LÉncyclopédie des Cravates

Nehmen Sie sich ein Beispiel, Gentlemen: Lord Harald Darlington Stazol (Foto: Kristine Hamann)

Ein Psychogramm des modernen Krawattenträgers.

Par Lord Harold Nicolas Darlington-Stazol

Eh bien, Messieurs, un moment: Ich bitte Sie ehrlich zu sein, meinen Herren, Hand aufs Herz: Wer von Ihnen kann, nachdem sie die kroatischen Husaren mit ihren roten Halstüchern, „Les Croates“ (erst später: cravate) zum ersten Male trugen (bei der Besetzung von Paris, die die Abdankung Napoleon Bonapartes erzwang) – wer also von Ihnen, Gentlemen, kann noch eine Krawatte binden?

Mein Zahnarzt, Dr. Dr. von Sternbern kann es nicht, neulich erst musste ich ihm für eine zweiwöchige Vortragsreise nach China, etwa acht Binder vorbinden – er hole sich die Anleitung meist von Youtube, aber das sei ja in der Volksrepublik verboten. Warum er nicht einfach eine Blaue Ameise fragt auf dem Platz des Himmlischen Friedens, mit ihrem nun auch roten Halstuch ….?

Zum Knoten kommen wir noch. Zunächst eine klein-fein-gemeine Analyse, ein Psychogramm geradezu, des modernen Krawattenträgers. Ach ja, im Brenners Park zu Baden-Baden durfte man, ich war dort zur Rennwoche, den Salon nur mit Tie betreten. Ob das heute noch so ist? Ich kann es nur hoffen.

In einem großen hanseatischem Verlagshaus, einer Druckerzeugnissekte also, trug es sich zu, dass in der weithin für ihre delikate Küche bis zur halben Flugente bekannte Kantine ein Reiseredakteur vor mir bei Tisch sein giftgrüne Krawatte beherzt sich über die Schulter nach hinten warf, auf dass er sie nicht beschmutze. Ich verschluckte mich fast an meinem Entenflügelchen.

Kleine Enten als Muster – zu dem wir nun in Windeseile gelangen -, aber wenn dann doch bitte wenigstens im Fluge und nur zur Entenjagd, kleine Füchse nur zur Fuchsjagd, „Tally Ho!“, Tigerenten, Donald Duck und jedwede Comicfigur, auch Superman, gehören nicht an den Hals eines Mannes!

Und verfallen Sie bitte nie in die Pflicht, die bemalten Seidenkrawatten ihrer Frau zu tragen. Es sei denn natürlich, sie ist Dessin Diréctrice bei Hermès in Paris.

Paris ist die Geburtsstätte der Krawatte. Die höchste Weihung: eine Krawatte von Charvet, Place Vendôme 1. Doch dazu bedarf es einer kleinen Abschweifung, Léction Elegante Numéro un – Lektion 1:

Charvet, Place Vendôme in Paris. Dort geben sich Präsidenten und Könige die Tür in die Hand, wenn sie die elegantesten Monsieurs sein wollen – die Eleganz ist hier etwas Habhaftes: Sie legt sich wie feiner Dunst sieben Stockwerke über das Haus Nr. 28, und dieses kleine Palais mit dem geschwungenen Schriftzug an der Tür, Garant dem Gentleman für höchste Bedürfnisse, hat man gewissermaßen auf dem guten Geschmack ganzer Generationen gebaut. Man achtet auf alles, die feinsten Bedürfnisse des Mannes, und das seit 1838 – schließlich war man hier schon für des Kaisers Kleider verantwortlich, jawohl, Napoleon Bonaparte höchstselbst ließ sich hier ausstatten, und dann eigentlich jeder, der auf sich hielt. Man kleidete das Ancien Régime genau wie den Sozialisten Mitterand, aber wir greifen voraus, und die Liste der Berühmten und Berüchtigten, der Monde und Demi Monde, die Kunden sind und waren, nun, sie ist lang. Was gibt es hier nicht alles, nur die hohe, goldverspiegelte Glastür geöffnet und hereinspaziert – die Sonne im Emblem unter dem geschwungenen Schriftzug ist das Symbol des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, er ließ den Platz einst erbauen. Nicht umsonst ist man hier als „der größte Künstler der Welt“ bezeichnet worden, von Marcel Proust persönlich, ach nein – der „größte Künstler der Schöpfung“ – und wenn das ein Pariser sagt, ein Literat von Weltrang zudem, der größte Romancier womöglich aller Zeiten, dann hat man hier allen Grund, stolz zu sein.

