Unser Zeremonienmeister Fritz Tietz hat Bodyformus und anderen migrantisch geprägten Youtube-Satiren, bei denen das Feuilleton die Nase rümpft, etliche überraschende und komische Momente zu verdanken
Der Prototyp Deutsch ist ein wahrhaft „mieser Hektor“, wie ihn die Offstimme kurzerhand bezeichnet. Er trägt weiße Socken, hält einen Sack Kartoffeln in der Hand, „und seine Hose ist so weit hoch gezogen, dass sie fast seinen Hinterkopf berührt.“ Und tatsächlich: der Typ kommt famos hochbehost und auch sonst ziemlich dämlich daher, wie jetzt der Kameraschwenk an ihm rauf offenbart. „Und er läuft so als ob er aus Holz besteht,“ sagt die Offstimme, und schon stakst der Prototyp eine Straße lang wie ein Zombie. Anschließend sieht man ihn tumben Blicks vor einem Jägerzaun auf seinen Filzpantoffeln vor und zurück wippen und eine imaginäre Armbanduhr checken, und die Offstimme sagt: „Füße wippen und auf die Uhr gucken, ist das Hauptmerkmal eines Protoypdeutschen.“
Sind die Hauptmerkmale, müsste es korrekterweise heißen, aber dann wäre dieses kurze YouTube-Video
möglicherweise nur noch halb so komisch. Denn neben der immens lässigen Inszenierung und der brutal reduzierten Dramaturgie ist es vor allem die freischnauze Text- und Sprechhaltung, die es zu einem höchst vergnüglichen Sehspaß macht. Barry Hammerschmidt alias Bodyformus, so der Künstler- bzw. YouTube-Name, ist sein Macher. Und gibt zugleich den Offsprecher und Darsteller, und so präsentiert er jetzt jenen prototypischen Deutschen, „der denkt, er wäre ein Kanake, obwohl er gar kein Kanake ist, und versucht so zu reden.“ Und darauf gleich noch jenen prototeutonischen „Atzen“, der bei schlechten Witzen immer lacht „wie ein quietschendes Auto“, und wenn dann Hammerschmidt einen solchen deutschen Lachsack mit großer Lust und Hingabe imitiert, fallen mir mindestens zwei meiner Bekannten ein, die tatsächlich jeden Scheiß genauso doof bequietschen.
Dass ich den YouTube-Comedian Bodyformus (mit derzeit 1,3 Millionen Abos) erst jetzt entdeckte, ist seiner Nominierung bei den diesjährigen About You Awards geschuldet; jener Influenzer-Veranstaltung neulich, auf der die Stand-Up-Comedienne Enissa Amani darum bat, nicht Komikerin genannt werden zu werden – sie erwäge sonst auszuwandern. Worauf sie die Spiegel-Online-Kritikerin Anja Rützel ausdrücklich so bezeichnete und also indirekt aufforderte, aus Deutschland zu verschwinden. Als Amani wagte, das als rassistischen Angriff gegen sie und andere migrantische Künstlerinnen zu werten, scholten Rützel und eine erstaunlich schnell anwachsende Schar von Supportern aus dem großpublizistischen Milieu sie der Hysterie und Undankbarkeit. Diese Influenzer mit den seltsamen Namen und den durchweg verdächtig hohen Followerzahlen sollten sich mal nicht gleich so haben, wenn das Feuilleton ihre YouTube- oder Instagram-Sperenzien abwatscht.
Auch der in Berlin geborene und aufgewachsene Hammerschmidt hat migrantische Wurzeln. Sein Großvater sei in Afrika ein Zulu-Häuptling gewesen, erzählte er dem Kölner Express, und er selbst als Jugendlicher häufiger in Auseinandersetzungen verwickelt worden, weil er der einzige Schwarze war auf seiner Schule. Über den beruflichen Werdegang des 29jährigen ist zu erfahren, dass er sich neben einem kürzeren Auftritt in einer Big-Brother-Staffel und einem längeren Einsatz für die RTL-Serie „Berlin – Tag und Nacht“ auch als Fußballprofi und Rapper versuchte, ehe er sein komisches Talent entdeckte. Und es dann in kurzer Zeit zum millionenfollowerschweren YouTube-Star brachte.
Die meisten Klicks räumt er mit seinen Prototyp-Videos ab, von denen die erwähnte Folge Prototyp Deutsch sicher eine der lustigsten ist. Mir gefielen aber auch die Prototypen Albaner, Russe oder Pole. Oder lösten gar, wie im Fall des mit einem 6er-Pack Sucuk telefonierenden Prototypen Türke, einen regelrechten Lachflash aus. Doch ist es keineswegs nur angeblich Nationalprototypisches, das Hammerschmidt und eine Reihe komödiantisch zum Teil höchst bewanderter „Kanaken“-Darsteller so erfrischend albern verhackstücken. Er und seine Crew nehmen sich auch Stereotypen vor wie den Club Mate trinkenden Hipster („Schmeckt nach Mundgeruch!“), den egal wie Streit suchenden Schläger („Sein Hauptberuf ist natürlich die kurze Zündschnur“) oder den Kanaken auf Klassenfahrt („Mama, ich wurde nach Hause geschickt!“). Und selbst wenn ich einräumen muss, dass längst nicht jedes Video so krass zündet wie der Prototyp Deutsch, erlebt man beim Durchklicken dieser migrantisch geprägten Satiren etliche überraschende und komische Momente. Außer vielleicht, man ist Prototyp Deutscher Feuilletonist und findet Bohemian Browser Ballett witzig.
Fritz Tietz
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Passt.