Revolution, Baby! (3)

Eine Gastprinzessinnenserie von Sibylle Berg

Folge 3 mit Antworten von Ines Schwerdtner, Jacobin-Chefredakteurin

Das alte System ist am Ende. Prost!

Je deutlicher wird, dass die Erde eine begrenzte Ressource ist, die sich mit der Funktionsweise: Wachstum oder Krise nicht verträgt, erfasst der Wahnsinn des Untergangs  Aktionäre, KapitalistInnen, PolitikerInnen und die Massen.

Alle suchen nach Auswegen, ihr Leben, ihr Vermögen, ihre Ideen zu retten, ohne alte Gewohnheiten aufzugeben. Aber. Das wird nicht funktionieren. Weder ist die Bereitschaft der erschöpften Massen vorhanden, den Irrsinn des Wachstums, die Entkoppelung von Gewinn und realem Gegenwert weiterzutragen.

Noch kann selbst der dumpfste Shareholder verleugnen, dass der eingeschlagene Weg in Katastrophen enden wird. Und zwar bald. Es ist keine Zeit mehr für kleine Schritte, kleine Erfolge, kleine Ergebnisse, die ein bisschen Gerechtigkeit, ein wenig Klimaschutz bringen könnten. Es braucht einen radikalen Schritt in eine neue Zeitrechnung. Das System, das den Kapitalismus ablösen wird, scheint im Moment eine Mischung aus Überwachungsautokratie und Neofeudalismus zu sein.

Linke Ideen beziehen sich auf alte Systeme, die auch immer an kapitalistischer Intervention oder schlicht an der Unverträglichkeit von Mensch und Macht scheiterten.

Es braucht vollkommen neue Pläne, die über die Träume von friedlichen Sharing Communitys hinausgehen.

Ich habe Autorinnen und Aktivistinnen gefragt, was Ihnen zum Thema Revolution einfällt. Einige habe ich in einem Magazin, das ich mit dem Künstler Claus Richter herausgebe, versammelt.

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Es kamen erfreulicherweise so viele Texte, dass wir die Möglichkeit haben, an dieser Stelle einige exklusiv zu veröffentlichen. Als Anregung. Für die Vernetzung. Zum Weiterdenken.

Nicht aufgeben!

Sibylle Berg


Folge 3: Antworte von Ines Schwerdtner, Jacobin-Chefredakteurin

Sibylle Berg: Wie klingt Revolution – für dich? Sagt dir das Wort etwas? Löst es etwas aus?

Ines Schwerdtner: Mittlerweile denken die meisten bei Revolution eher an ein neues Shampoo als an Aufstände. Das muss uns aber nicht daran hindern, den Begriff wieder neu zu füllen.

Denkst du, dass es möglich ist, in der Gesellschaft (den Gesellschaften des Westens, in den anderen kenne ich mich zu wenig aus) wieder ein Gefühl für eine Klasse herzustellen? Die Klasse der Angestellten, der Selbstausbeuter, der Scheißjobber, der Kleinbürger, oder funktioniert  der Plan der Kapitalisten – teile und herrsche – zu gut und wir verlieren uns noch mehr in Stellvertreterkriegen?

Mit etwas mehr Klassen- statt Kulturkampf könnte es etwas werden.

Wie wird die Welt in zwanzig Jahren ohne einen Systemwechsel aussehen?

Vermutlich voller Dämme, Mauern und Abschottung vor den Katastrophen.

Und wie könnte so ein Wechsel funktionieren?

Nur mit den Menschen, nicht über ihre Köpfe und Herzen hinweg.

Glaubst du an Gewalt?

Nur an die revolutionäre.

Woran sonst?

Siehe eine Frage weiter unten.

Glaubst du an die Intelligenz der Mehrheit?

Nicht an ihre Intelligenz, aber an ihre Fähigkeit, über sich selbst hinauszuwachsen und sich zu wehren.

Wie könnte ein neuer Versuch eines Systems, einer Gesellschaft aussehen?

Neue Versuche gründen meist auf Katastrophen wie Weltkriegen. Hoffen wir, dass uns das erspart bleibt. Vielleicht reicht auch die Erfahrung aus der Pandemie und die Hintergrundkulisse der Klimakatastrophe, um einen neuen Versuch anzupeilen. Viele weitere danach werden wir nicht haben. Das neue System wäre dann erstmal ein Abwehrsystem, um die Hinterlassenschaften des Kapitalismus zu beseitigen.

Müsste es, wenn es einen Umsturz gäbe, auch eine digitale Revolution geben?

Bestimmt, aber auch diese hängt damit zusammen, wer die technologische Infrastruktur besitzt. Wenn wir alle über die Produktionsmittel verfügen könnten, die eine digitale Revolution ermöglicht, würde das auf unsre Produktion, den Konsum, die Art zu kommunizieren sich sofort auswirken. Insofern fallen die Fragen sofort zusammen, Umsturz und Besitz dieser Produktionsmittel.

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Dieser Beitrag wurde am 10. August 2021 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 2 Kommentare

2 Gedanken zu „Revolution, Baby! (3)

  1. Wie könnte ein neuer Versuch eines Systems, einer Gesellschaft aussehen?

    Neue Versuche gründen meist auf Katastrophen wie Weltkriegen.

    Die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte: Neue Versuche münden in Katastrophen.

    (Du kannst eine Menge Dinge auf der Welt verbessern, nur eins nicht: den Menschen. Stichwort Revolution.)

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