Archiv | Oktober 2015

Das Windows 10-Dekret

Screen Shot 2015-10-14 at 7.32.53 PMvon Apple-Prinzessin Elke Wittich

So geht das nicht, Microsoft!

1. Wenn Du, Microsoft, möchtest, dass Leute Dein neuestes Betriebssystem benutzen, dann ist der beste Weg dazu, ein Betriebssystem anzubieten, das die Leute haben wollen.

2. Nicht so gut, um es zurückhaltend zu formulieren, ist es dagegen, penetrant alle paar Tage zu versuchen, ob sich die Leute nicht doch aus Versehen im Rahmen Deiner notorischen Updaterei verklicken und Windows10 installieren.

3. Und es dann nicht mehr loswerden.

4. Ganz besonders schlechtes Benehmen ist es allerdings, nachdem ein Nutzer das Update rausgekratzt und ausgeblendet hat, es doch wieder zu installieren und sich nicht einmal die Mühe zu machen, eine neue KB-Nummer zu vergeben, sagt der Royal Tech Chief.

5. Ein Update mit Werbung für ein weiteres Produkt sei kein Update, läßt er außerdem ausrichten.

6. Ein Update mit Werbung sei außerdem kein wichtiges Update.

7. Lass das, Microsoft.

8. Und zwar sofort.

9. Sonst erweitern wir unsere royale Anziehsachen-Kollektion


10.
Mit so einem Unfug wird die Rettung des Journalismus außerdem nur unnötig erschwert

11. Daher erteilen wir einen schweren royalen Tadel, verbunden mit Erdbeerkuchen-Verbot. Letzteres gilt solange, bis Du Dir ein neues Betriebssystem ausgedacht hast, das brauchbar ist. Es muss nicht mal glitzern.

Das Dummheits-Dekret

Screen Shot 2015-10-04 at 7.21.36 PMVon Gastprinzessin Sarah Hinney

Ich fordere Schmerzensgeldzuschlag für jeden Kommentar, den Onlineredakteure zum Thema Flüchtlinge auf denen von ihnen verwalteten oder zufällig besuchten Seiten lesen oder kommentieren müssen. Ich forde
re ferner einen finanziellen Zuschlag für jeden Kommentar, der die Worte Meinungsfreiheit, Gleichgeschaltet, Wirtschaftsflüchtlinge und Lügenpresse enthält sowie finanzielle Entschädigung für das Lesen und Beantworten sämtliche Kommentare, die Flüchtlingen kriminelle Energie unterstellen, bevor die Menschen überhaupt da sind.

Ab sofort ergeht das Dekret, dass für jeden Kommentar dieser Intention mindestens ein Euro auf das Schmerzensgeld-Konto der Prinzessinnenreporter überwiesen werden muss. Wer Links und Videos mit besonders dummem Inhalt in sozialen Netzwerken teilt, wird ferner mit einem Dummheitszuschlag von weiteren fünf Euro belangt. Die Beurteilung dessen, wo Dummheit beginnt, liegt ausschließlich in den Händen der Prinzessinnenreporter sowie besonders schmerzgeplagter Onlineredakteure.

Es obliegt den Prinzessinnen, das Dekret auf Kommentare mit homophobem Inhalt und anderen Unsinn auszudehnen.

In Gänze verboten wird darüber hinaus ab sofort die unsägliche Redewendung Manwirdjawohlnochsagendürfen. Es handelt sich hierbei um eine weit verbreitete, aber vollkommen fälschliche Annahme. Man darf nicht.

Da mit Erlass dieses Dekrets die Flüchtlingskrise in ganz Europa schon in etwa sieben Tagen im Griff ist, können sich die Prinzessinnenreporter schon am kommenden Wochenende wieder auf das eigentliche Ziel, die Rettung des Onlinejournalismus und nicht zuletzt den Kauf von hübschen Winterstiefeln konzentrieren.

