Lügen über Skandinavien, Teil 1: Ein Muslim als Chef-Hüter des schwedischen Kulturerbes

Ein Muslim soll das schwedische Kulturerbe schützen! Genauer: Ein Muslim, der noch nie ein Buch über Archäologie gelesen hat! Mit anderen Worten: das schwedische Kulturerbe wurde einem muslimischen Analphabeten überlassen!

So ungefähr klingt das, was rechte Blogs derzeit wieder verstärkt als Beleg dafür, dass die Kulturnation Schweden am Ende sei, verbreiten – in vielen Sprachen, selbstverständlich, denn die Fakenews-Szenerie ist gut vernetzt.

Und so wird natürlich auch auf deutsch beklagt, dass mit Qaisar Mahmood ein Mann Chef des Riksantikvarieämbetet wurde, der in Pakistan geboren wurde und dazu auch noch Muslim ist und deswegen selbstverständlich keine Ahnung von schwedischer Kultur und vor allem Archäologie hat. Beziehungsweise haben kann.

Manchmal weiß man nicht, an welcher Stelle man mit der Unfugsbeseitigung beginnen soll. Fangen wir also ganz von vorn an, mit dem Riksantikvarieämbetet, so heißt das am 20. Mai 1630 gegründete Zentralamt für Denkmalspflege. Die Aufgabe der mittlerweile dem Kulturministerium unterstellte Behörde ist hauptsächlich der Erhalt kulturell wichtiger Orte, Gegenstände und Landschaften.

Chef des Riksantikvarieämbetet ist nun allerdings nicht Quaisar Mahmood, sondern seit 2012 Lars Amréus, aber ein gebürtiger Schwede passt natürlich nicht in die ausgedachte Geschichte vom bösen, ungebildeten Muslim, der Schindluder mit dem Kulturerbe des Landes treibe.

Was Quaisar Mahmood in der Tat ist, ist in Schweden aufgewachsen. Er ging in Stockholm zur Schule, machte Abitur und studierte Politikwissenschaften und Soziologie. Und schrieb Bücher, seit 2003 hat er sieben Publikationen veröffentlicht, was nicht wirklich zum verbreiteten Geraune über den ungebildeten Muslim in der Chefposition passt. Aber rechte Verschwörungsliebhaber – und ganz besonders diejenigen unter ihnen, für die Schweden eine Art Berlin-Kreuzberg auf Länderebene ist, dem Tod und Verderben gewünscht wird – mögen es gern, wenn etwas ihr Weltbild passt, und so kaum auch niemand auf die Idee, mal nachzugucken, was an der Geschichte über Mahmood überhaupt stimmt.

Dabei ist nicht alles an der Story erlogen: Quaisar Mahmood arbeitet tatsächlich beim Riksantikvarieämbetet, allerdings bloß als Abteilungsleiter. Zuletzt sprach er sich übrigens gegen den geplanten Bau des Nobel-Centeret aus, weil der Schaden für die historische Innenstadt Stockholms beträchtlich sei.

Und was sagt Mahmood dazu, dass er als muslimischer Abteilungsleiter im Amt für Denkmalspflege beschäftigt ist? Er verstehe das Problem nicht, erklärte er in einem Interview, um beispielsweise für den Erhalt von Runensteinen zu sorgen, müsse man kein Christ sein. Und außerdem sei er ja in Schweden aufgewachsen und kenne die Kultur seines Landes.

Aberaberaber, was macht ein Muslim, der nie ein Buch über Archäologie gelesen hat, in der Denkmalspflege?

Dass er nie eines gelesen hat, ist btw eine Lüge, was Mahmood in einem Interview sagte, war: „Ich habe an der Universität keinen Archäologie-Kurs besucht.“
Aber egal, jedenfalls für rechte Hetzer, Hauptsache großer Skandal.

Und dass das Amt für Denkmalspflege nur am Rande mit Archäologie zu tun hat, spielt da natürlich auch keine Rolle.

Lars Amréus, Mahmoods Chef, stellte sich letztens übrigens in einem Tweet schützend vor seinen Mitarbeiter und beklagte, dass er und das Amt massiv von alt-right angegriffen wurden. Außerdem beschäftigte sich die Sendung „Granskning des schwedischen Fernsehsenders SVT mit der Hetze, und nannte jemanden namens Robert Spencer als Auslöser der FakeNews. Der Mann steht den rechten Sverigedemokraterna nahe und war im Jahr 2010 bei einer SD-Veranstaltung zu Gast. 2013 erließ Großbritannien ein bis heute gültiges Einreiseverbot gegen Spencer, der als Zentralfigur der rechtsextremen amerikanischen „Counter-Jihad“-Bewegung gilt.

Ha det bra, Wahrheits-Prinsessan Elke Wittich

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Ein Gedanke zu „Lügen über Skandinavien, Teil 1: Ein Muslim als Chef-Hüter des schwedischen Kulturerbes

  1. In der Sache sehe ich keinen Konflikt: die Gedenkobjekte sind bekannt, es geht um ihre schlichte Erhaltung, also keine kulturspezifische Aufgabenstellung. Außerdem ist die Aufgabe des Abteilungsleiters Personalführung. Fachkompetenz braucht eher der Sachbearbeiter.

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