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Olympisches Dummschwätzen

w4Von unserer Dauergastprinzesssin Bernhard Torsch

Alice Schwarzer hat es gut. Die ehemalige Hassfigur Nummer eins aller Reaktionäre, Männerbündler und Vollidioten ist mittels BILD-Kuschelei, Auftritten im Trottelfernsehen und dauerndem Austeilen gegen alles, was sie für links hält, so weit in den deutschen Mainstream eingedrungen, dass nur mehr Menschen mit dem IQ eines debilen Eichhörnchens auf die Idee kommen, sie abwertend gemeint als „Emanze“ zu bezeichnen. Ihre materiellen Verhältnisse sind dergestalt, dass sie nicht nur Steuerschulden in der Höhe von mehreren Hunderttausend Euro ebenso locker anhäufen wie abbezahlen konnte, sondern im Zuge eines finanzstrafrechtlichen Ablasshandels eine Million Euro spendete, ohne dass dies ihren Lebensstandard auch nur peripher beeinträchtigt hätte. Sie lebt in einer wunderschönen Welt voller wohlhabender, super toleranter Menschen, die vielleicht gar nicht mehr wissen, mit Sicherheit aber nicht mehr wissen wollen, dass sie zwar Elite sind, aber halt die Elite einer sexistischen, rassistischen, klassistischen, ableistischen und zunehmend neonazistischen Nation. Kurz: Aus Schwarzers Perspektive ist in Deutschland alles super fein, wenn da nicht die bösen dunkelhäutigen Menschen mit ihrer bösen fremden Religion wären.

Darüber lässt sich Schwarzer in einem Interview mit „Cicero“, der Zeitschrift für apolitisches Geschwätz, lange und breit aus. Es wäre gar kein Problem, sondern eine Selbstverständlichkeit, wenn eine Feministin (auch) den Islam kritisiert und einer Erstarkung vor allem konservativer Strömungen dieser Religion skeptisch gegenübersteht. Schwarzer verwendet dabei aber ein auffallendes Vokabular.

„Diese entwurzelten Männer, die aus diesen Ländern zu uns geschwemmt kommen, müssen gar nicht vom IS angeworben werden. Die sind in den letzten Jahren schon vom politischen Islam geformt worden“.

Eine hübsche Wortwahl angesichts der Leichen, die täglich an die Strände Südeuropas geschwemmt werden. Das könnte Trixi Storch nicht höhnischer formulieren. Und die Verallgemeinerung „die“ ist angesichts der Tatsache, dass viele der Geflüchteten genau deswegen flüchten, weil sie islamistischen Terrorregimes und Krieg entrinnen wollen, ebenfalls recht unfein.

Natürlich hat Schwarzer auch zur Kölner Silvesternacht immer noch was Neues auf Lager. Nachdem ihr Konkurrent in Sachen Aufmerksamkeit heischendes Dummschwätzen, Henryk M. Broder, behauptete, dort hätte nichts Geringeres als ein „Pogrom“ stattgefunden, halluziniert Schwarzer einen Angriff auf das Christentum herbei:

„Die Aggression galt übrigens den Frauen an sich ebenso wie dem Kölner Dom, diesem hohen christlichen Symbol. Der war schon ab 18 Uhr heftig mit Böllern attackiert worden.“

So unreflektiert geht das lange weiter. Schwarzer ruft anonyme algerische „Intellektuelle“ als Kronzeugen dafür auf, dass es sich bei Asylbewerbern durchwegs um „Dealer“ und „islamistisch Verhetzte“ handele. Und dann sagt sie, wer schuld daran sei, dass sich Deutschland immer noch letzte Reste von liberaler Rechtsstaatlichkeit und Respekt vor den Menschenrechten bewahrt hat – die Auschwitzkeule!

„In Erinnerung an den Fremdenhass der Nazis wollte man nun die Fremden lieben. Um jeden preis. Doch diese blinde Fremdenliebe ist nur die die Kehrseite des Fremdenhasses“.

Abgesehen davon, dass „blinde Fremdenliebe“ exakt der Jargon von FPÖ und AfD ist: Dass Nazis, die bekanntlich keine „Fremdenhasser“ waren, sondern völkermordende Rassisten, daran schuld sind, dass wir gegen Refugees nicht so vorgehen, wie es Schwarzer gerne hätte, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie dieses Vorgehen aussehen würde, auch ohne dass Schwarzer es ausformuliert.

