pro eingestellt.

Prinzessinnnenreporter: Die Zeit war einfach reif, die alte Regel aus der Zeit gefallen?

König: Ja, etwa so. In der Schweiz braucht es für alles mehrere Anläufe, siehe auch ein möglicher Beitritt in die EU.

Prinzessinnnenreporter:
Habt ihr denn Eure anderen Ziele erreicht? Abgesehen vom Wahlrecht für Migranten.

König: Jein – mit einigen Abstrichen, zum Beispiel beim Schwangerschaftsabbruch (3 Monateregelung), das Konkubinatsverbot wurde abgeschafft, es gab sehr schnell ein Frauenzentrum, einige repressionsfreie Kindergärten und auch frauenspezifische Anliegen in der Wohnpolitik etc. wurden berücksichtigt usw. Die Machtverhältnisse blieben jedoch gleich

Prinzessinnnenreporter: Was war das Konkubinatsverbot?

König: Ohne verheiratet zu sein durfte man nicht mit dem Freund oder der Freundin in der gleichen Wohnung leben. Das wurde sogar manchmal von der Polizei überprüft. Umgehen konnte man das nur, wenn es einen zweiten Zugang zur Wohnung hatte!

Prinzessinnnenreporter:
Eine letzte Frage: Was sind heute die wichtigsten Forderungen und habt ihr noch die Dynamik, die ihr damals offenbar hattet?

König: Es gibt durchaus junge feministische Frauen die in letzter Zeit vermehrt aktiv sind. Vermutlich auch wegen der Women’s March Bewegung. Manchmal fragen sie im Sozialarchiv nach, wie es damals war. Das Sozialarchiv hat sehr vieles gehortet, auch mein Zeugs habe ich ihnen überlassen und dann nehmen sie mit mir Kontakt auf.
Aber die Fantasie, die Dynamik, den Durchsetzungswillen aber auch die künstlerische Seite von damals, bringen sie leider nicht mehr her. Ich befürchte, sie wissen nicht einmal, wem sie ihren heutigen Status zu verdanken haben. Und abgesehen davon gibt es immer noch keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, verschwiegen denn gleiche Aufstiegs – und Bildungschancen
Viele von uns und ich besonders, waren gleichzeitig immer noch in gemischten Gruppen aktiv. So zum Beispiel in Soli-Bewegungen für Afroamerikaner, Antiapartheidbewegung, in der Homosexuellen-Arbeitsgruppe und in einer Künstlerinnengruppe namens PRODUGA (Abkürzung für Produzentengalerie), das war ein selbstverwaltetes Künstlerkollektiv mit eigener Galerie, die vornehmlich kritische Kunst und gesellschaftskritische Kunstausstellungen machte.

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