Aus besorgniserregenden Gründen – eine Laudatio auf wahre Patrioten.

Berg- und Brauchtums-Prinzessin Jürgen Kasek erklärt uns heute Leipziger Patrioten.

Patrioten, also Menschen, die meinen eine besonders emotionale Bindung zu dem Begriff Heimat zu haben, werden oft und nicht selten zu Unrecht völlig falsch eingeschätzt. Das mag damit zusammenhängen, dass viele große Dichter und Denker Zeilen zum Thema veröffentlichten, die allerdings selten nett waren.

Schopenhauer hielt etwa fest, dass Heimatstolz nur von jedem „erbärmlichen Tropf“ der sonst nichts habe, als letztes Mittel Anwendung finden könne. Während Oscar Wilde, den deutsche Patrioten wahrscheinlich nicht kennen, da er schon kein Deutscher ist und Heimatliebe ja bekanntlich am Horizont der eigenen Armseligkeit aufhört, sogar schrieb, dass „Patriotismus die Tugend der Bosheit“ sei.

Und auch der neuerdings auserkorene Heimathorst, zuständig für die ganze Heimat, kann mit seinem heimatlichen Ministerium, dessen Mann(!)schaft nur aus Männer besteht – was wahrscheinlich die „Vaterlandsliebe“ unterstreichen soll -, nicht recht erklären, was er eigentlich macht.
Das mit der Heimat ist ja auch schwierig. In vielen Liedern und Texten wird eine Heimat besungen, die selten mehr ist als eine emotional verklärte Erinnerung, die an einen bestimmten Ort geknüpft wird.
Und neuerdings bemühen sich ach so viele darum, diese Heimat irgendwie zur politischen Kategorie zu verklären, so dass wahre Patrioten mitunter die Übersicht verlieren können.

Patrioten haben es also schwer. Und da sie es schwer haben, sollten wir ihnen in diesen harten Zeiten mit Trost und Mitleid beistehen. Denn Patrioten haben sonst gar nichts im Leben, siehe Schopenhauer, zum Teil nicht mal die Herrschaft über die eigene Muttersprache, wie zahlreiche Lautäußerungen selbst ernannter Patrioten auf den Straßen oder im Netz belegen.

Gerade in Leipzig, das zwar geografisch noch irgendwie mit Sachsen assoziiert wird, aber sonst erfreulich wenig mit diesem eigenwilligen Bundesland zu tun hat, tun sich Patrioten besonders schwer:
Vor einiger Zeit schickte sich, nach dem Scheitern unzähliger Versuche, „Vaterlandsliebe“ in Leipzig zu implementieren, eine neue Initiative an, nun endlich den Patriotismus auch in Leipzig auf die Straße zu bringen. Diese Initiative trug den schönen Namen „Patriotische Offensive Leipzig“ oder kurz POL.

Das klingt schmissig, irgendwie dynamisch und hat einen militärischen Touch, der zugleich Testosteron getränkte Fantasien von wilder Männlichkeit, die sich in zähen Schlachten auslebt, befriedigt. Oder anders ausgedrückt und weniger prätentiös: Geil.

Wahre Patrioten finden sich dabei in klandestin angelegten Gruppen, in sozialen Netzwerken, um sich selbstreferentiell zu versichern, wie schlecht alles ist und daher sei es nun wirklich an der Zeit etwas zu tun.

So rief denn auch die neue Gruppe POL in einer dieser Gruppen kurzerhand zu einer Demonstration unter dem Motto „Hände weg von unseren Frauen“ auf.
Vergnügt sitzt mensch am heimischen Rechner und wartet auf die großen Dinge, die da folgen mögen.
Denn passend zur Demo gab es gleich auch ein Plakat. Das Plakat zeigte, natürlich, „unsere Frauen“, und zwar vor malerischer Bergkulisse und im Dirndl.

