Unser Bahnsportreporter Edler von Schwermuth hat sich wieder ins Zeug gelegt und embedded am neusten Wettbewerb teilgenommen
Bekanntlich herrscht im Hamburger Hauptbahnhof stets ein großes Gewimmel und immer ist was los. Dazu gehört auch der weithin bekannte Haupbahnhof-Hürdenlauf, der folgendermaßen geht:
Ein RE wie etwa der fahrplanmäßig um 22.08 Uhr vom HAHA-Hauptbahnhof abgehende RE Richtung Lübeck läßt den Passagieren kurz vor dem Start des Hbf-Hürdenlaufs Zeit, sich im bereitgestellten RE innerlich auf den planmäßigen Start vorzubereiten, indem erst mal die WLAN-Verbindung ob ihrer Stabilität gescheckt wird. Manch einer raschelt auch ungeduldig mit speziell für den Wettbewerb erworbenen Fitness-Verstärkern in Form von speziellen Backwaren und anderen Kraftnüssen.
Wenig überrascht sind die Hbf-Hürdenlaufer, als die Durchsage kommt, wegen Streckensperrung werde sich der Start auf unbestimmte Zeit verschieben. Die versammelten Hbf-Hindernisläufer nehmen, weil schon gewohnt, derlei Durchsage ohne Murrereien hin, verhalten sich auch betont ruhig, als die nächste Durchsage besagt, daß der Start wahrscheinlich 22.53 Uhr losgeht. Erstaunlich für manch erfahrenen Hbf-Hürdenläufer der Umstand, daß die verspätete Abfahrtzeit auf die Minute genau festzustehen scheint. Zeit gewonnen für weitere Energie-Verstärker und Smartphone-Botschaften in die weite Welt.
Dann eine weiteres Statement durch einen Bahn-Sprecher folgenden Gehalts: Der RE 80 Richtung Lübeck werde erst um 23.23 Uhr starten, fürderhin gefolgt von einer Nachricht etwa eine Zigarettenlänge später, daß der Zug zu verlassen sei, an der nahen Kirchenallee Busse bereit ständen, um die RE-Fahrgäste nach Ahrensburg zu transportieren, von wo aus ein Zug Richtung Lübeck abgehen soll.
Das ist das unausgesprochene Zeichen für wohl dreihundert Hbf-Hürdenäufer, die sich jetzt mit Sack und Pack in relativ geschlossener Formation für die erste Hbf-Hürdenlauf-Etappe hurtig auf den Weg machen. An der Kirchenallee steht irgendwo als erstes Hbf-Hürdenlauf-Ziel ein Busdoppeldecker eher unscheinbar bereit, wird von einer Hunderschaft allerschnellstens erklommen und besetzt. Wohl um die 200 Hbf-Hürdenläufer müssen aber draußen bleiben, sind gespannt, wann der nächste Transfer-Bus zur Hürdenlauf-Station Ahrensburg abgeht.
Das Warten zieht sich hin wie der Dauerregen und manche/r stellt sich darauf ein, daß an diesem Tag, vergangenem Sonntag, wohl kein Transfer-Bus mehr auftaucht.
Richtig so, denn Mitternacht schlägt es vom Turm der nahgelegenen Kirche zu Hamburg-St. Georg und die Hbf-Hürdenläufer beweisen allergrößtes Stehvermögen in den neuen Tag – Montag – hinein, wundern sich mehr oder weniger über den Umstand, daß keine Unruhen ausbrechen. Jeder steht ja auch für sich allein.
Mehr oder minder durchnäßt geschieht dann doch ein Wunder, weil ein Sprecher in Zivil sich dazugesellt, der den wartenden Hürdenläufern verkündet, daß um 00.24 Uhr, in ca. 15 Minuten, ein RE nach Lübeck fahren soll: umgehender Start für die nächste Hbf-Hürdenlauf-Etappe Richtung Bahnsteig 7/8.
Von einem RE nach Lübeck nichts zu sehen, weil es ja noch nicht 00.24 Uhr ist. Dann, roundabout 10 Minuten später, taucht ein RE aus Richtung Abstellgleis auf und läßt sich bei nur kleinen Rempeleien um die vordersten Plätze zügig besetzen. Der Hürdenlauf nimmt ein eher unerwartetes Ende und die Hbf-Hürdenlauf-Ergebnisse werden von Bord durchgetwittert, damit die Abholer in Ahrensburg, Oldesloe oder Lübeck wissen, was die Uhr bei der Bahn geschlagen hat oder so.
Bleibt noch anzumerken , daß die Zugbegleiterin nach Abfahrt des REs um 00.25 Uhr die Hürdenläufer im Namen der Regionalbahn Schleswig-Holstein freundlich begrüßt und eine gute Fahrt wünscht, ohne den Hbf.-Hürdenlauf weiter zu würdigen. Schließlich hat sie, von ihren Vorgesetzten allein gelassen, genug um die Ohren.
Die beteiligten Hbf-Hürdenläufer danken der Deutschen Bahn für die Organisierung des letzten Spektakels.
(aufgeschrieben am 27. Mai 2019, 20 Stunden nach Erreichen des Unterwegs-Zielbahnhof Oldesloe)
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