Archiv | Oktober 2015

Weiteres Schicksal ungewiss – drei syrische Flüchtlinge in türkischem Knast

kroneLaut türkischen Medien sollen sie Provokateure mit Verbindungen zu ausländischen Geheimdiensten sein, die fünf jungen Menschen, die sich kürzlich in Edirne an den Protesten syrischer Flüchtlinge für Grenzöffnungen beteiligten. Seit die beiden Europäerinnen unter ihnen aus der Haft entlassen und abgeschoben wurden, interessiert das Thema deutsche Medien nicht mehr. Dabei sitzen die mit ihnen verhafteten drei syrischen Palästinenser immer noch im Knast – und ihnen droht womöglich die Abschiebung nach Syrien.
Gastprinzessin Sabine Küper-Büsch hat ihre Geschichte exklusiv für Prinzessinnenreporter aufgeschrieben.

Ali ist erst seit vier Wochen in Istanbul. Und schon nicht mehr in Freiheit.
Es war ein mieses Gefühl ihn und Mohammad heute (am 3.10.15) hinter vergitterten Fenstern zu sehen. Seit zehn Tagen sitzen sie in Abschiebehaft in einer Einrichtung im historischen Viertel Sultanahmet.

Beide sind Palästinenser aus Damaskus. Sie stammen aus dem Jarmuk-Camp, das ist ein etwa 2,1 km² großes Stadtviertel und Flüchtlingslager in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Es befindet sich an der südlichen Stadtgrenze, östlich des Stadtbezirks Qadam (Al-Kadam). Jarmuk wird überwiegend von Flüchtlingen aus Palästina und deren Nachfahren bewohnt. Da viele der Bewohner sich 2011 den Protesten gegen das Assad-Regime beteiligten, stand das Viertel bis zum Frühjahr 2015 unter Belagerungszustand durch syrische Milizen. Der Islamische Staat rückte im April vor, jetzt steht das Viertel unter Belagerungszustand des IS und des Assad-Regimes, die in den jeweils von ihnen kontrollierten Teilen die Bevölkerung terrorisieren. Ausgangsperre, Lebensmittelrationierungen …

Mohammad hatte im vergangenen Dezember an einem Kurzfilm-Workshop teilgenommen, den der syrische Filmemacher Ziad Homsi, Thomas Büsch und ich leiteten. Zusammen mit seinem Freund Bassel entstand ein wunderschöner Kurzfilm, in dem Bassel einen großen, schweren Koffer durch das Istanbuler Viertel Balat trägt. Er schleppt an seiner Geschichte zu schrägen Gesängen von Yoko Ono.

Bassel ist mittlerweile nach Holland ausgewandert und hat dort einen Asylantrag gestellt. Mohammad wohnt noch zusammen mit seiner Mutter in Balat. Die Eltern flohen in den 1980ern von Palästina erst in den Irak. Mohammad verbrachte dort seine Kindheit, er spricht noch heute mit leuchtenden Augen von Bagdad. Doch als der Krieg dort 2002 entbrannte zogen sie nach Syrien in das Jarmuk Camp. Vergangenen Sommer floh die ganze Familie nach Istanbul. Der Vater ist mit zwei von Mohammads Schwestern in Holland, Mohammad blieb, mit seiner Mutter.
Sein Freund Ali kam vor vier Wochen nach. Auch er möchte lernen, Filme zu machen. Am 17. September waren wir noch alle zusammen auf dem Bus-Terminal in Istanbul Esenler. 2000 Syrer protestierten dort für eine Öffnung der Grenzen nach Griechenland und Bulgarien. Wir haben gefilmt. Mohammad, Ali und Mohammads französische Freundin Charlotte schlugen vor, ob wir nicht alle am nächsten Tag nach Edirne fahren sollten. Der Protest sollte dort an der Grenze fortgesetzt werden. Hunderte Syrer machten sich zu Fuß auf den Weg, weil keine türkische Busfirma sie auf Anweisung der Behörden transportieren wollte. Thomas und ich lehnten ab. Uns war klar, dass es riskant ist, gemeinsam mit den Syrern zu fahren. Charlotte wollte ein Auto mieten, ich sah unser aller Namen schon als Schlagzeile: Schlepper aus Europa heizen Flüchtlingsproteste an.