Mit dem Cicero-Interview hechtet eine vor langer Zeit mal respektabel gewesene Intellektuelle noch tiefer in den völkischen deutschen Sumpf. Würde es in der deutschsprachigen medialen Öffentlichkeit ein bisschen weniger dumm zugehen, wäre die Frau als Dauerstudiogast im Fernsehen und als moralische Instanz erledigt. Sie zieht die höchst wichtige Islamkritik auf das Niveau reaktionärer Dumpfbeutelei herab. Schwarzers „Islamkritik“ ist keine, sie ist wie der Besitzer eines Vorstadthäuschens, der seinen Nachbarn verachtet, weil der ein „schlechteres“ Auto fährt, aber nie auf den Gedanken kommt, das Autofahren an sich zu hinterfragen.

Dieser Eintrag wurde am 26. August 2016 veröffentlicht. 8 Kommentare

Weltexklusiv: Wir kontrollieren Facebook!

All seeing eye pyramid symbol. New World Order. Hand-drawn Eye of Providence. Alchemy, religion, spirituality, occultism, tattoo art. Isolated vector illustration. Conspiracy theory.

Allessehende Augen – ja, aber bitte mit Eyeliner

von Gastprinzessin Bernhard Torsch

Lieber Johannes Boie,

In der Süddeutschen Zeitung schreiben Sie über die oft willkürlich wirkenden Löschungen und User-Sperrungen auf Facebook. Das ist an sich löblich, denn auch unser Prinz Leo wird dort immer wieder tagelang ausgeschlossen – so wollen wir Sie und andere Sheeple wenigstens glauben machen, hihi. In Wirklichkeit, und das ist ein großes Geheimnis, das Sie bitte für sich behalten, kontrollieren wir Facebook. Leo Fischer und Stefanie Sargnagel lassen wir manchmal sperren, um die Wahrheit zu verschleiern, um die wirkliche Wirklichkeit hinter einer Burka aus Desinformation zu verbergen. Mark Zuckerberg ist nur ein Strohmann, das menschliche Gesicht unserer krakenhaften Verschwörung.

Ganz falsch liegen Sie, werter Herr Boie, wenn Sie, in der unfeinen Gesellschaft von Straßennazis und intellektuell beeinträchtigten Libertären, die Amadeu Antonio Stiftung hinter der Facebookzensur vermuten. Die Stiftung ist nur einer unserer unzähligen und stets nachwachsenden Arme, mit denen wir die Wahrheit erdrosseln, noch dazu ein eher unbedeutender. Dennoch finden wir es unschön, wenn Sie schreiben: „Viel diskutiert und kritisiert wurde bereits, dass die Chefin der Stiftung, Anetta Kahane, als junge Frau acht Jahre inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi war, bevor sie nach eigenen Angaben von selbst einen Schlussstrich zug und einen Ausreiseantrag stellte“. Das liest sich so, als würde Frau Kahane das nur behaupten und als wäre das alles nicht akribisch in den Akten der verflossenen DDR vermerkt worden. Wirklich, Herr Boie, das gibt einen Eintrag in unsere Akten mit dem Vermerk: „Formuliert tendenziös, Recherche könnte besser sein. Vielleicht rekrutieren? Unbedingt im Auge behalten!“ Noch ist es für Sie nicht zu spät, Herr Boie, noch haben wir ein Plätzchen frei in den Reihen der großen Konspiration.

Nachdem Sie jetzt wissen, wem Facebook wirklich gehört, wollen wir Ihnen auch verraten, dass Facebook ein Privatunternehmen ist. Ein Privatunternehmen, das dessen Eigentümern gehört, die daher auch bestimmen dürfen, welche Inhalte dort zu lesen sind. Wir sind nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk von Buxtehude, bei dem theoretisch jeder Staatsbürger ein Anrecht darauf hat, nicht zensiert zu werden, sondern ein profitorientierter Konzern. Leider rächt sich derzeit, dass wir zu geizig waren, echte Journalistinnen und Medienrechtler anzustellen, so dass wir den Laden inhaltlich immer noch nicht so richtig im Griff haben und statt Nazis immer wieder Satiriker und Tittenfotoposterinnen sperren. Vielleicht liegt das auch an unseren amerikanischen Untergebenen, die es nicht gewöhnt sind, Meinungsäußerungen zu unterdrücken, und die daher noch reichlich ungeschickt darin sind, strafrechtlich relevante Hetze von Parodie und Kritik an ihr zu unterscheiden.