Und eben die schönsten, besten, raffiniertesten Hemden und Cravates zu schneidern und gestalten, die sich denken lassen. Zu schweigen ist von der legendären „Mur des Blancs“, der Mauer des Weiß, mit den 400 verschiedenen Stoffen in 104 Schattierungen von Weiß. Kaum jemand weiß, dass hier die linke Manschette stets ein wenig weiter genäht wird, weil ja die Armbanduhr noch passen soll unter den Stoff – es sei denn, das Hemd ist für den Abend im Maxim etwa, da trägt man flachere Schmuckuhren, auch daran will gedacht sein, und es gibt Kunden, die ordern ihre Chemises nach diesem zweierlei Mass. Man war auch, es muss gesagt sein, der erste „Chemisier“ der Welt, man hat einen Kragen „H. R. H“ entworfen für Edward VII., der so begeistert davon war, dass er das Haus „über 40 Jahre lang mit spezieller Güte“ bedachte. Der Maharaja von Patiala orderte erstmal 86 Dutzend Hemden, der Künstler Raoul Dufy wurde im Art Déco für Dessins beschäftigt, Dandys, Diners … und ja, es gibt auch Damenblusen, aber von ihnen soll hier nicht die Rede sein.

Und nun zur Krawatte in diesem Tempel der Eleganz:

Im Jahr 1893 lässt sich der Dichter Paul Verlaine in „einem sehr schönen Charvet-Schal“ ablichten. In „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ erwartet der Held Marcel 1919 den Lunch mit Swann, „indem er von Zeit zu Zeit den Knoten seiner wundervollen Charvet-Krawatte lockerte und fester zog“, der französische Präsident Paul Deschanel war für seine Krawatten bekannt. Schon 1908 gewinnt man den Grand Prix der Londoner Weltausstellung. Jean Cocteau nennt die Marke „magisch“ und dass sie seien, „als fände der Regenbogen dort sein Vorbild“. Der Impresario der Ballets Russes, Sergei Diaghilev schwört auf die Hemden ebenso wie der gesamte Jockey Club, der exclusivste Privatclub von ganz Paris. Den natürlich komplett Charvet beliefert – und zu dem einer der Geliebten George Sands, Alfred de Musset, trotz seiner Eleganz nie Zutritt fand – Charles Baudelaire, Eduard Manet und Jacques Offenbach schon. Sicherlich hilfreich für deren Erfolg des Hauses ist unter anderem die Tatsache, dass dem Kunden die Garderobe zur freien Auswahl nach Hause geschickt wird, wo er in Ruhe sichten, anprobieren und aussuchen kann, ein Service, den man bald als „Méthode Charvet“ bezeichnen wird und den man heutzutage wohl noch kaum finden wird.

Dieser Exkurs, meine Herren Prinzessinnenreporter-Prinzen, soll für die Jahre und Jahrzehnte Unwissenheit der deutschen Männerwelt entschädigen und ihnen entgegenwirken, als eine Art Crash-Kurs in Eleganz, zunächst im Schatten des Eiffelturms, dann am Court of St. James. Denn Sie, meine Herren Deutschen,, haben einiges nachzuholen:

Lection deux

Nun also in die Stadt, in der mein Oheim im Geiste, der Dichter Oscar Wilde begraben ist.  Und auch er trug Charvet-Cravates: Alles begann mit Christofle Charvet, der für seinen Laden erstmals die Bezeichnung Chemisier wählt. Zuvor wurden von Leinenbewahrern aus den gelieferten Stoffen des Kunden gefertigt – Charvets Ansatz des Maßschneiders ist radikal neu und revolutionär. Die Erfindung des abnehmbaren Hemdkragens wird ihm genauso zugeschrieben wie die heute allgemein übliche Kragenform überhaupt, und man beehrt sich an der Place Vendôme 28 noch heute, bei jedweden Abnutzungsspuren an Kragen oder Manschetten wieder neu nach Wahl zu fertigen – Charles de Gaulle selbst trug nichts anderes.