Diese Ahnung wurde ein paar Tage später bestätigt. Die vier hatten sich zusammen mit einem weiteren syrischen Freund zweimal auf den Weg nach Edirne gemacht. Zunächst hatten sie Photos und Filme produziert. Das zweite Mal hatten sie sich an dem Protestmarsch auf der Autobahn beteiligt und wurden schon am Stadtrand von Istanbul im Viertel Esenyurt festgenommen. Mohammad hatte Montag, den 21. September, morgens um sechs mein Handy angerufen. Als ich einige Stunden später zurückrief, waren alle noch guten Mutes. Der Polizist, dem Mohammad sein Handy übergab, sagte mir, dass nur die Personalien festgestellt würden. Mohammad hat noch keine Aufenthaltsgenehmigung in der Türkei. Das ist gemeinhin kein Problem, denn Syrer profitieren von einem vereinfachten Verfahren.

Am Dienstag kam die Nachricht, die vier hätten die Polizeistation verlassen dürfen. Umso bestürzter las ich zwei Tage später in allen Regierungsnahen Zeitungen und Nachrichtenagenturen, die Provokateure der Edirne-Proteste seien gefasst worden. Drei Syrer und zwei Europäerinnen, denen man Verbindungen zum deutschen und französischen Geheimdienst habe nachweisen können, hieß es dort. Eine Zeitung veröffentlichte sogar Photos von den Pässen der fünf. Eine miese Verleumdungskampagne.

Da in der Woche im islamischen Kulturkreis drei Tage das Opferfest gefeiert wurde, saßen die fünf die ganze Woche über in Abschiebehaft. Am 30. September wurden Charlotte und Nora nach Frankreich und Deutschland abgeschoben. Offiziell, weil sie sich unerlaubt an Demonstrationen beteiligt haben. Das ist Ausländern in der Türkei nicht erlaubt. Die drei Syrer sitzen nach wie vor in Abschiebehaft, es wurde keine Anklage erhoben, niemand weiß, was mit ihnen passieren soll. Die drei konnten nur einmal Anwälte konsultieren, die ihnen erst einmal erzählen mussten, welche Vorverurteilungen in den Medien standen. Diese Handhabe ist auch in der Türkei ungesetzlich. Niemand darf länger als 48 Stunden festgehalten werden, ohne einem Haftrichter vorgeführt zu werden.

Wer hat die regierungsnahe Presse die Pässe abphotographieren lassen und die Konspirationstheorie verbreitet? Die drei Syrer sind harmlose Flüchtlinge, Mohammads Freundin Charlotte lebte seit drei Jahren in Istanbul als Französisch-Lehrerin, die Deutsche Nora war Teil des Komşu-Café-Kollektivs. Das ist eine Gruppe, die sich nach den Gezi-Protesten 2013 im Stadtteil Kadıköy gebildet hat. Das Kollektiv betreibt ein Café, in dem auch Flüchtlinge arbeiten, und ist ein Anlaufpunkt für ein internationales Publikum. In den türkischen Medien war zu lesen, Charlotte und Nora seien während der Gezi-Proteste von ausländischen Geheimdiensten eingeschleust worden, um Unfrieden zu stiften. Was für ein fürchterlicher Rufmord, ganz davon abgesehen, dass die Frauen unfreiwillig aus ihrer Istanbuler Wahlheimat abgeschoben wurden und erst einmal, niemand weiß wie lange, nicht mehr einreisen dürfen.

Was passiert nun mit Mohammad, Ali und ihrem Freund Abdurrahman? Werden sie in einem Flüchtlingscamp zwangseinquartiert, gar nach Syrien abgeschoben? Auf den sozialen Medienplattformen gab es eine breite Solidaritätskampagne, die Mainstream-Medien schweigen mal wieder. Nur vereinzelt wurde diese Nachricht veröffentlicht und verschwand ganz mit der Abschiebung der Europäerinnen.

Ich hatte versucht, ein einflussreiches deutsches Online-Portal davon zu überzeugen, zu berichten. Leider erfolglos. Die deutsche Diplomatie schweigt ebenfalls, denn solange die Vorwürfe nur in den türkischen Medien kolportiert werden, gibt es noch keinen diplomatischen Konflikt. Ich frage mich, wohin führt so eine Außenpolitik? Konflikte vermeiden bedeutet auch, Unrecht zu billigen. Was ist der eigentliche Hintergrund? Nun, in der Türkei stehen Wahlen bevor. Die in der Wählergunst immer mehr verlierende AKP versucht mit Feindbildern den eigenen autoritären Führungsstil zu rechtfertigen. Ausländische Mächte haben die Gezi-Proteste geschürt?! Menschen wie Charlotte und Nora wurden von den Gezi-Protesten angezogen, um in einer internationalen Solidaritätsbewegung zu arbeiten. Jetzt werden sie zu Agenten stilisiert. Die Türkei wird international für ihre Aufnahme von Flüchtlingen gelobt. Gleichzeitig werden die in Camps lebenden Syrer mehr oder weniger eingesperrt, Ankara versucht gerade, mit amerikanischer und deutscher Unterstützung eine „Sicherheitszone“ in Syrien salonfähig zu machen. Dahin kann man dann all die lästigen Flüchtlinge abschieben. Ein zweiter Gaza-Streifen, wie perfide, dass Mohammad als Palästinenser einer der ersten Kandidaten sein kann, die als Aufrührer dort hin gebracht werden.

