George Soros ist zum liebsten Hassobjekt von Verschwörungstheoretikern, neuer Rechter und Putins Agit-Medien geworden: Ein Jude, der sich für die Demokratie einsetzt, ist wohl einfach zu viel für die internationale der Aluhüte und ihre Einpeitscher. Anmerkungen von unserer Ruhrbarone-Gastprinzessin Stefan Laurin und Elke Wittich.
George Soros unterstützt seit fast 40 Jahren linke und demokratische Einrichtungen. Und weil Georg Soros ein sehr reicher Mann war und ist, tut er das mit viel Geld – unter anderem förderte er demokratische Gruppen in der Ukraine, die „Reporter ohne Grenzen“ und zu Ostblock-Zeiten auch die polnische Gewerkschaft Solidarnosz.
Für US-Milliardäre ist das nichts besonderes. Statt auf den Staat zu vertrauen, vertrauen sie lieber auf sich selbst und ihre Fähigkeiten – sie haben große Unternehmen gegründet und geleitet, also glauben sie auch, dass sie große Hilfsorganisationen gut leiten können. Und es spricht nicht viel dagegen, dass sie Recht haben: Bill und Melinda Gates engagieren sich mit ihrer Stiftung im Bereich der Entwicklungshilfe und Gesundheitsförderung, Star-Wars-Macher George Lucas unterstützt amerikanische Schulen, Apple-Mitgründer Steve Wozniak ist als Finanzier von Konzert- und Ballettveranstaltungen bekannt, die Stiftung der Hilton-Erben gibt ihr Geld für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung in der 3. Welt aus.
Und George Soros´ „Open Society Foundation“ liegt die Demokratie am Herzen.
Das hängt mit der Biografie ihres Gründers zusammen: Soros stammt aus einer jüdisch-ungarischen Familie. Sein Vater Tivedar war Mitglied der Esperanto-Bewegung, die davon träumte, die Menschen durch eine gemeinsame, leicht zu lernende Sprache über alle Grenzen hinweg zusammen zu bringen – George gilt heute übrigens als einer von rund 1000 weltweiten Esperanto-Muttersprachlern, weil er die Kunstsprache von klein auf lernte.
Die Familie Soros überlebte die Nazi-Zeit dadurch, dass sich die Erwachsenen als Christen ausgaben und aus Sicherheitsgründen getrennt voneinander lebten. Nur manchmal traf man sich wie zufällig, trank zusammen Kaffee und ging wieder auseinander – Tidevar Soros hatte dieses Überlebenskonzept auf Basis seiner Erfahrungen während seiner Inhaftierung in Sibirien während des 1. Weltkriegs entworfen. (1965 beschrieb er in seinem Buch Maskerado ĉirkaŭ la morto (deutscher Titel: Maskerade um den Tod herum), wie es ihm gelang, seine Frau, die beiden Söhne, die Schwiegermutter und etliche Bekannte vor den Nazi-Massenmördern zu retten.
(George Soros spricht anläßlich der Wiederveröffentlichung des Buches über seinen Vater: )
1947, er war damals 17 Jahre alt, floh der damals noch György heißende George Soros vor dem Stalinismus nach England, wo er zu Beginn der fünfziger Jahre über Karl Popper promovierte. 1956 zog er in die USA, wohin auch seine Familie nach der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn emigirierte.
George Soros wurde mit Finanzgeschäften reich und mit einem Teil seines Geldes unterstützt er nun einmal Projekte, die ihm wichtig sind. Doch weil Soros Jude und in der Finanzwirtschaft aktiv ist, eignet er sich für Verschwörungstheoritker, Neue Rechte und Putins Medien besonders gut als Hassfigur: Für Jürgen Elsässers Compact ist er der „gefürchtete Investor und Hedgefondsmanager, der sich in Teilzeit um die Finanzierung bunter Revolutionen und Umstürze im Nahen Osten und in der Ukraine kümmert“, für die rechte Budapester Zeitung ist ist klar: „Er will Macht. Er will politischen Einfluss in der Welt, er will über das Schicksal von Völkern und Nationen entscheiden. Er will die Deutschen und die Ungarn für ihre vermutlichen und tatsächlichen Sünden bestrafen und die ihm nicht gefälligen Regierungen stürzen.“ und Putins Sputnik sieht in gar als Papstmacher: „ Kritische Katholiken werfen der US-Administration unter Trumps Vorgänger Barack Obama vor, einen „Regime-Change“ im Vatikan orchestriert zu haben, wobei sie Soros eine Rolle zuschreiben. Sie beschuldigen ihn, den „richtigen Mann” an die Spitze des Vatikans gebracht zu haben, und fordern von US-Präsident Trump „er möge dagegen ermitteln und das klären“.
Da haben wir so beinahe alle antisemitischen Stereotypen zusammen: Der jüdische Kosmopolit, der aus dem Hintergrund die Geschicke der Welt lenkt, nach der Macht über dieselbe greift, westliche Ideale wie Demokratie vertritt und natürlich auch noch im Alleingang bestimmt, wer Papst wird.
Die Mythen über Soros sind jedenfalls ein guter Beleg dafür, dass keine autoritäre Bewegung ohne Antisemitismus auskommt.
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Das Verblüffende am Antisemitismus ist, dass er sogar gänzlich ohne Juden auskommt, und dass er auch jenseits autoritärer Bewegungen ein gutes Auskommen hat, zeigen die letzten Jahre in Westeuropa und den USA.
Nun ja, mit Feindbild lebt sichʼs einfacher … frei nach Volker Pispers, dann hat der Tag Struktur.