Eine Rezension der Balletts Brahms/Balanchine an der Staatsoper Hamburg. Von unserem Eintänzer Harald Nicolas Stazol
Wer die Hauptstadt des deutschen Balletts ist, hat sich sich am
Wochenende entschieden, ein für alle Mal! In der mehr als die Premiere
die Staatsoper definierende Generalprobe – mit mehr Publikum als
ebenfalls bei der Premiere, „Brahms/Balanchine“.
Bezaubernderes hat man lange nicht gewärtigen können, schon der erste
Akt bietet einen wunderbaren Blick in einen Ballsaal des Biedermeier,
vier Paare tanzen schönsten, präzisesten Walzer zu Liedern von
Johannes Brahms, dem Kind der Hansestadt, es sind vier Stimmen, die in
romantischem Tone singen zu Klavier zu vier Händen. Eben noch stand
Alexandre Riabko, der geheime Star des Abends, rauchend und schön und
ehrfurchtgebietend bei den Wartenden am Bühneneingang – immer wieder
fragen Ballettliebhaber flehentlich um Karten – , und niemand ahnt, wie
hoch er gleich springen wird, denn schon sind wir, nach frenetischem
Applause zur Pause und Begeisterung im Foyer, im zweiten Teil:
Hier erhebt sich wie in einem einzigen Sprunge die Vielzahl des
Ensembles, dessen schiere Größe man fast vergessen hat. John Neumeier
bedient sich dazu „der Besten“ aus seiner Ballettschule, man denke nur
an die Zwillinge Jiri und Otto Bubenicek, sich ähnelnd wie ein Ei dem
anderen, was in der Ballettwelt einzigartig ist, weltweit. Es ist
wenig bekannt, dass Arnold Schönberg das Klavierquartett von Johannes
Brahms im Jahr 1930 orchestrierte, er hielt es für die letzte
Symphonie des Komponisten und hielt sich daran:
„Brahms/Schönberg Quartett“ heißt die orchestrale Verarbeitung, und
nun entfaltet sich das „Corps de Ballet“ ganz, ebenso wie das
Philharmonische Staatsorchester Hamburg, das zu flächigen Szenen ganz
in Brahmsscher Tradition des feinen-verwobenen spätromantischen Stiles
malt – und dann klingt das „Ronda alla Zingaeres“, an die „Ungarischen Tänze“
erinnernd, auf und die Élèven in entzückenden Trachten umrahmen die
Solisten Madoka Sugai und Karen Azatyan eben ganz fehlerlos-leicht.
Die Choreographie aus dem Jahr 1966 des Jahrhundertgenies Georg
Balanchine ist eben darum meisterhaft, und auch meisterhaft umgesetzt
– und nach donnerndem Applaus und fünf Vorhängen leeren sich die
Logen, Hamburg flüstert sich gegenseitig zu „Das war ein Ereignis der
Sonderklasse.“
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„Hier erhebt sich wie in einem einzigen Sprunge die Vielzahl des
Ensembles, dessen schiere Größe man fast vergessen hat.“ – Ja ja. Gab es Häppchen? Was gibts überhaupt in den Pausen beim Ballett?