Es war kein schöner Anblick, heute vor dem Abschiebeknast zu stehen und zu dem Fenster hoch zu brüllen, in dem Mohammad und Ali sehr verloren standen. Sie haben kaum Nachrichten aus der Außenwelt, keine Rechte, wir können nichts für sie tun, außer Polizisten zu bitten, ihnen Zigaretten zu bringen. Wenn ich eine Krone verteilen dürfte, würden sie sie jetzt kriegen. Wen es interessiert, der möge sich den Kurzfilm anschauen, den Mohammad produziert hat. Bassel hat gespielt, Mohammad hat das Konzept gemacht und die Kamera geführt.

Zehn Gründe, warum die Prinzessinnenreporter NICHT am nächsten Kongress teilnehmen

w5Von der PR♕-Liveeventmanagerin Marit Hofmann


1.) Der Autor dieses Textes könnte da sein.


2.) Für unsere Säge ist ausschließlich der Zeremonienmeister zuständig, verdammte Axt!


3.) Wir meiden Nervensägen.


4.) Wenn sich bei uns ein Funke entzündet, rufen wir die Feuerwehr.


5.) Wir lassen uns nicht an Snackbars von Networkern anquatschen (es sei denn es gibt Erdbeertorte, aber wir sprechen nicht mit vollem Mund).


6.) Prinzessinnen mischen sich nicht unters Journalistenvolk.


7.) Prinzessinnen suchen nicht nach einflussreichen Experten, Kunden und Mentoren – Prinzessinnen werden gesucht.


8.) Nicht mit einem Sack voller Ideen, Impressionen und Innovationen, sondern allenfalls mit einem Sack voller Schuhe zurück in das Headquarter (PR♕HQ) zu kommen, macht Freude.


9.) Das Büro zu verlassen, um mit einer geschliffenen Säge statt mit Kuchen zurückzukehren, ist eine Fehlinvestition.


10.) Wir können uns sehr gut vorstellen, dass extrovertierte Networker jetzt mit den Augen rollen, aber die Prinzessinnen haben in ihrer Komfort-Zone (kurz: PR♕HQ) unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit durchaus Spaß.

Dieser Eintrag wurde am 7. Oktober 2015 veröffentlicht. 1 Kommentar

Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (25)

René Martens vorm Plöner Schloss

René Martens vorm Plöner Schloss

Ausgefüllt von René Martens

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten.
Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.


René Martens schreibt frei u.a. für taz, Zeit Online, Medienkorrespondenz und konkret – und gehört zum vierköpfigen Autorenteam der werktäglich erscheinenden Medienwatchkolumne Altpapier. Er hat diverse Bücher über den FC St. Pauli geschrieben und arbeitet regelmäßig in den Jurys beziehungsweise Nominierungskommissionen des Grimme-Preises mit.


1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?
1978 oder 1979 Ingeborg Schober und Harald Inhülsen. Die schrieben damals für den Musik Express. Inhülsen pflegte einen stakkato-artigen/schrägstrich-lastigen Stil, der mich damals beeindruckt hat. Heute würde ich die Texte wahrscheinlich unlesbar und manieriert finden. Gewiss habe ich mir auch die Namen der Autoren gemerkt, die in der Saison 1977/78 – als der FC St. Pauli zum ersten Mal in der 1. Liga spielte – für die Wochenzeitung Sport Megaphon geschrieben haben. Das war eine Konkurrenz zum Kicker – aber mit Amateurfußballberichterstattung. Diese Autorennamen habe ich aber mittlerweile vergessen. Ausnahme: Ernst Werner. 2009 habe ich für 11 Freunde und die Jungle World über dessen braune Vergangenheit geschrieben (die auch vielen seiner Nachkriegstexte anzumerken war).
2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?
Von meinen Altpapier-Überschriften der jüngeren Vergangenheit gefällt mir „Hooligans gegen Helmut Schmidt“ am besten.

