ZEITmagazin La La Land

Titel_Spezial_720x600Sie lieben Deutschland, stehen fest an der Seite Harald Martensteins und lehnen jede Kritik an Marion Gräfin Dönhoff ab. ZEITmag-Redakteure sind eine sehr seltsame Gruppe innerhalb der bourgeoisen Presse. Ursprünglich wollten sie nur mal über den roten Teppich beim Deutschen Filmpreis flanieren und sich am Büfett gütlich tun – und haben sich dabei furchtbar überfressen. Was sind das eigentlich für Leute? Eine Reise in die Redaktion.
Von PR♕-Reporterin Marit Hofmann

Eigentlich verwahren sie sich gegen Lügenpresse-Vorwürfe, sie seien schließlich Qualitätspresse. Aber dann fielen inmitten der Selbstbeweihräucherung einige bemerkenswerte Sätze des Kolumnisten Martenstein, der die Lügenpresse-Schreier verteidigte und AfD-Positionen vertritt: „Zuerst lässt man Hunderttausende herein, ohne sie sich vorher genau anzuschauen. Eine humane Großtat war das nicht. Die Opfer von Terroranschlägen sind nämlich auch Menschen.“
Das Zeitmagazin, verrät Wikipedia, bringt regelmäßig themenbezogene Sonderausgaben, die „u. U. eine größere Anzahl von Anzeigenseiten“ beinhalten, „so z. B. die Reihe Designheft oder seit 2008 das jährliche Uhrenspezial, das sich dem Thema Uhren widmet“. Die weitere Recherche führt ins Archiv, zu Ausgaben mit der Schnarchgesprächsreihe Giovanni di Lorenzos „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ und Wolfram Siebecks Edelcuisinetipps. Man präsentiert sich als Sprachrohr einer kulturellen und politischen Elite mit dem Schlachtruf „Deutschland muss wieder Ansehen gewinnen, damit wir im Ausland die besten Plätze am Pool bekommen!“
In einem mondänen Café in einer großen deutschen Hansestadt schält sich ein dicker alter Mann aus einem Lodenmantel und einem Kaschmirschal. Theo ist 79 Jahre alt. Er heißt eigentlich anders, seine Kollegen im Büro, das stellt der Geisteswissenschaftler ganz am Anfang des Gesprächs klar, sollen nicht wissen, wie er privat tickt. Theo kennt das Leben da draußen nur aus dem Arte-Programm. Jeden Tag fährt ihn sein Chauffeur in die Redaktion, wo der Redakteur seine Sekretärin elektronische Post beantworten lässt. Um die Jahrtausendwende hatte er sich der „Zeitmag“-Redaktion angeschlossen, die vorgibt, über das wahre Leben da draußen Bescheid zu wissen. Statt zu recherchieren, schickt er einen Praktikanten nach draußen, der zwei bis drei unglaubwürdige „Zeit“-Zeugen auftreiben soll.
Es begann eigentlich harmlos. Theo hörte gern Wagner-Opern und aß gern gut, konnte aber nicht kochen. Zum ersten Mal sah er die Gefahr, nicht genug Geld für seinen hohen Lebensstandard zu haben, als er 14 Jahre alt war. So suchte er sich einen anständigen Redakteursposten.
So begeistert vom Edelfederjournalismus wie als Jugendlicher ist Theo heute nicht mehr. Die Gehälter werden nicht mehr erhöht, die Büfetts und Pressereisen haben deutlich an Niveau verloren. Einige seiner Kollegen finden, dass Thilo Sarrazin eigentlich recht hat. Theo ist irgendwann in den letzten Jahren skeptisch geworden, ob sein schwarz-weißes Operettenbild von der Welt eigentlich mit der Realität vereinbar ist und ob es tatsächlich diese Online-Welt gibt, von der die Sekretärin ihm so oft erzählt.

Hinter der Geschichte:

Mehr als ein Jahr lang recherchierte Marit Hofmann für diese Reportage. Sie sprach insgesamt mit ein bis zwei ZEITmagazin-Redakteuren, von denen die meisten nach einer Bedenkzeit doch nicht zitiert werden wollten.

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Dieser Beitrag wurde am 17. März 2017 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 1 Kommentar

Ein Gedanke zu „ZEITmagazin La La Land

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