Von unserem Fashion-Experten Lord Harald Nicolas Stazol
Nun gut, seien wir ehrlich und das Beste vorweg: Deutschen Männern Mode beibringen zu wollen ist, wie den Klimawandel stoppen, Trump entmachten, die Queen zum Tee bitten oder die Isis befrieden – unmöglich und eigentlich sinnlos (na ja, das mit der Queen würde ich wohl noch hinkriegen) . Ich war zehn Jahre lang für Fashion im „Stern“ verantwortlich und konnte selbst durch aufwändigste Fotoshootings mit Sixpackjungs und heißer Wäsche und einer damals noch existierenden Millionenauflage weder die Sandalen noch die weißen Socken darin noch die sackartigen Fjäll-Räven-Jacken in Schlammfarben noch die Camel Boots oder die Schlabberjeans aus dem Straßenbild entfernen. Sehen Sie diese Zeilen also, werter Leser, als einen letzten Versuch, ein Aufbäumen gewissermaßen von meiner Seite auf dieser Seite, bevor ich mich in Embryonalstellung in eine letzte, stabile Seitenlage bringe und die Sache endgültig lasse – aber ich verlasse mich auf das erlesene Publikum der Prinzessinnenreporter und gebe die Hoffnung nicht auf.
Gerne erinnere ich mich eines Spaziergangs durch Kowloon, als Hong Kong noch Kronkolonie war und die Welt also in Ordnung, als mich auf der Strasse nicht weit vom Peninsula Hotel ob meiner Gucci-Slipper ein junger Chinese anspricht: „You are very elegant, Sir, surely you need a Tailor“, ich bräuchte einen Schneider – und ja, meine Herren, wer bräuchte den nicht? Und jetzt habe ich einen, und das Kaschmirsakko, den Nadelstreifenanzug, die beiden Hosen, sechs Hemden, das alles für unter zweitausend Dollar habe ich heute noch und die Investition keine Sekunde lang bereut!
„Ein Schneider, was ist das?“, würde mich wohl der nette Herr im Bus fragen mit seiner Multifunktionshose und dem Holzfällerhemd und den Wanderschuhen. Überhaupt die Sportswear! Warum sehen viele Männer eigentlich so aus, als kämen sie vom Turnen oder seien auf dem Weg dahin oder mitten dabei? Außer eines gewissen, mitleidigen Blicks meinerseits und einem bedauernden Kopfschütteln und einer kleinen, leisen Träne im maßgeschneiderten Knopfloch bleibt mir auch nichts übrig, und ich fühle mich wie Don Quichotte im Kampf gegen ein Windkraftwerk, aber das ist eine andere Geschichte, Weltliteratur, und ähnlich stur WERDE ICH DEN KAMPF NICHT AUFGEBEN! NIEMALS!!! („Ruhig bleiben, Mylord, denken Sie an ihren Blutdruck!“, sagt nun mein imaginärer Butler und schenkt mir einen Single Malt ein, also weiter im Text …)
Es kann doch nicht so schwer sein, in ein Sakko zu schlüpfen, wenigstens testweise? Dem nächsten Herren der Schöpfung, der mir im unförmigen Wollpulli samt Kapuzenjacke und Beulenjeans in der Elbphilarmonie begegnet, ich schwöre, dem breche ich die Beine – „Ruhig bleiben, Mylord“ – na gut, ich spucke ihm vor die Füße, nein; ich werde mein freundlichstes Prinzessinnenreporter-Gesicht aufsetzen und leise-tadelnd sagen: „Aber, mein Herr, haben Sie denn gar keinen Respekt vor den Künstlern?“ Doch was soll man tun in einem Land, in dem der Konfirmations- oder Tanzstundenanzug genau einmal getragen wird, um nach drei Jahren ungenutzter und nutzloser Zeit im Kleiderschrank weggegeben zu werden? Womit wir zu einem äußerst wichtigen Punkte gelangen: MODE MUSS NICHT TEUER SEIN!