Und so ist es wohl auch wenig verwunderlich, dass eine Charvet-Krawatte zum Wertvollsten in der Garderobe eines Gentleman gehört, das sich denken lässt. Als man einmal Baron Phillipe de Rothschild von einem rosa Ton abraten will, sagt er: „Wer, wenn nicht ich?“

Wer, wenn nicht Sie, meine Herren! Was ist schon ein Rothschild gegen Ihre gesammelte Kaufkraft?

Nun zur kurzen Stilkunde und einem Abstecher nach Knightsbridge.

Karo ist ungefähr so angesagt, wie der Austritt Schottlands nach dem Brexit aus dem Vereinigten Königreich, was uns direkt an die Themse bringt und dem „Tie Department“ bei Harrod´s, Knightsbridge, 87-135 Brompton Road, London SW1X7XL – falls Sie Mail Order wünschen, Sir?“ -,  dort findet man alles von Asprey, Bulgari über Chanel, Dior, Ermenigidlio Zegna, etc. etc. pp. Und eben kundiges Personal, von jener unaufdringlichen Eleganz auch im Umgang, dass man sich nie bedrängt, doch gut beraten fühlt.

Ergo: Lassen Sie sich dort beraten, Sir! Ihr Haar mag mit Pastellfarben, einfarbig, ein leichtes Gelb, ein Hauch von Grün, harmonieren, Ihre Haarfarbe, wenn noch vorhanden, mag eine Rolle spielen, und selbstverständlich der Anlass: Büro? Lunch? Tea? Cocktails? Theater? Oper? Ha, reingefallen, dort natürlich nur Fliege, aber das führt fast zuweit.

Ich erinnere mich, zu meiner Freundin Lady Dianas Beerdigung zu fliegen, mit dunkelblauer Krawatte. Auf dem Rückflug kaufte ich eine im Duty Free an Board, ein helllichtblaues, silberdurchwirktes Rankenwerk, natürlich Hermès – aber was gibt es nicht alles für Varianten …

Die neuerdings in Mode gekommenen schmalen Schlipse zu Mini-Revers sind meines Erachtens eine einem 20jährigen nachzusehende Jugendgrille, bei einem 30jährigen kaum zu verzeihen, bei einem 40jährigen unverzeihlich, wie man zuletzt bei der Affaire Maas sehen konnte. Vor allem aber muss man für diese Finesse sehr, sehr schlank sein, und für das richtige Modell von Gucci, Hugo oder Dsquared, aber wir wollten ja keine Namen nennen.

Zu unterscheiden von der Krawatte ist das Jabot, das man eher einem Schal ähnlich geschlungen im offenen Hemde trägt, eine sportlichere Version des Halstuches, aber formeller und ab 16 Uhr allerdings nur in der Freizeit erlaubt, oder am Casual Friday.

Zu Lederkrawatten erübrigt sich jedes Wort.

Zu Anklippern auch.

Krawatten als Keyboard? Nur zu Manschettenknöpfen als Notenschlüssel. Bleiben Sie damit im Knabenchor!

Ein Herrenausstatter in ihrer nächsten Stadt, sollte es eines der ersten Häuser sein – es muss ja nicht gleich Knize sein in Wien -, wird Ihnen auch anraten können, ob Sie als kräftigerer Mann einen doppelten Windsor tragen sollten oder nur den einfachen – den ich persönlich eleganter finde, irgendwie leichter …

Und wenn es sich wirklich um einen Emergency handelt – Sie finden mich jederzeit auf meinem Landsitz, Darlington Hall.

Notfalls kann man sich an einer guten Seidenkrawatte auch aufhängen.

Aber das führt jetzt wirklich zu weit…

DH, im Jahre der Mode 2018/19

HARALD NICOLAS STAZOL

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