Dieser Eintrag wurde am 18. Oktober 2015 veröffentlicht. 2 Kommentare

Ein dreckiger Deal auf Kosten der Demokratie und der Flüchtlinge

EU-Kommissionspräsident Juncker umarmt Erdogan bei seinem Brüssel-Besuch, der polnische Ministerpräsident Tusk nennt die Türkei „der beste Partner“ für die Europäische Union – die Türkei unter der AKP-Regierung kann sich derzeit vor Nettigkeiten aus Europa kaum retten. Während zwischen Brüssel und Ankara gute Stimmung herrscht, ziehen woanders dunkle Wolken auf.
Von Gastprinzessin Ismail Küpeli D
ie derzeitige Politik der Europäischen Union gegenüber der Türkei zeigt, dass der Umgang der EU mit Autokraten sich nicht gebessert hat. Wie bereits zuvor ist die EU bereit mit fragwürdigen Regimen zu kooperieren, wenn die politischen und ökonomischen Interessen der EU dies fordern. Selbst das Ausbleiben demokratischer Mindeststandards wie etwa freie Wahlen stellt für die EU oft kein Hindernis dar, wie zuvor offensichtlich anhand der Zusammenarbeit mit Aserbaidschan und Ägypten – beides Staaten, die die Opposition brutal unterdrücken und wo von Demokratie kaum die Rede sein kann.
Diesmal geht es aber weniger um Rohstoffe (siehe Aserbaidschan) oder um sicherheitspolitische Überlegungen (siehe Ägypten), sondern um die in der EU unerwünschten syrischen Flüchtlinge.
Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien haben Millionen Menschen das Land verlassen und in die Nachbarländer geflohen, wie etwa Libanon, Jordanien und die Türkei. Mehr als 2 Millionen syrische Flüchtlinge leben seit mehreren Jahren in der Türkei – unter sehr schlechten Bedingungen und ohne einen gesicherten Status. Die syrischen Flüchtlinge haben in der Türkei keinen Anspruch auf einen Asylverfahren und auf einen dauerhaften Aufenthaltsstatus. In Verbindungen mit den schlechten Lebensverhältnissen in der Türkei ist es nicht überraschend, dass die überwiegende Mehrheit der syrischen Flüchtlinge weiter nach Europa will.
Die Europäische Union hat jahrelang die Lage der syrischen Flüchtlinge im Nahen Osten teilnahmslos beobachtet und geriet jetzt in Schrecken, als einige zehntausend Flüchtlinge über die Türkei es tatsächlich bis in die EU geschafft haben. Jetzt soll die AKP-Regierung für die EU die syrischen Flüchtlinge von Europa fernhalten.
Der Deal zwischen der EU und der Türkei sieht den Bau von riesigen Flüchtlingslagern in der Türkei vor, die durch EU-Mittel finanziert werden. Inoffizieller Teil eines solchen Deals wird es auch sein, dass Erdogan und die AKP-Regierung in der Türkei agieren können, wie sie es für richtig halten. Weder der Krieg im Osten des Landes noch die zunehmende Entdemokratisierung der Türkei würden dann von der EU und den EU-Mitgliedstaaten kritisiert werden – ganz im Gegenteil würde die EU faktisch die AKP-Politik finanziell mit unterstützen. Die Europäische Union und mächtige EU-Mitgliedstaaten wie etwa Deutschland orientieren sich bei ihrer Türkei-Politik ganz offensichtlich nicht an Werte wie Demokratie, Friedfertigkeit und Achtung der Menschenrechte.
Vorrangiges Interesse in Brüssel und Berlin ist es, die Türkei als Türsteher der EU gegen die syrischen Flüchtlinge aufzustellen. Opfer dieser Politik sind, neben den syrischen Flüchtlingen, Demokratie und Frieden in der Türkei.

Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (27)

Geht aus Prinzip nicht auf Pressekonferenzen: Maik Söhler

Geht aus Prinzip nicht auf Pressekonferenzen: Maik Söhler

Ausgefüllt von Maik Söhler (CvD bei der taz)

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten.
Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.

 

 

 

 

1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?

Immer. Ich will ja wissen, wer den Wahnsinn befeuert.

2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?
„Reich ins Heim“, SZ irgendwann über Nobelinternate

3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ich gehe aus Prinzip nicht auf Pressekonferenzen.

4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Es rettet uns kein höhres Wesen …

5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?

Nur weltliche Fragen, bitte.

6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?
Niemandem. Jeder hat das Recht, sich nach Kräften zu blamieren.

7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?

Rentner

8) Dein/e Wunschinterviewpartner/in?
Bernd, das Brot

9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleinige Chefredakteurkönigin wärst? Und wie würde sie heißen?
Wie sie aussähe, weiß ich nicht. Ihr Name wäre jedenfalls: „Ruhe jetzt!“

10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät sie schreiben?

Für „Diesseits“.