Aber das wird schon noch. Übermorgen kaufen wir übrigens die Süddeutsche Zeitung.
Verschwörerische Grüße

Die Weltraumechsenkommunistenjuden
aka Prinzessinnenreporter

Dieser Eintrag wurde am 23. August 2016 veröffentlicht. 1 Kommentar

Royales Lob für Franziska Seyboldt

von Gastprinzessin Bernhard Torsch

Liebe Kollegin,

Sie haben in der „taz“ einen Text über Ihre Angststörung veröffentlicht und danach eine Fortsetzung verfasst, in der Sie die Bedenken einiger Leute schildern, die Sie davor warnten, in Hinkunft auf dieses Thema reduziert zu werden. Gestatten Sie mir, Ihnen als royaler Sonderbeauftragter für die Themen Angst und Depression ein paar Zeilen in Form einer Punktation zu schreiben und Ihnen unser ausdrückliches Lob auszusprechen. Weiterlesen

Dieser Eintrag wurde am 21. August 2016 veröffentlicht. 2 Kommentare

Knallkopp des Monats: Achim Winter

Die Amadeu Antonio Stiftung geht gegen Hetze im Internet vor, indem sie beispielsweise Hasspostings dokumentiert. Das passt Achim Winter nicht. Wer und was ist ein Achim Winter, fragen Sie? Laut seiner Website „Reporter, Moderator, Produzent, Autor“. Winter arbeitet auch für das ZDF und macht für den Sender einmal wöchentlich gruselig unlustige „Satire“, indem er sich von Menschen auf der Straße seine Ressentiments bestätigen lässt.

Prinzessin Bernhard Torsch über das Phänomen Straßenumfrage

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Eine App für Lumpen

Ordnungsamt Online – Android Apps auf Google PlayÄrgern Sie sich auch so über die Nachbarn, die den Müll falsch trennen und den Passanten, der jeden Morgen den Haufen seines Vierbeiners vor ausgerechnet Ihrer Tür nicht aufsammelt? Eine neue App schlägt vor: Stellen Sie diese Menschen doch einfach öffentlich an den Pranger!

Prinzessin Bernhard Torsch hat sich die neue Berliner „Ordnungsamt-Online“-App genauer angeschaut.

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Strengste Rüge an Waidhofen an der Thaya

tadelVon unserem royalen Tortenwart Bernhard Torsch

Die Prinzessinnen tragen Verantwortung für alle Menschen, die in unseren Kronländern wohnen, und wir sind fast wie Jesus: Was man den Geringsten unserer Untertanen tut, das tut man uns. Nun erreichte uns Kundschaft von einem besonders schäbigen Betragen gegenüber jenen, die von dummen Menschen gerne gering geschätzt werden.  Im österreichischen Dorf Waidhofen an der Thaya wollen Politiker von ÖVP und FPÖ Flüchtlingskinder nicht an der Ferienbetreuung der Gemeinde teilnehmen lassen. Weiterlesen

You fight for the Throne and you travel alone – Happy Birthday, Bob Dylan

Kuchen sollst Du suchen! www.flickr.com/photos/eldriva/

Kuchen sollst Du suchen!
www.flickr.com/photos/eldriva/

Ein Glückwunsch von Bernhard Torsch.

Wenn sich erst mal Kunsttheoretiker, Kulturwissenschaftler und Leute, die ansonsten unverständliches Angeberkauderwelsch in Ausstellungskataloge oder elitäre Hirnwixermagazine schmieren, mit einem befassen und einen im Zuge gut gemeinter Erklärungsaufsätze zum Objekt ihrer Sprachvernichtungen machen, muss man sich als Rockmusiker entweder die Kugel geben oder Bob Dylan sein, denn wenn man Bob Dylan ist, dann ist es einem egal, dass sich sogar in der Klagenfurter Universitätsbibliothek, gut versteckt in der Anglistikabteilung, eine Magisterarbeit über die „Surrealen Elemente in den Texten Bob Dylans“ findet.