Dem nicht Ortskundigen sei hiermit erläutert, dass Leipzig in einer Tieflandsbucht liegt, die mit Bergen schrecklich wenig zu tun hat. Und Dirndl hier nur getragen werden, wenn Nicht-Einheimische meinen, ein „Oktoberfest“ feiern zu müssen und damit vor allem belegen, dass sie sich nicht an die kulturellen Bräuche Leipzigs anpassen können.
Warum gehen Patrioten eigentlich nicht auf die Straße, um gegen die Überfremdung durch Schwaben oder Bayern zu protestieren, die in Sachsen maßgeblich für den Aufbau des als inzwischen erfolgreich gescheiterten Staates verantwortlich sind? Fragen über Fragen. Jedenfalls ist die kulturelle Überfremdung durch Bayern weit vorangeschritten, wie die Ausweitung des „Oktoberfestes“ zeigt.

Aber zurück zur geplanten Demo zum Schutz „unserer Frauen“: Auch die Verwendung des besitzanzeigenden Fürwortes „unsere“ belegt deutlich, wie ernst es den Männern ist, die hier etwas, was es hier eigentlich nicht gibt schützen wollen. Frauen sind in der Vorstellung wahrer Patrioten offenbar unfähig, sich selbst zu schützen, weswegen sie als Besitz gelten, den es zu schützen gilt. Und zwar notfalls auch bei sogenannten „Frauendemonstrationen“ wie der in Berlin, deren Teilnehmer zu 90 % aus Männern bestehen. Und da Besitz auch noch eine zutiefst bürgerliche Kategorie ist, belegen die wahren Patrioten auch gleich noch sehr schön, wie tief sie in kleinbürgerlicher Dumpfheit verhaftet sind.

Jedenfalls wurde mehrfach zu einer Demonstration aufgerufen, wobei man dummmerweise vergaß, diese anzumelden oder außerhalb der eigenen Filterblase bekannt zu machen. Deswegen musste man dann auch recht schnell erklären, warum das bereits fest avisierte Datum („Jetzt geht es los“), zu dem man sogar „Bernd Höcke“ (wörtlich so geschrieben) eingeladen haben wollte, dann doch nicht gehalten werden konnte.

Ganz klar, es war „die Antifa“. Einleuchtende Begründung der Patrioten: Der Verfassungsschutz habe gemeine Informationen durchgestochen und die Antifa daraufhin Bomben angekündigt, so dass man sich genötigt sah, abzusagen.
Dass davon noch nicht einmal die Polizei wußte und es nichts weniger als eine faustdicke Überraschung wäre, wenn der notorisch blinde Verfassungsschutz überhaupt etwas wüsste – geschenkt.
Auch das mit dem Bomben scheint ein Übertragungsfehler gewesen zu sein. Denn wenn sich selbst ernannte Patrioten aufmachen, in Leipzig zu demonstrieren, ist bei antifaschistisch gesinnten Menschen in Leipzig höchstens Bombenstimmung. So wie beim letzten Mal als Legida demonstrierte, die sich ja gern auf der Straße als „Volk“ bezeichnen und bei der letzten Demo, die bedauerlicherweise schon fast ein ¾ Jahr zurück liegt, ein Volk auf die Straße brachten, dass bequem mit der Straßenbahn abreisen konnte.

Legida, die es eigentlich nicht mehr gibt, hat übrigens gerade eben erst eine Umfrage ins Netz gestellt mit der Frage, ob man nicht mal wieder etwas machen sollte. Und umgehend haben sich die zehn Ohrfeigengesichter, die quasi immer dabei sind, versichert, dass man in der Tat wieder was machen müsste und es jetzt endlich wieder losgehe. Dass wiederum würde bei vielen Menschen, die das unterhaltsame montagabendliche Bemitleiden des „Volkes mit eingeschränkten Genpool“, ebenso wie ich, gern begleiten, für viel Zustimmung sorgen.

Aber vielleicht tun sie uns ja den Gefallen und gehen wieder mit ihren Leipziger Patrioten auf die Straße, die zwar mehrheitlich nicht aus Leipzig kommen und nicht mal hier wohnen, aber meinen das Leipziger Bergpanorama und die Dirndl „ihrer Frauen“ verteidigen zu müssen. Das wäre doch was.

Übrigens, die Patriotische Offensive Leipzig heißt jetzt Patriotische Offensive Bremen, denn auch in Bremen wollen Bergpanorama und Dirndl verteidigt werden. Schade eigentlich nur, dass aus der angekündigten Demonstration in Leipzig dann doch nichts wurde. Aber vielleicht klappt es ja in Bremen mit den Dirndln, den Frauen und den Bergen.

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