Die Welle- das unbekannte Wesen

von Wellenprinzessin Ramona Ambs

Bei der Welle der Gewalt wurden bisher 30 Palästinenser und 8 Israelis getötet. 

welleSo berichtet heute morgen die tagesschau. Das ist eine schlimme Sache mit den Wellen. Vor allem für Journalisten, die kein Nautikstudium haben. Da weiß man dann garnicht, wie man das mit der Welle genauer erklären soll. Deshalb fragen ja auch manche Journalisten „Wer steckt hinter der Eskalation?“ und rechnen dann einfach wieviele Tote auf der Welle schwimmen. Dann liegt die Antwort ja quasi auf der Hand.

Denken die sich so.

Dabei funktioniert Mathematik und Welle ganz anders.

Da dem also so ist, erwägen wir Prinzessinnen eine Fortbildung zum Thema Nautik anzubieten. Was sind Wellen? Wie entstehen sie? Und wie erklärt man sie dem Publikum? Wir wollen eine Art Wellenpädagogik entwerfen, die sich gemeinsam mit Euch dem Problem der journalistischen Didaktik annähert. Genauere Details werden noch ausgearbeitet. Bis dahin hoffen wir, dass man sich weitere Wellenanalysen spart. Es ist nämlich sonst ein Elend, ein schlimmes!

Kollektionserweiterung: Adorno und ich halten Dich übrigens für einen Trottel

Screen Shot 2015-10-14 at 7.32.53 PM
Mit Höflichkeit allein kann der Journalismus nicht gerettet werden. Daher bieten wir unseren Qualitätslesern und uns nun die Möglichkeit, Knalltüten, Knalltüten-Ähnlichen und den Bewohnern von diesem Land da äußerst stilvoll mitzuteilen, was man von ihnen hält.
Die „Adorno und ich halten Dich übrigens für einen Trottel“-Kollektion besteht nicht nur aus geschmackvollen Anziehsachen, sondern auch aus ausnehmend wundervollen Tassen, Beuteln und Ansteckern – und hier kann sie gekauft werden. Screen Shot 2015-10-14 at 7.33.32 PM

Warum wir keine Anzeigen haben

w6Von der PR♕-Marketingmanagerin Elke Wittich

Anläßlich der aktuellen Diskussion um Adblocker und Adblockernutzer-Blocker dürfen wir als Retter des Journalismus und letzte Bastion vor den Horden der Finsternis nicht länger schweigen:

 

1. Es ist ein Elend.

2. Wir haben ausnahmslos Qualitätsleser, es gibt aber keine Qualitätsanzeigen.

3. Außerdem benutzen auch Qualitätsleser Adblocker.

4. Wir finden die ganze Diskussion um Anzeigen und Anzeigen-Blocker lästig. Denn:

a. Leser wollen lesen und keine Anzeigen anschauen.

b. Journalisten wollen schreiben und dafür bezahlt werden.

c. Leser finden, dass Journalisten sich halt was einfallen lassen sollen, wenn sie unbedingt darauf bestehen, Geld für ihre Arbeit zu bekommen.

d. Journalisten halten das allerdings nicht für ihren Job.

e. Leser sind aber der Meinung, dass es nicht ihr Problem ist, wovon Journalisten leben.

f. Journalisten macht es nicht glücklich, dass Leser ständig nach Qualitätsjournalismus verlangen, den zu produzieren Zeit (und Geld) kostet.

g. Leser wollen aber nun einmal alles kostenlos haben.

h. Leser-Anspruch und Journalisten-Wirklichkeit sind, sagen wir: ein verdammtes riesiges Problem und es wird nicht besser.

i. Das Problem führt doch nur zu großem Unfug, zum Beispiel Publikationen, die nicht etwa Texte zu wichtigen Themen der Zeit anbieten, sondern Content bzw. Nachspürreportagen über den Stand der Zahnhygiene produzieren und dafür Geld bekommen, das anderswo besser angelegt wäre.

j. Uns Prinzessinnenreportern wurde immer wieder versichert, dass Leser gern freiwillig für gute Texte zahlen würden.

k. Dann tut das halt aber auch – oben rechts unter dem irrtümlich mit „Spenden“ beschrifteten Button gibt es die Möglichkeit, uns zu beschenken, und im Shop könnt Ihr schicke Sachen kaufen.

l. Und jetzt gehen wir weiter den Journalismus retten, bis später.

