Royale Obsthuldigung (Folge 2): Avocados

by Royal Art Directorin Michaela Lorei


Heute: Das Lieblingsobst von Freud-Prinzessin Sebastian Bartoschek – die Avocado, Liebe, Hass und eine Bauchrolle

„Wer mit 20 kein Vegetarier ist, hat kein Herz. Wer mit 30 immer noch einer ist, hat keine Zähne.“ (Clemens Tönnies)
Dieser Einstieg mit einem selbstverdrehten Zitat ist schon das schreiberlingerische Highlight dieses Textes. Es hilft mir den Bogen dahin zu spannen, wann ich das erste Mal mit ihr, der Butterfrucht, der Alligatorbirne, der Beere in Steinobstgewand, das erste Mal in Berührung kam: in jener Zeit Ende der 90er/ Anfang der 2000er, in der ich vegan war. (Und sXe – aber darüber sprechen wir ein anderes Mal.) Ich war vegan, und schlank. Ich trug Band-Shirts in Größe S, mein Bauch war mehr mager als wohl defniert, oder, wortspielhöllenalarm, waschbärartig, wie er es heute ist – oder wie mein Gastroenterologe unlängst sagte: „Sie haben eine Bauchrolle“.
Mit Anfang Zwanzig war diese Rolle aber noch weit weg, und ich schlemmte mich mit veganer Herzenslust, einem bißchen Hass auf die Mehrheitsgesellschaft und ganz viel Verachtung auf die Fleischfresser durch den bunten Korb der Gewächse von Mutter Natur. Und dann traf ich eben sie, grün, und birnenförmig, und weich: die Avocado.
Ich mochte sie vom ersten Tag an. Ich habe sie zuerst zu früh gegessen. Das schmeckte nicht. Ich habe sie dann zu spät gegessen. Das schmeckte auch nicht. Dann habe ich sie gegessen, wie sie sein sollte: wie ein Stück Butter in der Frühlingssonne eines taufrischen Mitmaimorgens. Und mit Pfeffer und Salz. Direkt aus ihrer Schale – gelöffelt.

Autor mit Obst

Es gibt so viel mehr Arten und Darbietungsformen auf der wir diese Königin der Fettfrüchte genießen können, im Salat, oder angebraten, und – ein hoch auf Dinkeldeutschland – nunmehr auch in Bodylotions. (CAVE: Avocadobodylotion eignet sich nicht als Sojamilchersatz im Kaffee!)
Allein: die Avocado macht dick. Bisweilen sogar fett. In Hochzeiten verspeiste ich bis zu vier Stücken fettiges Gold, ein solider Grundstock für meine Bauchrolle. Ein Konsum von mehr als zehn Avocadi (wie der Lateiner weiss, ist dies der einzige der richtigen Pluri) am Tag kann über einen längeren Zeitraum wohl dazu führen, dass der Körper des Essers sich der Form des Obstes anpaßt.
Als ich mich selbstständig machte, vor knapp 7 Jahren, pflanzte ich ein Avocadobäumchen. Ich fühlte mich wie Luther, nur ohne Apfelbaum und Judenhass. Mein Avocadobäumchen ging ein. Luthers Saat geht bis heute aus. Ich habe mittlerweile Chillis, Kakteen, Gurken, Tomaten und anderlei gepflanzt. Gestern habe ich Sushi mit Avocados gegessen. Avocados heißen heute „Hass“ und kommen aus Israel. Dieser Text nahm nun eine unerwartete Wendung. Das liegt an mir – und dem disruptiven Wandel der Obstlandschaft der letzten 18 Jahre.
Doch die Avocado – sie kann nichts dafür!
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