Siebter Teil einer zivilsierten Serie von Lord Harald Nicolas Stazol
Lady Pharao jedenfalls nahm diplomatische Beziehungen, Handelsbeziehungen auf, und der kulturelle Austausch folgte. In einem riesigen, mit Hieroglyphen überreich bedeckten Fries ist die Flottille der Papyrus-Schiffe zu sehen, wie sie reichbeladen zurückkommen.
Ramses II. konnte man im Ägyptischen in einer Marmorgalerie sehen, Wachen bewachten die Mumie und die Stille, Sadat hatte den Saal aus Respekt der Totenruhe auch von Tuthmosis III. und Amenophis I. schließen lassen. Ramses der Große war der größte aller Könige. Seinen Krieg gegen die Hethiter, gipfelnd in seinem Feldzug gegen Quadesh – eine vollendete militärische Niederlage eigentlich, durch klassischen Hochmut, katastrophale Führung seiner Infanterie und Unfähigkeit in seinem taktischen Führungsstil à la »Ich bin der Pharao, jetzt kommst du«.
In Wahrheit verliert er die Schlacht und deutet sie in propagandistischer Höchstleistung zu einem Sieg ohne Parallele um. Von der Nilmündung bis nach Assuan lässt er sich als Herrscher in den geduldigen Sandstein hauen, der in der einen Hand zahllose Feinde hält, in der anderen eine tödliche Keule schwingt. Seinem Geltungsdrang werden die königlichen Steinmetze nicht nur durch beispiellose Kolossalstatuen gerecht, sondern auch durch einen plötzlichen Stilwechsel in den steinern-schriftlichen Hieroglyphen: In seiner Amtszeit geht der Stelenschreiber vom Hochrelief ins Basrelief über – so kann man die Namenskartuschen der Vorgänger mal eben in »Ramses II« ummeißeln. Einen alle sieben Jahre stattfindenden Ritus, bei dem der Pharao vor der versammelten Priesterschaft seine Regierungsfähigkeit durch einen Tanz zu demonstrieren hat, meistert er noch achtzigjährig bravourös: »Er warf die Beine über den Kopf wie ein Gott«, durch einen Spazierstock gestützt, vermerken die Chronisten der damaligen Zeit atemlos auf ihren Papyrii. So ist die zivilierte Welt von damals.
Egon Friedell schreibt in seiner „Kulturgeschichte Ägyptens“, dass, da dort sich der Tauschhandel über 4000 Jahre bewährte, Geld sowie Aktien bloße, völlig überflüssige Zeiterscheinungen seien.
Und einer erschuf einen einzigen Gott -vielleicht einer der ersten dokumentierten Fälle der Geschichte eines ersten Zivilisierten, den Anstoß Gebenden einer ganzen Zivilisation überhaupt –, es dürfte der Pharao Echnaton gewesen sein: Einer plötzlichen Eingebung folgend, in der ihm ohne weitere Umstände der einzige und alleinige Gott Aton erscheint,
die Sonne selbst, veranlasst ihn, nicht nur die allmächtige Priesterkaste des Reichsgottes Amun in die politische
Bedeutungslosigkeit zu verdammen – er verlegt sogar die Reichshauptstadt von Luxor nach Amarna, eine Stadt, die er aus dem Boden stampfen lässt. Dass ihm wahrscheinlich der Monotheismus zu verdanken ist, gilt inzwischen als wissenschaftliche Tatsache.
Alkibiades, ein Geliebter des Sokrates, nutzt seine ebenfalls sonnengottgleiche Schönheit und seinen persönlichen Charme auch vermittels eines lang im Sand schleifenden Purpurmantels und »goldener Sandalen« – ein früher Publicity-Gag – derart geschickt, dass man ihn irgendwann zum Oberbefehlshaber der griechischen Flotte kürt, was natürlich in einer nautischen Katastrophe endet. Alexander der Große wird seinen Status als Herrscher der Welt ein wenig später dadurch manifestieren, dass er sich in der ägyptischen Oase Shiwa von den dortigen Priestern des Amuns (der musste
für so einiges herhalten) als dessen Sohn zu dessen Stellvertreter auf Erden erklären lässt. Ein Vorgang, den er erst billigend zur Kenntnis nimmt, um ihn, wie seine Biographin Mary Renault später schreiben wird, »irgendwann selbst zu glauben« – der Hochstapler überzeugt sich kraft seiner eigenen Hybris. Aber er – sie alle – sind zivilisiert.
Da ist Felix Krull, der junge Held aus Thomas Manns letztem Schelmenroman, ohne den ein Traktat über auch zivilisierte Umgangsformen einfach unvollständig wäre: Schon im Kinderwagen stellt sich der kleine Felix vor, er sei der erlauchte Hohenzollern-Kaiser und vergießt, von seinem Wahlonkel Schimmelpreester ermutigt, schon dicke Tränen. Zu großer körperlicher Schönheit herangewachsen – sie ist die vielleicht leichteste Verführung aller anderen, Schönheit ist der Staat im Staate, hier gibt es keine zivilisierten Regeln. Man denke nur an die Kate Mosses und Naomi Campbells, an Claudia Cardinale, aber auch Alain Delon und Warren Beatty (der dem Vernehmen nach in Hollywood einen schwierigen Stand als
Schauspieler hatte, weil er einfach zu gut aussah, ja, auch das gibt es) . In voller jugendlicher Blüte jedenfalls, verführt Felix erst sein Kindermädchen, dann eine Industriellengattin, die während des Aktes von seinen »Hermesbeinen« schwärmt: »O Engel du der Liebe, Ausgeburt der Lust! Ah, ah, du junger Teufel, glatter Knabe, wie du das kannst …« Undsoweiterundsoweiter …
Er darf sie um ihren Schmuck erleichtern, gibt sich später mit Billigung seines Gönners als Marquis aus, alles scheint ihm zu gelingen, zuzufliegen gewissermaßen, auch dies wohl ein Charakteristikum des, rasch nur, rasch, Erfolghaben- und sein Glückmachen-Wollens, solange die Mitmenschen sich blenden lassen. Dass der Schönling seine Memoiren im Gefängnis
schreibt, wird nur sehr aufmerksamen Lesern klar, denn auch der Leser will lieber getäuscht sich sehen und an ein Wunder glauben, so einfach arbeitet das Hirn.
Und nun katapultieren wir uns auf eine Metaebene, die der geneigte Leser womöglich übersehen hat: Es ist die russische Babuschka, eine in der anderen verschachtelt. Da Thomas Mann dies aufschreibt und „Joseph und sein Brüder“, ließ den Schriftsteller das Studium der Ägyptologie nicht mehr los – dieser schreiberische Akt ist eine Knospe der Zivilisation, dass ich diese Zeilen verfassen kann, eine andere.
Eines haben sie alle gemeinsam, außer den Ägyptern, aber womöglich darf man die Levante dazurechnen: Sie sind ihrem Wesen nach proto-europäisch. Und deshalb werden wir nun noch von einem geeinten Europa singen, im Chor der anderen Mächte, und es wird die Melodie der über alles hinstrahlenden, güldenen Krone der Zivilisation sein.
to be contd.
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