Mit der Dokumentation „Royale Kindheit – Prinzen, Ponys, Paparazzi“ setzt das ZDF (bekannt durch Reportagen wie „Goa statt Gaza: Wenn Israels Soldaten ausflippen“ oder Blockbuster à la „Unsere Mütter, unsere Väter“) einen weiteren Meilenstein des Journalismus. Nachwuchs-Prinzessin Kuku Schrapnell war Teil dieser einfühlsamen Pauschalreise an die Königinnenhöfe dieser Welt.
Die ZDF-Doku (Mediathek) entführt uns in eine wundervolle Welt, eine friedliche Welt. Eine Welt, die keine Krisen kennt, in der am Ende immer alles gut wird. Eine Welt der Schönen und Mächtigen, die kein Unglück kennt. Sie liegt dort, wo jeder Fehler mit Botox bereinigt werden kann und das Lächeln auf ewig in die Gesichter geschnitzt wurde. Es ist die Welt der Adelsexpertinnen. Hier sitzen sie und dürfen Bauchbinden tragen, auf denen Journalistin steht, weil sie für die Bunte schreiben, oder Historikerin, weil sie mal eine Eins in Geschichte bekommen haben. Diese Welt aus rosa Watte ist aber so schön, wie sie langweilig ist, weswegen wir unseren Blick dahin richten wollen, wo echtes Entertainment liegt, wo zwischen Verrat und Intrigen menschliche Abgründe warten, wo sich die abgehängten und gequälten Kreaturen tummeln, die wahren Leidtragenden dieser Gesellschaft. Ein Blick nach unten auf die Lumpenaristokratie.
Das Leben am Hof ist kein Disney-Film. Statt wundervollen Bällen, spontanen Gesangseinlagen und einem Pläuschchen mit den Tieren des Waldes warten auf unsere Monarchinnen heutzutage vor allem Stress, psychische Krankheiten und am Ende sogar der Tod. Menschen wie du und ich könnte man denken, aber nein, ihr Los ist viel schwerer. Aber der Reihe nach. Unsere Reise beginnt in dem Land, das wie kein anderes für die europäische Monarchie steht: Schweden. Eine Familie die geplagt ist von Lese-Rechtschreib-Schwächen, Essstörungen und einem bürgerlichen Ehemann der Kronprinzessin. Klassenverrat mag hier mancher rufen, doch das Einheiraten in die bessere Gesellschaft ist unter Europas Royals längst traurige Normalität geworden.
Doch wer könnte es ihnen Verdenken? Der Blick nach England offenbart die wahren Probleme des Adels. Statt zu regieren, dürfen sie heute nur noch repräsentieren. Ihr Leben ist dabei trotzdem vorherbestimmt. Keine Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, müssen sie ihr Leben in Schlössern und Burgen fristen und selbst die Kleinsten müssen auf internationalen Reisen diplomatisch süß sein zum Wohle der Nation. Noch eklatantere Einschnitte verschweigt das ZDF aus Gründen der Humanität: Den englischen Titelträgerinnen ist nicht nur der eigene Instagram, das Fenster zur Welt, verboten, auch Risiko steht auf der langen Liste der Tabus. Über die Gründe hierfür wird unter Adelsexpertinnen noch immer heftig gestritten.
Für das, was mit Kindern geschieht, die unter solchen Bedingungen aufwachsen müssen, kennt die Geschichte viele erschreckende Beispiele. Dem ZDF fällt auch eins ein: Wilhelm II. Der arme, verschubste Willi hatte in seiner Kindheit nicht viel zu lachen, später allerdings auch nicht. Plötzlich waren dann die Hohenzollern weg, aber niemand weiß, warum, also weiter im Text – doch nicht, noch einmal traurig hängende Schnurrbärte und Pickelhauben und ein leiser Seufzer, der zu sagen scheint: Vielleicht sollten wir doch wieder mehr Monarchie wagen?
Während die Frage noch leise nachhallt, werden bemüht blumige Metaphern ausgepackt. Ein untrügliches Zeichen, dass der Blick nach Fernost geht. Die Menschen in Japan sind ja so bescheiden und distanziert. Das gilt auch für die Kaiserinnenfamilie. Deswegen war damals schon ganz schön was los, als Lady Di zu Besuch kam. Sie war so ungezwungen und auf dem Boden geblieben, wir haben sie alle geliebt. Wo es gerade eh um Frauen geht, kommen wir zum Thema Feminismus. In Europa dürfen Frauen Königinnen werden, in Japan nicht.
Schnitt nach Monaco. Yachten, Mode und rauschende Feste bestimmen hier den adligen Alltag. Im zweitkleinsten Staat der Welt ist das royale Leben noch in Ordnung, oder? Nein, auch hier warten dunkle Geheimnisse. Die Kehrseite des vermeintlichen Luxus-Lebens besteht aus Drogen, unehelichen Kindern und Tod durch Speedboat. Trotzdem bleibt die Familie Grimaldi zumindest ein Augenschmaus, wenn ihr auch sonst außerhalb des Adels und der Reichtümer wenig geblieben ist.
Doch die wahren Leidtragenden dieser Melange aus Publicity, Repräsentation und menschlichen Abgründen sind die Kinder. All die kleinen Prinzessinnen und Prinzen. Denn was ist schon ein eigenes Auto zum dritten Geburtstag oder Panzerfahren für 12-Jährige gegen all die Nachteile? Die Eltern ersetzt durch eine Nanny. Die Nanny, ausgebildet in 20 verschiedenen Kampfsportarten (gemutmaßt), wohl eher ein grausiges Zerrbild unserer, durch Mary-Poppins-Propaganda verschleierten, romantischen Vorstellungen. Dann warten Waldorf- und Montessori-Schulen auf die unschuldigen Seelen. Dort sollen sie aufwachsen wie andere Kinder auch, „aber das ist eben nicht so“, weiß Patricia Riekel zu berichten. Nein, ein normales Leben wird diesen zarten Geschöpfen auf immer verwehrt bleiben.
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