3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?
Ansprachen von ARD-Programmdirektor Volker Herres.

4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?
Von Leuten, die zu diesem Thema Artikel verfassen und Vorträge halten.

5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?
Christian Schultz-Gerstein. Die Suche nach der Artikelsammlung „Rasende Mitläufer“, 1990 in der Edition Tiamat erschienen und antiquarisch noch zu bekommen, sei hiermit dringend angeraten.

6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?
Der Verlockung, hier jemanden zu nennen, der sich aufgewertet fühlt, möchte ich dann doch widerstehen. Also sage ich mal: fast alle Hamburger Sportjournalisten.

7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?
Keinen. Immer noch nicht.
8) Dein/e Wunschinterviewpartner/in?
Das Wunschthema wäre das Cover der Chrysanthemums-EP „The XXXX Sessions“, erschienen 1988. Die Gesprächspartner wären dann wohl Alan Jenkins und/oder Yukio Yung.

9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleiniger Chefredakteurkönig wärst? Und wie würde sie heißen?

Ich würde mir da eher eine Zeitschrift aussuchen, und die wäre dann eine Mischung aus – in alpabetischer Reihenfolge: The Atavist, The Believer, Cargo, konkret, Merkur, Sight & Sound, Spex und The Wire.

10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät sie schreiben?
Sie wäre Senior Consultant beim Altpapier. Da die Kolumne unter dem Dach von evangelisch.de erscheint, wäre Gott da ja ganz gut aufgehoben.

Rede zur Deutschen Zweiheit

Screen Shot 2015-10-03 at 3.33.47 PMgehalten von PR-Reporter Leo Fischer am 3.10.2015 auf dem Börneplatz zu Frankfurt

Liebe Freundinnen und Freundinnen, liebe Genossinnen und Genossinnen,

es ist ein denkwürdiges Ereignis, das uns heute hier zusammengeführt hat, von historisch beispielloser Größe, und wir alle werden dermaleinst unseren schwulen Kindern und schwulen Kindeskindern davon erzählen können: Heute morgen hat Martin Sonneborn uns allen einen kostenlosen Frühschoppen ermöglicht, und wer die legendäre Knausrigkeit der PARTEI-Oberen kennt, der weiß, welch einzigartiger Paradigmenwechsel sich hier vollzogen hat – jedenfalls, wenn er das Wort Paradigmenwechsel kennt oder schon mal bei Plasberg gehört hat.

Aber heute können wir auch eine andere schöne Gelgenheit feiern: Noch niemals zuvor hat sich die bundespolitische Elite so dicht auf so engem Raum versammelt, und noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es eine so schöne Chance für Terroristen, mit einer einzigen gutgezielten Aktion so viele unangenehme Leute auf einen Schlag unmzunieten. Es ist jetzt knapp 14 Uhr, der Tag ist noch jung, von meiner Seite gibt es in dieser Hinsicht schon mal ein ganz großes Toitoitoi! Wohlgemerkt: Wir von der PARTEI sind gegen Gewalt als Mittel politischer Willensbildung, besonders, wenn sie uns selbst betrifft, aber Gewalt als Mittel der Personalentwicklung, die unterstützen wir, und das auch nicht mehr als die 100 besten DAX-Konzerne.

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, was unseren klandestinen Freunden heute noch gelingt, haben wir schon jetzt Anlaß, etwas zu feiern. 25 Jahre Einheit. Ein schönes Experiment, das natürlich auch sehr viel Geld gekostet hat, aber auch in Sachen Einheit gilt der alte Satz Roland Freislers: Auch das schönste Experiment muß einmal zuende gehen. Wir haben jetzt 25 Jahre darauf verwendet, denen da drüben Manieren, Kultur, Bildung und abendländische Tischsitten beizubringen, und, die aktuelle  Bilder aus Freital, aus Heidenau und aus Dortmund haben es gezeigt – das Experiment ist zuende, und es ist gescheitert. Machen wir endlich den Deckel drauf, ziehen wir Bilanz und sagen wir laut: Leute, es reicht. 25 Jahre sind genug!