Wissen Sie, wer einer der besten Herrenausstatter der Welt ist? Die Caritas. In Ingolstadt, genauer, im Gewerbegebiet Friedrichshofen, gar nicht weit von der Autobahnausfahrt Ingolstadt Nord. Dort findet man Designersakkos aus obengenannten Beständen für 5 Euro und Seidenkrawatten von Scabal und Hermès und, deutlich eine Klasse darunter allerdings, Hugo Boss, Neupreis 170 Euro, für einen (!) Euro, und ich bin mir ziemlich sicher, dass solche Outlets sich in der ganzen Republik finden lassen, und ganz in Ihrer Nähe, meine Herren! Ich selbst kaufe dort Binder im Dutzend und verschenke sie dann das ganze Jahr über an Freunde, und solche, die es werden wollen, in der Hoffnung, dass die Saat des Stils irgendwann doch noch aufgeht, und siehe! manchmal geschieht dies auch.
Vorausgesetzt natürlich, Sie wissen noch, wie man sich eine Krawatte bindet – ich gebe zu, eine Fliege binden gehört schon zur Kür und gelingt mir selbst nicht immer auf Anhieb – der Mega-Dandy Beau Brummel soll seine sofort weggeworfen haben, wenn es nicht auf Anhieb klappte, und Karl Lagerfeld zieht seine Crêpe-de-Chine-Hemden nur einmal an, aber man(n) muss ja nicht gleich übertreiben …
Es würde schon ein Quentchen der Übertreibung reichen: Weg mit den Cordhosen, alles Schuhwerk verbannt, das Gummisohlen von einem Zentimeter übersteigt, die Sportsocken verbrannt und den Hoodie bitte nur auf dem Fahrrad, wenn überhaupt! Aber wem sage ich das, Ihre Frau wird da sicher gerne assistieren.
Zurück zum „Stern“: Als meine Ära dort aus schon andernorts publizierten Gründen zu Ende und ich wie eine Sternschnuppe verglüht war, entblödete man sich dort nicht, gegen rosa Hemden zu schreiben, die seien „schwul“ – überhaupt DAS Hauptargument Otto Normalos gegen übertriebene Eleganz . Der „Experte“, der sich zu diesem Schwachsinn verstieg, übersah wohl, dass Winston Churchill und Tony Blair, von dem man halten kann, was man will, zum Amtsantritt bei schon erwähnter Queen, keine Scheu hatten, in Hemdfarben aller Couleur, und eben auch in Rosa erschienen und ihren Diener machten. Aber der „Stern“ schreibt heute noch das Mekka des guten Geschmacks für den cosmopolitan Gentleman, die Londoner Savile Row, mit Doppel-L.
Äußern wir uns also zur bevorstehenden Saison, dem Winter 2018: Ein doppelreihiger, kamelfarbener Kaschmirmantel wirkt wahre Wunder und hält ein Leben lang. eine Barbourjacke – bitte, bitte nicht gesteppt! Wir sind ja verzweifelnd nicht auf der Kö oder der Maximilianstraße oder dem Neuen Wall, eine sehr viel jüngere Ukrainerin am Arm mit der Hand an der väterlichen Brieftasche. Mut zur Farbe kann auch nicht schaden, seien Sie sich doch mal ein Dunkelblau wert oder auch ein Himmelblau, und, wenn Sie richtig wagemutig sind, ein Knallrot, denn das Leben ist kurz und in Aubergine oder Grau kann man(n) sich ja beerdigen lassen … Tun Sie sich die Ehre an, meine Herren! Verzichten Sie auf den Turnschuh, überlassen Sie den Schlamm den Senioren (bei denen übrigens auch keine Notwendigkeit für dauernde Erdfarben besteht …), und seien Sie mutig! Überhaupt: Nur Mut! Es kann gar nichts schiefgehen! Alles ist besser als der Durchschnitt!
Damit, Gentlemen, komme ich zum Ende meines Plädoyers – ich hoffe inständig, es war nicht wieder umsonst. Nun schnüre mir meine englischen Brouges, natürlich hochglanzpoliert, ziehe Omas Nerz an und an meinem Zigarillo und werfe mich in die staunende Öffentlichkeit – das beste Mittel gegen Depression oder auch nur einen Blues, wie meine altehrwürdige Mutter sagen würde: Zieh Dich schön an und geh raus!
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