Von unserem royalen TV-Kritiker Jürgen Kasek
Liebes RTL 2,
ihr schreibt zur neuen Serie (Start am Montag, 12. November, um 20:15 Uhr), die bereits die Bravo und sonstige Postillen gefeatured haben:
„Leipzig ist jung, dynamisch, liebenswert, modern und herzlich. Eine Stadt für Trendsetter und alle, die es werden wollen. Die neue Vorabend-Soap ‚Leben. Lieben. Leipzig‘ greift das hippe Lebensgefühl von Sachsen größter Metropole auf.“
Das Storyboard ist offensichtlich aus der Vorhölle zusammengeklaubt und hat so gar nichts mit Leipzig zu tun.
Die Hauptdarstellerin, die ihr Dasein offenbar im Solarium fristet, betreibt eine Frittenbudde und hat sich wahrscheinlich zum Ziel gesetzt, sämtliche Klischees über naive Blödchen zu erfüllen. Ist damit aber in guter Tradition zu Melanie Müller, die eine Würstchenbude betreibt und die ihr in eurem geistigen Delirium wahrscheinlich für eine Trendsetterin haltet.
Nur mal für euch Nullchecker: Feminismus zum Beispiel ist in Leipzig hip, überkommene Rollenklischees zu featuren eher nicht.
Ziel der Hauptdarstellerin ist es übrigens, Werbegesicht für das L1 zu werden, weil „das Leipzig angesagtester Club“ sei. Öhm, ja also nein. Das L1 ist nun gerade nicht hip, sondern genau der richtige Ort, wo sich Wannabees, die keine Ahnung von Clubkultur haben, gehen lassen und den Eindruck haben sie gehören zu den Schönen und Reichen.
Hip, ein Wort aus der Jugendsprache, heißt übrigens zeitgenössisch, trendy und früher auch fortschrittlich. Also genau das Gegenteil von den den Rollenklischees und Vorstellungen mit denen ihr Leipzig in Verbindung bringen wollt.
Dazu kommt dann noch der männliche Hauptdarsteller, Ex-Bundeswehrsoldat, der eine Go-Go-Bar mit seinem Bruder betreibt. Ich weiß nicht in welchen bemitleidenswerten Parallaluniversum ihr lebt: aber Go-Go Bars und Bundeswehrsoldaten? Offensichtlich haben die Drehbuchschreiber als Kinder zu nah an der Wand geschaukelt, anders ist dieser Unsinn nicht zu erklären.
Leipzig ist übrigens eine Studentenstadt und Hochburg einer jungen kreativen Szene, deren Traum von Selbstverwirklichung aber so gar nichts mit dem zu tun habt, was ihr als Lebensgefühl beschreibt.
Das trendige Lebensgefühl von Leipzig, das es gibt, ist nun gerade nicht an den Orten, die ihr vor Augen habt, da ihr die Stadt nicht kennt. Ich könnte euch jetzt verraten, wo die sind, aber dann kommt noch irgendein Vollhonk auf die Idee, wirklich dahin zu gehen, und versaut es völlig.
Anders gesagt, wem „Leben.Lieben.Leipzig“ gefällt, gefallen bestimmt auch die Teletubbies oder andere angesagte, hippe Serien mit einem trendy Lebensgefühl. Und die können dann auch gerne ins L1 gehen, Frittenbudden eröffnen, ihre Freizeit damit verbringen Selbstversuche durchzuführen, ab wieviel Solariumbesuchen das Hautkrebsrisiko deutlich steigt und so weiter. Aber bitte tut mir einen Gefallen: Kommt nicht nach Leipzig.
Mit Grüßen
Jürgen Kasek
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