Meine Damen und Herren, wir wollen hier und heute aber nicht nur heulen und jammern und der Vergangenheit nachtrauern – das können unsere ostdeutschen Genossen viel besser als wir. Denn wir, die wir allen guten Willens und reinen Herzens sind, haben aber auch eine großartige Chance. Wir Deutschen haben schon alle möglichen Staatsformen ausprobiert, in Sachen Staatsformen haben wir jede Menge Erfahrung. Gut, die meisten dieser Staatsformen waren eher unangenehm bis schädlich, aber gerade deshalb, weil wir so viel Schaden in der Welt angerichtet haben, sind wir besonders dafür qualifiziert, weiteren Schaden an der Welt zu verhindern! Einfach, indem wir uns einmal zurückhalten! Indem wir den Zapfhahn des Schadens nicht ganz so weit aufdrehen, wie wir es durchaus vermöchten. Und ich finde, dass wir uns so zurückhalten, daß das Weltschadensbarometer derzeit so niedrig hängt, dafür könnte uns die Menschheit ruhig auch mal danke sagen. Denn wir können auch anders, liebe Menschheit! Da mal bitte drüber nachdenken.

Deswegen möchte ich diesen historischen Tag, diesen historischen Ort und diese historische… Historie nutzen, um für dieses Land eine neue Staatsform zu begründen. Wir sind PARTEI-Menschen und -Frauen aus allen Bundesländern, aus Nord, West und Südwest, aus allen Erdteilen und aus allen sexuellen Präferenzgruppen. Wir sind befähigt, willens und angedüdelt genug, um diese Entscheidung stellvertretend für alle Deutschen zu fällen. Und deswegen fände ich es schön, wenn ihr jetzt alle mithelft, wenn ihr jetzt alle ganz ganz fest in Eure kleinen Patschehändchen klatscht, wenn ich hier, heute, für Euch und für alle, und vor allem für die kleinen hilflosen Flüchtlingskinder da draußen,
DIE REPUBLIK AUSRUFE.

Viele von Euch werden jetzt sagen: Wie, eine Republik gibt es doch schon, läuft doch, alles schnafte. Nun, wie ihr vielleicht durch die Recherchen von Dr. Xavier Naidoo wißt, gibt es gar keine Bundesrepublik, sondern nur eine BRD AG, deren Mehrheitsanteile BMW, der Springer-Konzern und der Kopp-Verlag hält. Von daher also schon mal scheiße. Zum anderen wissen wir aus der Geschichte wirklicher Demokratien, dass so eine Republik mehrere Anläufe braucht, bis sie richtig funktioniert. Die Franzosen haben mittlerweile die fünfte oder sechste, und fahren sehr gut damit, auch wenn sie mittlerweile mehrheitlich faschistisch wählen. Das muß die Demokratie aushalten, von Faschisten zu ihrer eigenen kleinen Gangbangbitch hergenommen zu werden, um mal in der Sprache unserer Zeit zu bleiben.

Und sogar die zurückgebliebenen Österreicher haben schon vier oder fünf Republiken hinter sich gebracht. Wählen auch alle mehrheitlich faschistisch, aber das ist heute nicht der Punkt. Vielmehr haben wir heute die Chance, erstmals eine dreistellige Republikenzahl zu etablieren: die Dritte Republik auf deutschem Boden! Die dritte Republik, wie das schon klingt. Das klingt nach Geschichte, nach Abendland, nach einem Feature auf ZDF History. Die dritte Republik, das klingt nach Lebenserfahrung, nach Reife, nach feinherber Bitterschokolade. Die Dritte Republik, das klingt nach drittem Lebensabschnitt, nach zweitem Frühling, nach fünfter Jahreszeit. Meine Damen und Herren, die Dritte Republik hat die Chance, zur MILF unter den Staatsformen zu werden. Eine lebenshungrige Alte, die uns unschuldigen Demokratiejünglingen alle Tricks zeigt, und uns an Stellen berührt, von denen wir gar nicht wussten, daß wir sie haben.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Vorteil einer III. Republik: Sie macht Lust auf eine vierte! Falls uns die dritte nicht mehr gefällt, denken wir uns einfach eine neue aus. Da kann die BRD AG mit ihren sogenannten Ewigkeitsgarantien einpacken.

Meine Damen und Herren, und für all diejenigen, denen die III. Republik, die IV. Republik etc. zu mathematisch, zu bürokratisch klingt, für den habe ich für dieses neue System sich ablösender und durchnummerierter Republiken, auch gleich eine knackige Kurzbezeichnung in petto. Wir begründen heute nämlich zugleich, im Interesse einer stabilen und auf Verantwortung basierenden Politik, das erste GALAKTISCHE IMPERIUM, um diese neue Ordnung auf Dauer festzuhalten.

Meine Damen und Herren, wenn ich das richtig verstanden habe, werden wir gleich zu einer verfassungsgebenden Versammlung zusammentreten. Keine Ahnung, worum’s da geht, aber es gibt Freibier!