Dieser Eintrag wurde am 14. Oktober 2015 veröffentlicht. 3 Kommentare

Das Säxit-Dekret

Guten Tag, Pegida,
mit Entzücken haben wir die am letzten Montag geäußerte Bitte Ihrer Frau Festerling vernommen, wonach Sachsen eingemauert und anschließend zu einem eigenen Staat erklärt werden soll.
Den Prinzessinnenreportern als offiziellen Ausrüstern der Lügenpresse und letzter Bastion vor den Horden der Finsternis ist an einer zügigen Umsetzung des Säxit gelegen. Daher ergeht folgendes Dekret:

1. Die Mauer hat bis zum 20. Oktober durch alle Sachsen, die sich für Volk halten, errichtet zu werden. Geeignetes Werkzeug ist mitzubringen Sowie sie fertiggestellt ist, wird Sachsen übrigens in „Dieses Land da“ umbenannt.

2. Im Interesse eines möglichst reibungslosen und raschen Mauerbaus sind alle Aufläufe und Demonstrationen so genannter besorgter Bürger ab sofort verboten.

3. Alles, was rosa ist, sowie Schlösser, das dazugehörige Inventar und royale Denkmäler sind einzupacken und an die Prinzessinnenreporter (Adresse siehe Impressum) zu verschicken. Bitte auf ausreichende Frankierung achten.

4. Gebäude, in denen sich Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehredaktionen befinden, und deren Inventar auch.

5. Journalisten, die „Dieses Land da“ verlassen möchten, wird der Umzug in einen ordentlichen Staat ihrer Wahl durch Pegida bezahlt, außerdem muss Pegida beim Kartons tragen helfen. Umzugsgeld und -hilfe gelten auch für alle anderen Leute, die nicht in besorgte Bürger-County leben möchten.

6. Anschließend werde die Grenzen zu „Dieses Land da“ zugemacht.

7. Den Grenzschutz übernimmt die Prinzessinnenreporter-Security.

8. Um „Dieses Land da“ vor schlimmen ausländischen Einflüssen zu schützen, werden alle Internetverbindungen ab 20. Oktober 2015 gekappt. Nicht internetfähige Computer und Handys dürfen behalten werden, sofern sich darauf nur deutsche Software befindet. Bitte halten Sie die entsprechenden Geräte zur Überprüfung bereit.

9. Am 20. Oktober 2025 werden die Grenzen für eine kurze Inspektionstour der Prinzessinnen Leo, Marit, Ramona, Svenna und Elke geöffnet. Wir bitten in dieser Zeit sehr eindringlich darum, im eigenen Interesse dumme Sprechchöre und dusseliges Benehmen zu unterlassen.

10. Viel Spaß!

Für die Prinzessinnenreporter: Elke Wittich (nach Diktat verreist)

Screen Shot 2015-10-04 at 7.21.36 PM

Dieser Eintrag wurde am 13. Oktober 2015 veröffentlicht. 7 Kommentare

Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (26)

Möchte den goldenen Bara kemensi ausloben: Sabine Küper-Büsch

Möchte anregen, den goldenen Kara Ben Nemsi auszuloben: Sabine Küper-Büsch

 

Ausgefüllt von Sabine Küper-Büsch

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten.
Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.

 

Sabine Küper-Büsch ist Filmemacherin und crossmediale freie Autorin mit Sitz in Istanbul. Jüngste Dokumentarfilme: „Graffiti und Tränengas. Die Künstler der Gezi-Revolte“ (3Sat, 2013), „500-800 Dollar kostet ein Mädchen in Mossul“ (ORF, 2014)


1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?

In der Lokalzeitung meiner Heimatstadt in Westfalen gab es eine unverwechselbare Kolumne, den Steintor-Hennes. Eine Glosse über die zerfallenden Wasserburgen in der Region stilisierte Maulwürfe zu Helden, die durch die Flöze der damals noch aktiven Steinkohlbergwerke streunten und Burgenfundamente sabotierten. Diese Maulwürfe trugen die Namen der damals wichtigen und mächtigen Gewerkschaftsgrößen des Ruhrpotts. Sie kämpften für den Erhalt einer die Landschaft unterhöhlenden Industrie. Die geschädigten Landadeligen waren damals die komischsten Vertreter der gerade erstarkenden Umweltbewegung. Sie setzten sich für die westfälische Feldspringmaus und die grün-gelb gestreifte Schlüpflibelle ein und legten ökologisch nachhaltige Gartenteiche in ihren Ländereien an. So erinnere ich mich jedenfalls an den hintergründigen Witz des Steintor-Hennes. In der Realität mögen die Themen auch belangloser gewesen sein. Diese Kolumne schaffte es, die komischen Seiten von Machtstrukturen zu karikieren und gleichzeitig sehr viele Informationen zu übermitteln. Der Hennes war ein Pseudonym für verschiedene Autoren, die im Schutz seiner Narrenkappe sowohl stilistisch als auch thematisch zuweilen hochwertige, manchmal auch banale Satire produzierten.

