Das Vorrundenaus erlebte ich in meinem sehr gut sitzenden, neuen Anzug der Marke „Tiger of Sweden“. Selbstverständlich ein subtiles Signal der insgeheimen Hoffnung, dass das schwedische Team nebenan sein Übriges tun würde, um unser aller Traum wahr werden zu lassen. Die erste Halbzeit schlenderte ich durch die Stadt mit selbstgedrehten Zigaretten und einem kühlen Kräuterschnaps. Am Kiosk meines Vertrauens, betrieben durch eine Familie syrischer Jesiden, hielt ich an, um einen weiteren Kräuterschnaps zu kaufen und stellte mit unverhohlener Schadenfreude fest, dass die erste Halbzeit gerade mit einem 0 zu 0 endete.
Der Kioskboss, ein liebevoller Familienvater und chronisch überarbeiteter Mann, dessen sechsfaches Eigentum in Syrien zerbombt und/oder abgefackelt wurde, der hier nun tagein tagaus ein neues Leben anfängt und mit Alkoholverkäufen die horrende Ladenmiete reinzuholen und das Beste rauszuholen versucht, brachte seine Einstellung folgendermaßen auf den Punkt: „Ich bin großer Fan der deutschen Fußballmannschaft, aber wer so scheiße spielt, fliegt halt raus, ich bekomme hier schließlich auch nichts geschenkt!“
Ich flanierte weiter durch die leergefegten Straßen. Die sonderbare Ruhe im Viertel ließ darauf schließen, dass auch die zweite Halbzeit ganz in meinem Sinne verlief. Beim Dönerladen nebenan sah ich dann den Rest meines Sommermärchens und blieb dann einfach auf dem Bürgersteig stehen, um ein Bad in der traurigen Menge zu nehmen, die tränenreich an mir vorbeiströmte.