Anschließend wünsche ich Ihnen, meine herzallerliebsten Damen und Herren, recht viel Spaß mit dieser ihrer neuen Republik. Und keine Angst: Wenn diese Republik kaputt geht, haben wir immer noch die nächste in der Tasche.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Leo Fischer

Neue Grundsatzüberlegungen aus dem PR♕HQ

Werte Untertanen, Trittbrettfahrer und Verehrer,
Ursprünglich haben wir uns  ja gegründet, um den Journalismus zu retten. Naja, ehrlicherweise dachten wir, wir seien die humoristische Sterbebegleitung der Krautreporter. Aber nun, wo diese quasi schon Geschichte sind, haben wir uns unentbehrlich gemacht.
Eine Welt ohne Krone- für die meisten unserer Leser unvorstellbar. Nicht nur, weil wir die wirklich wichtigen Themen ansprechen (Schuhe!), und auch nicht nur, weil wir Dekrete hochbrisanten Inhalts erlassen,und auch nicht nur, weil wir das einzige Journal sind, dass getanzte Reportagen bietet und somit auch für Waldorfschüler lesbar ist, und ebenfalls nicht nur, weil wir die schönste Redaktionskatze der Welt haben (Kasimir),
-sondern auch, weil wir als Berichterstatter so großen Zulauf haben, dass man unmöglich fürderhin auf uns verzichten kann. (zumal der Online-Journalismus ja immer noch nicht fertig gerettet ist)
Kurz: Wir bleiben Euch auch künftig erhalten!
Allerdings wird einiges anders werden. Wir werden nicht mehr täglich unseren Senf zum Weltgeschehen absondern, sondern nur- wie es den royalen Gepflogenheiten allgemein ja auch entspricht- zu den uns wichtig erscheinenden Themen. Diese werden weiterhin mehrheitlich rosa sein, aber auch mal dunkelgrau. Wir werden auch fürderhin Gastbeiträge bringen, sofern sie unseren aristokratischen Anforderungen genügen. Außerdem arbeiten wir weiterhin fieberhaft an unseren neuen Grundsätzen. Bis dahin erwarten wir von unseren Untertanen demonstrierte Treue, Spenden oder  Lobpreisungen praktischer Art. In diesem Sinne wünschen wir einen schönen Sonntag.
kroneEure Prinzessinnen

Dieser Eintrag wurde am 4. Oktober 2015 veröffentlicht. 1 Kommentar

3. Oktober – wenn die anderen feiern

kroneWährend Prinzessin Leo heute in Frankfurt/Main die Republik ausrief, herrschte im Prinzessinnenreporter-Headquarter geschäftiges Treiben – der 3. Oktober ist nämlich der Geburtstag des großen Journalisten Carl von Ossietzky und den feiern wir natürlich mit einer royalen Party.

Von unserer Untertanen-Crowd erwarten wir, dass sie am heutigen Tag allen Veranstaltungen fernbleibt, auf denen Fähnchen geschwenkt und scheußliche Lieder gesungen werden und statt dessen das Wochenende damit verbringt, die Werke des Herausgebers der „Weltbühne“ zu studieren.

Die NSU-Berichterstattung künftig nur noch in rosa!

eine kurze Überlegung von Prinzessin Ramona Ambs

Vielleicht sollten wir Prinzessinnnenreporter beantragen die Exclusivrechte an der NSU-Berichterstattung zu bekommen. Denn was da so passiert in der letzten Zeit gehört eindeutig in die Kategorie Satire und sollte daher auch nur von kundigen Schreiberlingen dieses Fachgebiets bearbeitet werden. Dass Beate Zschäpe nach ihrer Verhaftung, anfangs ihre Großmutter besuchen durfte, ok,- das ließen wir noch durchgehen…

Aber dass nun mittlerweile ihre Fans bei ihr in der Zelle Übernachtungsparties feiern, die Gerichtsdokumente in Köln Ehrenfeld aufm Gehweg rumliegen und Opfer, die seit zwei Jahren verteidigt werden garnicht existieren– sorry, Leute- das könnt Ihr mit seriösen Medien doch nicht mehr vermitteln..

Dafür braucht es uns rosa Profis vom Team Lügenpresse. Da weiß man wenigstens, dass es Satire ist.