Mit akademisch verpeilten Kindern aus gutem Hause, die jedes Bein anspringen, von dem sie annehmen, es gehöre zu einem, der ist, was sie nicht sein können, und sich dann so lange daran reiben, bis sie ein unlesbares Buch oder einen verschwurbelten Artikel ejakuliert haben, musste sich Dylan schon früh auseinandersetzen, und dass ihm das lästig war, ließ er die Welt auch wissen: You’ve gone to the finest school all right, Miss Lonely / But you know you only used to get juiced in it. Er war noch keine 22 Jahre alt, da sollte er schon „die Stimme seiner Generation“ sein, ein „Prophet“ gar, und alle, alle wollten sie ein Stück von ihm haben, nahmen ihn in ihre Parteien und Debattierclubs und Sekten und „Movements“ auf, ohne ihn zu fragen, und trugen seine frühen Songs vor sich her wie ein süditalienisches Dorf die mumifizierte Zehe ihres lokalen Heiligen bei einer Prozession, die von der Kirche zu den Weinkellern führt. Ein gutes Gefühl für das Dorf, für die „Bewegung“, aber letztlich heidnisch, unheilig, naiv.

Natürlich kam dann das erste große Nichtverstehen der Nixblicker, als Dylan der US-amerikanischen Folkszene, dieser Ansammlung von dauerempörten Halbtalenten, entwuchs und, ausgestattet mit einem messerscharfen Modebewusstsein, das ihn auch optisch zur hippsten Person des Universums machte, die Kraft seiner alles bislang in der Populärkultur Dagewesenen übertreffenden Sprachvirtuosität mit jener des Rock´n Roll verband und zusammen mit Musikern, die kapierten, was er kapierte, durch Amerika und England donnerte, so unaufhaltsam wie die Zeiten, die sich trotz des Beharrungswillens der Linken, Rechten, Lechten und Rinken änderten.

Die konservativen Progressiven buhten ihn aus, nannten ihn „Judas“, denn für sie war ein rockender, sonnenbebrillter engjeanstragender Dylan in etwa das, was die Gentechnik für angebliche „Grüne“ heute ist: Unverständlich, daher unheimlich und deswegen abzulehnen, so rein vom Buchgefühl her, welches bei diesem Menschentyp ja bekanntermaßen das Denken ersetzt.
Dylan hat das nicht gestört, er hat, ganz im Gegenteil, die Verwirrung der Dummen sogar genossen. Er spielte aber den empörten Unverstandenen und ließ genussvoll seine ätzende Ironie auf die Unbedarften los, die nicht ahnten, dass hier einer mit ihren Erwartungshaltungen und Vorurteilen spielte wie es sonst nur Meister des Neurolinguistischen Programmierens können. Man höre zB jenes Bootleg von seiner England-Tournee aus dem Jahr 1966, auf dem er, völlig bedröhnt von mindestens drei illegalen und zwei legalen Drogen, in Richtung Publikum nuschelt: „I ain´t gonne play any more concerts here in England. Because the english papers called the following song a drug song. This is not a drug song“. 

Und dann spielt er das beste Lied aller Zeiten, den Drogensong „Visions of Joahnna“, der aber noch viel mehr ist, nämlich der Paradevertreter von Dylans damaliger Stream-of-Consciousness-Poesie, die den Hörer mitnahm auf einen Trip in eine Welt voller wunderschöner Metaphern, erleuchtender Gedankenblitze und Sprachbilder, die, und hier stimmt die Phrase, das Bewusstsein des Hörers erweiterten. „Judas“, brüllte ein dummer Mensch in Richtung Bühne. „I don´t believe you, you´re a liar“, konterte Dylan, und bat seine Band, „Like A Rolling Stone“ doch bitte „fucking loud“ zu spielen. Soweit die schöne Legende. In Wirklichkeit war es Robbie Robertson, der Gitarrist der Band, der die Empörung seines Chefs in die Aufforderung zum Lautspielen fasste. 