Ich mag bis heute Kollektiv-Labels, die sich einer bestimmten Mission verschreiben. Das aus dem Luther-Blisset-Projekt hervorgegangene italienische Schriftstellerkollektiv Wu Ming etwa gehört zu meinen Favoriten. Luther Blissett ist eine reale Person, es handelt sich um einen karibisch-englischen Fußballprofi, der in den 1980er Jahren unter anderem für den AC Mailand spielte. 1994 lancierten eine Gruppe subkultureller Aktivisten in Bologna eine Reihe von Falschmeldungen in italienischen Massenmedien, die Luther Blissett als kollektives Phantom etablierten. Blisset schrieb auch den Roman „Q“. Der Roman erzählt die Geschichte der linken italienischen Gegenkultur als historischen Roman über die Reformationszeit. Ein Theologiestudent und sein phantomhafter Feind Q stehen im Mittelpunkt. Das Autorenkollektiv vermeldete, dass es das 16. Jahrhundert gewählt hat, weil „damals die Geburtsstunde all dessen war, was im modernen Leben verkehrt läuft: Europa, Massenkommunikation, Polizeistaat und Finanzkapital“. In Istanbul gibt es ebenfalls ein Autoren- und Künstlerkollektiv unter dem Label Periferi. Es steht lose in der Tradition der internationalen Situationisten und äußert mit einer Verfemung des „Terrors der Wirklichkeit“ eine radikale Kritik an der Inszenierung von Realität in den Massenmedien. In diesem Sinne, finde ich, haben Signaturen etwas Vorläufiges, sie sollten wandelbar sein und vornehmlich den Resonanzraum für die Inhalte bilden.

2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?

„Van Minüt“ war der fortlaufende Titel eines Cartoons in der Tageszeitung Habertürk des türkischen Satirikers Mehmet Çağçağ. Er bezog sich auf die Auseinandersetzung zwischen dem israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos 2009. Erdoğan hatte Peres mit dem Einwurf „One Minute“ zu unterbrechen versucht und verließ schließlich wutschnaubend und Peres beschimpfend das Podium, weil er keine zusätzliche Redezeit bekommen hatte. Es war der erste internationale Glanzauftritt des immer wieder unfreiwillig politische Satire produzierenden heutigen Präsidenten der Türkei. Mehmet Çağçağ setze bis zum vergangenen Jahr das komische Talent Erdoğans unter dieser Schlagzeile unverwechselbar in Szene.

3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ich meide Pressekonferenzen, weil man dort selten etwas von Belang erfährt. Eine meiner qualvollsten Erlebnisse aus meinen ersten Jahren in der Türkei war eine Pressekonferenz beim türkischen Menschenrechtsverein in den 1990ern, auf der eine deutsche Menschenrechtsaktivistin irgendeine unreflektierte PKK-Propaganda auf Kurdisch vortrug. Eine kurdische Menschenrechtsaktivistin musste sie in das Türkische übersetzen. Als Ende vom Lied reiste die Deutsche danach unbehelligt wieder ab, während ihre Übersetzerin einen Prozess wegen PKK-Propaganda am Hals hatte. Damals war Kurdisch als Sprache verboten, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Auch nicht die damals verbreitete Ignoranz von Aktivisten, Politikern und auch vielen Kollegen, die immer wieder zur Eigenprofilierung sie gar nicht betreffende Grenzen sprengten und es andere dann ausbaden ließen.

4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Durch ständiges Lamentieren über seinen Zustand. Auch wenn das Infotainment der deutschen Medienwelt mittlerweile erdrückend ist. Es gibt immer Möglichkeiten, sich der Maschinerie der Manipulationen zu entziehen. Die eigene Kreativität hat ja nur die Grenzen, die man ihr selbst setzt. Journalisten müssen sich auch nicht dem Diktat der Mainstream-Medien beugen, sondern tun das leider oft freiwillig.

5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?
Auf meinen Kollegen Victor Kocher, den früheren Nahostkorrespondenten der NZZ. Der stürzte 2011 im Schweizer Wallis tragisch beim Spazierengehen aufgrund von Glatteis in eine Schlucht in den Tod nachdem er viele lebensgefährliche Situationen auf seinen Reisen überstanden hatte. Der schrieb messerscharfe Analysen, bewegende Reportagen und kritische Kommentare aus einer Region, über die viele Kollegen gern als Experten kolportieren ohne sich gleichzeitig physisch dorthin zu bewegen. Victor ist keinem Risiko aus dem Weg gegangen und scheute keine Mühen. Falls es so einen Himmel gäbe, gehörte er für mich dort hinein.