Ich denke, wir übernehmen ab jetzt…

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Der royale Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter (24)

thomas blumHeute ausgefüllt von Thomas Blum

Der Journalist – das unbekannte Wesen. Wir wissen zumindest: Journalisten sind vielbeschäftigte Leute. Dennoch baten wir ausgewählte Exemplare, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und unsere Fragen zu beantworten. Es ist schließlich zu ihrem Besten. Denn um den Online-Journalismus zu retten, brauchen die Prinzessinnenreporter ein paar Daten zur Evaluation. Und wir lassen nun mal auch gern andere für uns arbeiten.

Die Prinzessinnenreporter bedanken sich huldvoll bei allen Teilnehmer/innen und veröffentlichen die Antworten in loser Folge.

Thomas Blum ist Feuilletonredakteur des „neuen deutschland“ und schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (u.a. „konkret“, „Jungle World“, „Berliner Zeitung“, „Stadtrevue Köln“).


1) Gerüchteweise achten eigentlich nur Journalisten auf die Autorennamen über oder unter einem Text – wann hast Du Dir zum ersten Mal einen Autorennamen gemerkt und warum?


In der trostfernen Gegend, in der ich aufwuchs, war und ist die
am weitesten verbreitete und meistgelesene Zeitung das Lokalblatt „Heilbronner Stimme“, das seit Jahr und Tag den üblichen Schmarren wegdruckt: liebedienerische Ranwanzartikel zu Ehren einflussreicher Lokalpolitiker, nur schlecht als redaktionelle Beiträge getarnte Reklame und der übliche Lokaldreck (Freiwillige-Feuerwehr- und Karnickelzüchtervereinsjubiläen usw.), sprachlich und stilistisch alles auf einem absolut unterirdischen Niveau. Weil ich mich jedoch schon in meiner Jugend sehr fürs Kino begeisterte, las ich meist beiläufig die Filmrezensionen, bei deren Lektüre mir ein allwöchentlich schreibender Rezensent besonders auffiel. Seine Texte unterschieden sich deutlich von den anderen in der Zeitung: Es waren häufig harsche Verrisse oder überschwengliche Lobeshymnen, geschrieben offensichtlich von einem leidenschaftlichen Filmenthusiasten, eloquent und originell formuliert, ganz ohne die inflationär verwendeten Pressephrasen („spannend“, „atemberaubend“). Der Wunsch des Autors – im Vergleich zu den anderen Schreibern –, dem Leser mit Worten Vergnügen bereiten zu wollen und nicht nur eine Filminhaltsangabe hinzuschludern oder aus dem Pressematerial abzuschreiben, war für den Leser deutlich zu bemerken. „Von Thomas Klingenmaier“ lautete die Autorenzeile. Fortan suchte ich allwöchentlich in der Zeitung mit schweißfeuchten Fingern nach seinen Kritiken. Kann gut sein, dass zu jener Zeit der Wunsch, Journalist bzw. Filmkritiker zu werden, in mir keimte. Eine Tätigkeit, die ich mir seinerzeit als die traumhafteste überhaupt vorstellte (man geht den ganzen Tag ins Kino, ohne zu bezahlen, und abends schreibt man lustige Texte über das, was man gesehen hat, in der Folge wird man reich und berühmt und die Frauen laufen einem scharenweise hinterher), von der ich aber annahm, dass die Chance, sie auszuüben, mir niemals zufiele.
Durch irgendeinen Zufall (wohl weil ich selbst zu jener Zeit in den Heilbronner Kinos als Kartenabreißer und Schaukastenplakataufhänger jobbte) lernte ich den Herrn Klingenmaier, der mir überaus freundlich schien, irgendwann oberflächlich kennen und gestand ihm meine innige Bewunderung für seine Filmrezensionen. Als ich ihm später irgendwann einmal abends über den Weg lief, das muss ca. 1988 gewesen sein, schenkte er mir Eintrittskarten für ein Gastspiel des bekannten DDR-Schauspielers Eberhard Esche, der Heines „Wintermärchen“ rezitierte, in der Heilbronner Festhalle „Harmonie“. Klingenmaier selbst hatte wohl keine Lust, sich das anzusehen.
Bis heute werde ich seither nicht die Angewohnheit los, sämtliche Zeitungen selektiv nach bestimmten Autorennamen zu lesen, die ich mir automatisch merke, insbesondere dann, wenn ich einen besonders gelungenen oder abgründig schlechten Text gelesen habe.

2) Wie lautet Deine Lieblingsschlagzeile?