Dann verstummte Robert Zimmerman, als der Dylan einst geboren worden war, nach einem Motorradunfall für fast zwei Jahre und sah zu, wie die ganze Welt plötzlich die Musik hörte, die er als Erster gemacht hatte, und die Drogen nahm, die er genommen hatte.

Und während sich tout le monde LSD einwarf und erst die psychedelische Majestät von „Blonde On Blonde“ zu begreifen begann, was sich unter anderem darin äußerte, dass dieses Dylan-Doppelalbum von 1966 an allen Kunst-Unis, auch an jener in Wien, wo die Fantastischen Realisten den Aufstand gegen gerade Linien wagten, auf Dauerrotation gesetzt wurde, antwortete Dylan auf Briefe von Johnny Cash und veröffentlichte zum Entsetzen der „linken“ Hippies nicht nur eine gemeinsame Platte mit dem als „reaktionär“ verleumdeten Man in Black, sondern spielte auch Solowerke ein, die stark vom Country beinflusst waren. Wer gerade noch zu „Subterranian Homesick Blues“ abgespaced war, verstand nun den neuerlichen Schwenk Dylans ebenso wenig, wie die Folkies Dylans Wechsel zum Rock kapiert hatten. Jimi Hendrix und andere verstanden sehr wohl, und kaum waren der Spott und der Hohn, die über den angeblich fortschrittsfeindlichen Dylan ausgegossen wurden, verklungen, griff schon eine ganze neue Generation von Musikern Dylans Faible für traditionelle Americana auf und wurde damit extrem erfolgreich. Dreimal schon hatte sich der schmächtige Gigant gegen Trends gestellt und damit die Musikwelt revolutioniert.

Drei Revolutionen angestoßen zu haben, das ist mehr, als alle anderen, die sich als Revolutionäre fühlten und fühlen, jemals geschafft haben, aber Anfang der 70er Jahre war die Musikpresse, im Gleichschritt mit all den anderen Hinterherrennern und Nachplapperern und Wenigdenkern, immer noch gefangen in der idiotischen, von Dylan längst als überholt entlarvten Zwangsvorstellung, wonach Musik danach bewertet werden müsse, ob sie dem politischen Mainstream entspricht, also „politisch korrekt“ bzw. „relevant“ ist, oder eben nicht und dann dem Reich des Bösen zugeordnet werden muss. Der Regisseur Sam Packinpah war einer, der Dylan verstanden hat, weshalb er Herrn Zimmerman auch bat, den Soundtrack zu seinem Western „Pat Garret and Billy The Kid“ zu schreiben. Das war ein Männerfilm, so wie Dylans Lyrik immer Männerpoesie war, keineswegs frauenfeindlich, aber eben der Tatsache bewusst, dass Männer die Welt teilweise anders wahrnehmen als Frauen. Übrigens etwas, was schon Italian Poets from the 13th century wussten…

Einmal noch konnte Dylan bei den Bauchlinken punkten, als er sich im Song „Hurricane“ für den seiner Meinung nach unschuldig eingesperrten schwarzen Boxer Rubin Carter stark machte, und zwar ganz im Stil seiner frühen Protestsongs. Und auch die zwei Ehekrisenplatten „Blood On The Tracks“ und „Street Legal“ wurden mit großem Wohlwollen aufgenommen. Nicht ganz zu Unrecht, betrachtet man das großartige Songmaterial auf diesen Scheiben, das in dem unfassbar deprimierenden, aber dennoch trotzigen „No Time To Think“, in dem Bob eine Art Generalabrechnung mit Kapitalismus und Realsozialismus vornahm und, als ginge es um sein Leben, für die Würde des zwischen den Extremen verrückt gemachten Menschen sang, seinen Höhepunkt fand. Nie zuvor und auch nicht danach hat Dylan sein Mitgefühl für die „bedrängte Kreatur“ so klar und direkt und poesiegewaltig ausformuliert.