Gabriel Garcia Marquez würde ich auch gern antreffen, neben seiner Weltliteratur lese ich unheimlich gern seine Reportagen über die Praktiken der Mafia in Kolumbien. Ich zitiere immer wieder aus seinem Werk. Dafür würde ich mich gern bedanken.

Sabahattin Ali sollte außerdem in diesem Himmel anzutreffen sein. Das war ein türkischer Journalist und Schriftsteller, der ein zauberhaftes Buch über das Berlin der 1930er Jahre geschrieben hat. Er war damals dort Student. Ali war Mitbegründer der legendären Satirezeitschrift Markopaşa, die Ende der 1940er Jahre die partielle Modernisierung in der Türkei meisterhaft karikierte. Der Titel bezog sich auf einen griechisch-osmanischen Arzt, der im osmanischen Reich für seine Engelsgeduld bekannt war. Ali wurde 1948 auf der Flucht nach Bulgarien von Unbekannten ermordet, es wird bis heute ein politischer Zusammenhang vermutet. Ich würde gern von ihm erfahren, ob das stimmt.

6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?
Den Karl Mays in meinem Berichtsgebiet. Die sind ein relativ neues Phänomen. Politisch unterschiedliche Gewichtungen sind ein zentrales Element des Journalismus und gehören zur wichtigen Pluralität der Diskurse. Ich habe im vergangenen Jahr nur so viele gefakete Interviews mit angeblichen Vertretern des Islamischen Staates, habgierigen Flüchtlingsschleppern und sonstigen Blödsinn gelesen, das mir immer noch ganz schwindelig wird. Es gibt so viele unsinnige Preise in unserer Zunft. Ich möchte wirklich anregen, dass der goldene Kara Ben Nemsi demnächst ausgelobt wird. Ich mach auch gern Vorschläge, wer den bekommen soll.

7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?
Das Bienensterben erforschen, Andalusienpferde züchten oder Regierungssprecherin des Königreiches Tonga zu sein wären noch echte Herausforderungen für mich.

8) Dein/e Wunschinterviewpartner/in?
Der König von Tonga, Taufaʻahau Tupou IV, nur leider ist der bereits 2006 verstorben. Mit dem Ehepaar Assad würde ich mich gern mal über die Shabia unterhalten. Das ist eine paramilitärische regimetreue Sturmtruppe in Syrien, die von Oppositionellen sehr gefürchtet wird. Der Name heißt soviel wie „Geist“, „Erscheinung“ und wird gleichzeitig auch für den Mercedes Benz als Automarke benutzt, da da so schnell empfunden wird wie ein Geist, erzählten mir syrische Dissidenten in Istanbul. Sie brausen auch gern mit Motorrädern und schnellen Autos durch die Städte und nieten dabei Regimegegner oder auch harmlose Passanten um. Ich würde die Assads nach ihrer bevorzugten Automarke fragen und dann ganz harmlos über die Gerüchte zu diesen unangenehmen Folterern und Mördern plaudern wollen. Aber nur außerhalb Syriens, versteht sich, an einem sicheren Ort.

9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleinige Chefredakteurkönigin wärst? Und wie würde sie heißen?
So ein Medium gibt es: www.inenart.eu. Interactive enthusiasts in art. Eine multimediale Seite, da ich ja crossmedial arbeite. Dort interagieren Beiträge in Wort, Bild, Schrift, Video, Graphiken und anderes miteinander und der Benutzer erfährt viel Unbekanntes vor allem aus meinem Berichtsgebiet, Türkei und Nachbarländer, korrespondierend mit der internationalen Kunst- und Kulturszene.

10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät sie schreiben?
Für www.inenart.eu auf alle Fälle nicht, ich schätze keinen Gottheiten, egal ob männlich oder weiblich. Eine Ausnahme war der König von Tonga, aber der ist ja leider von uns gegangen. Bei der Apotheken-Umschau könnte ich mir Gott sehr gut vorstellen. Die ist ja nach dem ADAC-Magazin die auflagenstärkste Zeitschrift in Deutschland und Gott könnte dort Balsam für geplagte, gesundheitsbewusste Seelen sein.