Zwei Tage vor dem in England ausgetragenen Fußball-EM-Halbfinale 1996, Deutschland gegen England, erschien die britische Boulevardzeitung „Daily Mirror“ mit der Titelschlagzeile: „Achtung! Surrender! For you Fritz, ze Euro 96 Championship is over.“ Abgebildet waren die damaligen englischen Fußballer Paul Gascoigne und Stuart Pearce, auf deren Köpfe britische Army-Helme aus dem Zweiten Weltkrieg montiert waren. Um die ganze Titelseite (Zeitungskopf, Fotomontage, Schlagzeile) zog sich eine gestrichelte Linie, die auch mit dem Piktogramm einer Schere versehen war und dem Schriftzug „CUT OUT AND HANG IN YOUR WINDOW“. Leser sollten also die Titelseite gut sichtbar für andere in ihre Fenster hängen und so die deutschen Fans verhöhnen. Leider gewann Deutschland damals den Titel.
Ein zweiter Favorit von mir ist die Schlagzeile, die auf Seite 1 einer linken Tageszeitung erschien, als eines Tages (irgendwann Mitte der 90er Jahre) mehrere Politiker/innen von Bündnis 90/Die Grünen, die aus dem Osten stammten, also der ehemaligen DDR, kollektiv zur CDU übertraten. Sie lautete: „CDU recycelt Ost-Flaschen“.

3) Dein peinlichstes Erlebnis auf einer Pressekonferenz?

Als ich während meines Praktikums bei der oben erwähnten „Heilbronner Stimme“ Unverständliches stotternd mit einem Notizblöckchen in der Hand vor der „Lindenstraße“-Darstellerin Marie-Luise Marjan stand (Autogrammstunde in der Heilbronner Kaufhof-Filiale, 1990). Nun gut, das war keine Pressekonferenz. Grundsätzlich warne ich denkende und fühlende Menschen vor dem Besuch von Pressekonferenzen.

4) Wie kann der Journalismus auf keinen Fall gerettet werden?

Das Letzte, was gerettet werden sollte, ist der Journalismus. Denn er ist wie eine unheilbare nässende, juckende und schmerzhafte Hautkrankheit. Und wir sind die Furunkel. Die Prinzessinnen natürlich ausgenommen, versteht sich. Die sind das heilende Balsam (rosa) bzw. Puder (mit Glitzerpartikelchen).

5) Wenn es einen speziellen Himmel für Journalisten gäbe – auf wen da oben würdest Du Dich freuen?

Die Vorstellung, dass es einen „Himmel für Journalisten“ gibt, ist so beängstigend wie die, dass es einen für Militärs und Politiker, insbesondere Sozialdemokraten, gibt. Obwohl: Da wären dann alle beisammen und würden einander ununterbrochen tagein, tagaus zu Tode langweilen, wenn sie nicht bereits gestorben wären. Diese Vorstellung wiederum ist reizvoll.

6) Und wem auf Erden würdest Du am liebsten den Stift klauen?

Vielen. Eigentlich fast allen. Und nicht nur den Stift. Auch alle anderen Gerätschaften, mit denen man Buchstaben aneinanderreihen oder in die man hineinsprechen kann.

7) Welchen anderen Beruf hättest Du Dir noch vorstellen können?

Prinzessin.

8) Dein Wunschinterviewpartner/in?

Ich nenne der Überschaubarkeit halber mal nur 16. Von den Verstorbenen: Bettie Page, Wolfgang Herrndorf, Gisela Elsner, Thomas Bernhard, Dieter Roth, Jan Vermeer, Heinrich Heine, Oskar Panizza. Von den Lebenden: Gerhard Polt, Ror Wolf, Mark E. Smith, Erwin Wurm, Ulrich Seidl, Elfriede Jelinek, David Cronenberg, Prinz Kasimir.

9) Wie würde eine Zeitung aussehen, bei der Du ganz alleinige/r Chefredakteurkönig/in wärst? Und wie würde sie heißen?

Sie wäre ein telefonbuchdickes Magazin, würde „Müllabfuhr“ heißen, wöchentlich im Coffee-Table-Book-Format erscheinen und ausschließlich ausgesuchtes Phrasengestammel, Stilblüten und unfreiwillig komische Textpassagen aus sämtlichen deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen enthalten. Illustriert wäre der kiloschwere Ziegelstein mit unvorteilhaften Nacktfotos der Autor/inn/en der zitierten Texte und Textauszüge. Journalist/inn/en bekämen die „Müllabfuhr“ unverlangt kostenlos zugeschickt.

10) Wenn Gott Journalist wäre, für welche Zeitung tät er schreiben?

Für keine.

Dieser Eintrag wurde am 1. Oktober 2015 veröffentlicht. 1 Kommentar