Dann….ja dann wurde Herr Zimmerman spirituell neu geboren, mutierte also zum „born again christian“, und schockte als Vertreter einer ultrakonservativen Auslegung des Christentums nicht nur seine durchwegs nicht sonderlich religiösen Fans, sondern auch seine jüdische Familie. Jahrelang gab er den Hardcorechristen, drohte zum Entsetzen seiner Interviewpartner und seiner Anhänger Schwulen mit dem ewigen Höllenfeuer und veröffentlichte gleich drei Platten nacheinander, die sich alle mit dem tollen Wirken des Christengottes befassten (und mit der Ausnahme von „Slow Train Coming“ musikalisch nicht gerade zum Besten gehörten). Kaum jemand sah genau hin, denn dann wäre es vielleicht dem einen oder anderen aufgefallen, dass der Mann, der da evangelikanen Quatsch von sich gab und brav geschnittene Anzüge anhatte, an seinen Füßen immer noch Schuhe aus Schlangenleder trug. Vermutlich hat sich Dylan in diesen Jahren bei der Lektüre der ihn verdammenden Artikel in der progressiven Presse so amüsiert wie nie zuvor.

Ernst machte er erst wieder 1983, und zwar mit dem Album „Infidels“, das zwar seinen Abschied vom christlichen Fundamentalismus markierte, aber die Dummlinken unter seinen Fans noch schlimmer verunsicherte als es seine pseudoreligiösen Gospelausflüge getan hatten.

Denn während es in der „linken“ Szene zum schlechten Ton geworden war, Israel zu verfluchen und sich auf die Seite der Araber zu schlagen, ergriff Dylan so pointiert und eindeutig Partei für den Judenstaat, dass man seinen Song „Neighbourhood Bully“ als das bis heute gedanklich klarste und politisch redlichste Lied, das jemals über den Nahostkonflikt geschrieben wurde, sehen muss. Da gibt es kein Heurmgeeiere, kein Anheischen an den pseudoliberalen Mainstream, sondern einfach eine klare, nachvollziehbare und, bei Betrachtung der Fakten, einfach wahre Beurteilung der Lage Israels. Bob Dylan ist übrigens, schenkt man den Interviews seit 1980 Glauben (und, wichtiger: hört man sich die Texte genau an), ein spiritueller Mensch, der aber keiner organisierten Religion angehören mag, sondern die Nähe zu „Gott“ in der Musik fühlt – eine Herangehensweise an das Metaphysische, die er mit vielen Musikern teilt. Im wirkliche Leben, also abseits der Bühnen, der Masken und der Ironie lebt Dylan eine ganz normale jüdische Identität. 

Seit Dylan Musik macht, fühlen sich unmusikalische Menschen bemüßigt, immer wieder Unsinn über seinen Gesangsstil zu schreiben. Von „Krächzen“ wird da berichtet, oder von „Näseln“.
In Wahrheit gehört Dylan zu den besten und stilprägendsten Sängern, die die Rockmusik hervorgebracht hat.

Aber Leute, die von Musik soviel verstehen wie ich von Quantenphysik, von den ersten Kritikern in den 60er Jahren bis zu heutigen Kollegen, haben nie realisiert, dass ein Rocksänger nicht mit denselben Maßstäben zu messen ist wie ein Angestellter der Wiener Oper. Und hier kommen wir wieder zum Anfang dieses Beitrags: Die Dämlacke und Klischeeliebhaber müssen Dylan in ihre viel zu kleinen Schubladen stecken, weil sie nicht begriffen haben, was dieser Mensch hervorgebracht hat. Sie dummschreiben etwas daher vom „Hippie“ Dylan, obwohl der nie ein Hippie war, und sie stellen Dylan in eine Gegenposition zum von ihnen, diesen Amateuren, so verehrten Punk, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben oder haben zu wollen, dass Dylan die Musikwelt in den 60ern wesentlich härter aufgerüttelt hat, als es der Punk in den 70ern tat.

Aber, und auch das haben wir ja schon festgestellt: Ein Bob Dylan steht da drüber und es ist ihm auch wurscht, ob er nun den Literaturnobelpreis bekommt oder nicht, oder ob irgendein Wicht seine jeweils neueste Platte als „gut“ oder „schlecht“ in seine knapp bemessene Schachtel steckt. Er macht einfach weiter, veröffentlicht gute bis sehr gute Musik und spielt immer noch gern live. 

Happy 75th birthday, Bob!